Familie mit allem, was dazu gehört
Zur SeeFirst things first - ich bewundere Dörte Hansen, bin ihren Geschichten hoffnungslos verfallen. In ihren atmosphärischen Settings fühle ich mich sofort heimisch, mache es mir gemütlich und wappne mich innerlich ...
First things first - ich bewundere Dörte Hansen, bin ihren Geschichten hoffnungslos verfallen. In ihren atmosphärischen Settings fühle ich mich sofort heimisch, mache es mir gemütlich und wappne mich innerlich dagegen, mein Herz an schroffe, wortkarge Figuren zu verlieren, wieder einmal. Doch was ist es genau, das mich so einfängt? Ich habe den rauen Charakter des Nordens im Verdacht, der all ihre Romane prägt, und diese tief empfundene Sympathie für Menschen, die bleiben statt zu gehen, die den Veränderungen trotzen. In mir steckt nordisches Blut (der DNA-Test bescheinigt mir knapp 60% skandinavische Herkunft, jawoll, da haben wir’s), die See zieht mich an, doch besonders rührt mich diese in jedem von Hansens Romanen skizzierte im Wandel begriffene Welt, die ihren Tribut fordert, Menschen hervorbringt, die nicht schnell genug hinterherkommen, deren Geerbtes stärker an ihnen zerrt als der Fortschritt. Verlierer in einer Zeit, die stetes Wachstum fordert.
Hansens neuer Roman führt uns an die Nordseeküste, zu Familie Sander, die auf schlappe 300 Jahre Seefahrtsgeschichte zurückblicken kann; in Mutter Hannes bilderbuchschönes Inselhäuschen, zur einsam gelegenen Vogelwarte, dem neuen Domizil von Vater Jens, den keine zehn Pferde mehr zurück aufs Wasser kriegen, familiäres Erbe hin oder her, und zu den drei erwachsenen Kindern, die ihre eigenen Päckchen zu tragen haben. Ihrer aller Leben ist fest verbunden mit der See, wird von deren Gunst bestimmt, dem Spiel der Gezeiten ausgesetzt. Nein, es ist kein sehr fröhliches Buch, das kann man nicht sagen, aber es ist auch nicht leicht, das Leben, und das darf auch mal gesagt werden. Und irgendwie geht es ja doch weiter und die Hoffnung läuft leise nebenher, einmal einen Schritt voraus, einmal einen hinterher. Um alte Liebe geht es, um Schuld und Einsamkeit, um Familie, mit allem was dazu gehört. Ich hätte mir ein paar Seiten zusätzlich und den Figuren noch mehr Tiefe, Griffigkeit gewünscht, aber es ist schon ein feiner Roman, den Frau Hansen uns hier wieder geschenkt hat.