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Veröffentlicht am 30.11.2020

Schillernd, skandalös und provokant- ein Roman, der von der Verruchtheit und den starken, aber dennoch verletzlichen weiblichen Figuren lebt

Die juten Sitten - Goldene Zwanziger. Dreckige Wahrheiten
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Hedwig Hallig wächst im Berliner Scheunenviertel im Bordell "Ritze" auf, das von ihrer Großmutter Minna betrieben wird. 1927 ist Hedwig acht Jahre alt, ihrem Alter jedoch weit voraus. Im engen Kontakt ...

Hedwig Hallig wächst im Berliner Scheunenviertel im Bordell "Ritze" auf, das von ihrer Großmutter Minna betrieben wird. 1927 ist Hedwig acht Jahre alt, ihrem Alter jedoch weit voraus. Im engen Kontakt mit der russischen Domina Natalia und der französischen Edelprostituierten Colette, die für sie die Familie ersetzen, bekommt sie mehr mit als für Kinderaugen und -ohren geeignet ist. Sie fühlt sich anderen Kindern überlegen, hat eine große Klappe und genießt die Extravaganz des Etablissements. Auch der neu erlassene Paragraph zur Verhinderung von Unzucht und Kuppelei, der einen Aufenthalt Minderjähriger in einem Bordell untersagt, kann aufgrund der raffinierten Frauen nicht verhindern, dass Hedwig in eine Kinderheim muss.
1954 sitzt die Schauspieldiva Hedi Belle in Los Angeles wegen Mordes im Gefängnis. Sie ist zum Tode verurteilt, möchte sich vor ihrer Hinrichtung aber noch Gehör verschaffen, um unvergessen zu bleiben. In Gesprächen mit dem amerikanischen Journalisten Noah Goldenblatt, der in Erfahrung bringen möchte, warum sie Louis Mercier getötet hat, erzählt sie unverblümt ihre Lebensgeschichte.

Der Roman handelt 1954 von den Besuchen Noahs bei Hedi im Gefängnis. In Rückblenden erfährt man aus der Perspektive der 35-jährigen Hedi, was sich Ende des Jahres 1927 in Berlin ereignet hat und wie sie ihre Kindheit in dem berüchtigten Berliner Bordell empfunden hat.
Das Leben der Prostituierten, Sexarbeiter und Stricher wird dabei offen und unverhohlen geschildert. Wie schon als Kind, nimmt auch die lebensältere Hollywood-Diva Hedi kein Blatt vor den Mund und genießt es sichtlich, den etwas unbedarften New Yorker Journalisten bewusst zu schockieren. Die Sprache ist dem Milieu entsprechend derb, wenn beschrieben wird, welche Vielzahl an Frauen und Männern - egal ob jung oder alt, ob im Bordell oder auf der Straße - gezwungen war, ihren Körper für Freier oder reiche ältere Damen zu verkaufen.
Es geht jedoch um mehr als nur Sado-Maso-Spiele und (schmutzigen) Sex. Auch wenn sich gerade die Frauen taff und unabhängig zeigen, spielen auch ihre Gefühle und Träume eine nicht unerhebliche Rolle. Die kindliche Sicht der achtjährigen Hedi, die sich vor nichts ekelt oder ängstigt, verleiht dem Roman, der viele traurige und ausweglose Schicksale beschreibt, eine gewisse Leichtigkeit. Auch die Berliner Schnauze und die plakative vulgäre Sprache machen die Schilderungen von Gewalt, Lügen, Bestechung, Geldgier, Einsamkeit und dem puren Kampf ums Überleben erträglicher.

Der Einblick in ein anderes Milieu, als man es sonst von Geschichten der Goldenen Zwanziger kennt, ist unterhaltsam und wirkt aufgrund der vielfältigen und authentisch gezeichneten Charaktere echt. Zunächst wirken die Personen unnahbar, da sie schon von Berufswegen niemanden emotional an sich heranlassen und aufgrund ihrer zahlreichen Ecken und Kanten nicht wirklich sympathisch. Man bewundert die Figuren allerdings für ihre Ausdauer und Kraft oder im negativen Sinn für ihre Abgestumpftheit. Ein Blick hinter die Fassade zeigt jedoch im weiteren Verlauf, dass hinter den harten Schalen ein weicher Kern steckt. Gerade Minna macht der Bezeichnung Puffmutter mit ihrer Fürsorge alle Ehre.
Der Handlungsstrang im Jahr 1954 erzeugt dagegen Spannung durch das ungewisse Schicksal Hedis und des Mordes, den sie bis aus zum Schluss unbekannten Gründen begangen haben soll. Hedi ist ein Mensch, der keine Kindheit hatte und nun auch keine Zukunft mehr. Sie hungert nach Aufmerksamkeit, will Geschichte schreiben und mit einem Buch über sich selbst unsterblich werden.
Schillernd, skandalös und provokant - "Die juten Sitten" ist ein Roman, der von der Verruchtheit und den starken, aber dennoch verletzlichen weiblichen Figuren lebt.

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Veröffentlicht am 28.11.2020

Realitätsnahe Schilderung einer Beziehung, bei der die Wertschätzung des Partners verloren gegangen ist; etwas oberflächliche Aufarbeitung

Liebesbriefe für Fortgeschrittene
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Paulina und Markus kennen sich seit 20 Jahren, sind verheiratet und haben zwei Kinder im Teenageralter. Während Paulina die Familie managt und in Teilzeit die Social Media Präsenz eines Feinkostgeschäfts ...

Paulina und Markus kennen sich seit 20 Jahren, sind verheiratet und haben zwei Kinder im Teenageralter. Während Paulina die Familie managt und in Teilzeit die Social Media Präsenz eines Feinkostgeschäfts pflegt, praktiziert Markus als Herzspezialist. Paulina fühlt sich von Markus nicht mehr richtig wahrgenommen und vermisst die traute Zweisamkeit von früher. Sie schwelgt in Erinnerungen und denkt darüber nach, wie sie sich im Jahr 2000 auf Sizilien kennengelernt haben und an die erste Verliebtheit. Von ihrer besten Freundin Ida erhält sie den Ratschlag, einen Brief an ihren Mann zu schreiben, in dem sie sich alles von der Seele schreibt, diesen jedoch nicht abschicken soll. Markus findet den Brief und verschwindet, um über die Situation nachzudenken. Er hinterlässt Paulina nur die Nachricht, dass er jeden Abend um acht Uhr dort wartet, wo er zuletzt richtig glücklich mit Paulina war. Mit wechselnden Gefühlen zwischen Wut und Sorge grübelt Paulina die nächsten Tage darüber, welcher Ort dies gewesen sein könnte, wartet auf dem Sofa, sucht ihren Stammitaliener auf oder versucht es im Kino, bis ihr Zweifel kommen, ob sie beide überhaupt noch dasselbe Glücksempfinden haben.

Der Roman ist aus der Ich-Perspektive von Paulina geschrieben, in deren Situation als berufstätige Frau und Familienmanagerin sich gut hineinversetzen kann. Die Ehe leidet sichtlich unter dem Alltag und offenbar sind sowohl Paulina als auch Markus unzufrieden damit, haben aber nie offen darüber gesprochen. Der Brief von Paulina ist ein erster Schritt in die richtige Richtung, wenn sie ihre Ehe retten wollen, sorgt aber erst einmal für noch mehr Unsicherheit und Verwirrung.
Die Geschichte ist realitätsnah geschildert, denn wie häufig ertappt man sich in Langzeitbeziehungen selbst dabei, dass man den Partner als zu selbstverständlich nimmt, sich lange nicht mehr so viel Mühe gibt wie in der verliebten Anfangszeit und die Liebe vom Alltag erdrückt wird.
Der Roman handelt vor allem von Paulinas Gedanken und der Frage, ob Markus etwas passiert sein könnte und wo sie ihn treffen soll. Von Markus selbst erfährt man wenig. Seine Reaktion auf Paulinas Brief fand ich nicht nur überzogen, sondern auch nicht ganz realistisch, da sie zu seinem bisherigen Verhalten einfach nicht passen wollte.

Es ist ein Roman, der ein Problem behandelt, das im Kern sicher nicht wenige (Ehe-)paare betrifft und zum Nachdenken anregt. Die persönliche Liebesgeschichte von Paulina und Markus konnte mich dabei allerdings weniger überzeugen. Selbst die Schilderungen ihrer ersten Verliebtheit berührten mich nicht. Wie bei Paulina und Markus in der Beziehung dominiert auch im Buch der Alltag mit Kindererziehung, Ansprüche im Beruf und Pflege von Freundschaften, so dass der Roman sicher nett zu lesen ist, aber zu wenig Überraschendes und keine Spannungsmomente enthält und letztlich auch zu oberflächlich blieb.
Enttäuscht war ich aber insbesondere vom Ende, das mir nach der Beziehungspause einfach zu simpel war, ohne dass es zu einer richtigen Aussprache oder Problemlösungsstrategie gekommen ist. Es blieb bei Worthülsen und dem Vorsatz, nicht in alte Muster zu verfallen.

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Veröffentlicht am 27.11.2020

Emotionales Buch #GegendasVergessen, das auf wahren Biografien beruht und berührend und unglaublich fesselnd geschrieben ist

Und am Ende werden wir frei sein
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Die ehemalige Broadway-Schauspielerin Caroline Ferriday arbeitet 1939 ehrenamtlich im französischen Konsulat in New York. Als der Zweite Weltkrieg ausbricht, engagiert sie sich insbesondere für die armen ...

Die ehemalige Broadway-Schauspielerin Caroline Ferriday arbeitet 1939 ehrenamtlich im französischen Konsulat in New York. Als der Zweite Weltkrieg ausbricht, engagiert sie sich insbesondere für die armen Waisen aus Frankreich, veräußert für sie ihr Vermögen im Pfandhaus und kämpft für ihr Asyl in Amerika. Sie ist verliebt in den verheirateten französischen Schauspieler Paul Rodierre, der nach dem Einmarsch deutscher Soldaten nach Frankreich zurück in sein Heimatland kehrt. Caroline leidet an der Ungewissheit, was mit ihm passiert sein mag, als sie keine Briefe mehr von ihm erhält.
Die 16-jährige Polin Kasia Kuzmerick schließt sich weniger aus Überzeugung als vielmehr wegen ihrer Liebe zu dem Untergrundkämpfer Pietrik Bakoski dem polnischen Widerstand in Lublin an. Sie gerät in Gefangenschaft und wird zusammen mit ihrer Mutter Halina und ihrer Schwester Zuzanna in das deutsche Konzentrationslager Ravensbrück bei Fürstenberg gebracht. Während sie und ihre Mitgefangenen Unmenschliches durchmachen müssen, gibt sie die Hoffnung auf Rettung nie auf.
Herta Oberheuser ist eine der wenigen Frauen, die nach der Machtergreifung Adolf Hitlers noch Ärztin werden konnte. Ihr Traum ist die Chirurgie, die ihr jedoch für eine Ausbildung als Hautärztin verwehrt wird. Als eine Ärztin für ein Arbeitslager gesucht wird, zögert sie nur kurz, als ihr klar wird, worin ihre Aufgabe bestehen wird. In Ravensbrück trifft sie unter anderem auf Kasia und ihre Mutter, die bei ihr auf der Krankenstation Arbeit findet.

Der Roman beruht auf wahren Hintergründen, denn die beiden Protagonistinnen Caroline Ferriday und Herta Oberheuser waren real existierende Personen.
Das Buch verbindet drei Erzählstränge, wobei sich die beiden Geschichten in Europa schneller als gedacht miteinander verknüpfen. Während man zu Beginn mit der jungen Ärztin noch Mitleid hat, ist es schon bald unfassbar, wie gewissenlos sie sich dem Naziregime anpasst und unterordnet. Ihre Taten in Ravensbrück sind grausam und unmenschlich, was brutal und ungeschönt dargestellt wird. Die Schicksale der Gefangenen, die am Beispiel von Kasia und ihrer Mutter dargestellt sind, rühren zu Tränen. Es ist beeindruckend, wie sie ums Überleben kämpfen und trotz aller Qualen für ein Durchhaltevermögen beweisen.
Auch Caroline beeindruckt durch ihren Mut und ihre bewundernswerte Selbstlosigkeit. Im Vergleich zu den schrecklichen Ereignissen, die in dem KZ beschrieben werden, ist es schön zu lesen, wie viel Menschlichkeit es trotz des Krieges noch gibt. Auch die Liebesgeschichte, die einem ewigen Auf und Ab unterliegt und bei der Caroline offenbar kein Happy End vergönnt sein soll, geht zu Herzen.

Auch wenn ich schon einige Romane gelesen habe, die zur Zeit des Zweiten Weltkrieges handeln, ist "Und am Ende werden wir frei sein" ein Buch, das sich der Thematik auf eine ganz andere Weise widmet und mich wirklich positiv überrascht hat. Die drei Erzählstränge sind empathisch, aber gleichzeitig heftig und nicht für Zartbesaitete bestimmt, dargestellt. Alle drei bewegen auf ihre Art und machen die Zeit von damals durch die authentische Darstellung erlebbar. Dabei beweist die Autorin den Mut, nicht nur Kriegsheldinnen und -opfer, sondern auch die Geschichte einer Kriegsverbrecherin darzustellen. Auch ist interessant, das das Buch noch lange nicht mit der bedingungslosen Kapitulation Deutschlands endet, sondern auch die Nachkriegsjahre dargestellt werden und mit welchen Problemen die drei Frauen im Anschluss zu kämpfen haben.

Es ist ein emotionales Buch #GegendasVergessen, das berührend und unglaublich fesselnd geschrieben ist, so dass ich es trotz des Umfangs von knapp 700 Seiten kaum aus der Hand legen konnte und sehr schnell gelesen habe. Es ist eine Geschichte, die stellvertretend für viele (traurige) Schicksale des Zweiten Weltkriegs seht, die aufwühlt und die man so schnell nicht vergisst. Eine große Leseempfehlung für alle Freunde von Büchern über starke Frauen und von Büchern, die im Zeitraum von 1939 bis 1947 und in den späten 1950er-Jahren handeln.

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Veröffentlicht am 25.11.2020

Ein erschreckendes Zukunftsszenario, das am Ende die Hoffnung auf eine neue, bessere und echtere Welt macht, mir insgesamt aber zu satirisch war

LoveStar
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Die Firma LoveStar hat eine Methode entwickelt, um Menschen zu überwachen und fernzusteuern. LoveDeath wurde hervorgebracht, um den Tod zu vermarkten. Für die Menschen ist es zum Ziel geworden, sich im ...

Die Firma LoveStar hat eine Methode entwickelt, um Menschen zu überwachen und fernzusteuern. LoveDeath wurde hervorgebracht, um den Tod zu vermarkten. Für die Menschen ist es zum Ziel geworden, sich im Todesfall mit einer Rakete in den Himmel schießen zu lassen, um als Sternschnuppe wieder auf die Erde zu fallen. InLove handelt dagegen mit der Liebe und berechnet den wahren Partner. Ein eigens errichteter Vergnügungspark in Öxnadalur, im Norden Islands, wurde zur Pilgerstätte für Sterbende und ihre Angehörigen und berechnete Partner auf der Suche nach ihrem Pendant.

"Lovestar" stellt die Dystopie durch zwei Erzählstränge dar: der Firmengründer Lovestar, der mit einem Samenkorn auf der Suche nach LoveGod ist und die beiden Liebenden Indriði und SigrÍður, die seit fünf Jahren zusammen sind und damit umgehen müssen, dass SigrÍður mit einem anderen Mann berechnet wurde.

Das Buch ist bereits vor knapp 20 Jahren erschienen, wurde nun wieder neu aufgelegt und ist als Zukunftsszenario zeitlos.
Das Buch handelt vom Leben in einer Konsumgesellschaft, in der es nur noch darum geht, möglichst viel auf Personen zugeschnittene Werbung zu betreiben, um Produkte zu verkaufen. Dabei werden arme Seelen oder skrupellose Menschen zu Krähern. Die Gesellschaft ist zudem hochtechnisiert. Als "handfreier" Mensch ist man auf keinerlei Schalter oder Kabel mehr angewiesen, Geräte funktionieren vollautomatisch.
Es geht um Kontrolle und Perfektion. Kinder, die Probleme bereiten, können zurückgesetzt werden, so dass Eltern im zweiten Anlauf eine neue Chance bekommen, es besser zumachen. Indriði ist so ein Zweitgeborener, der als Kind unter dem Druck stand, erneut bei schlechtem Betragen zurückgesetzt zu werden.

Das Buch enthält viele fantastische Ideen, konfrontiert den Leser mit so manch skurriler Situation, so dass die Geschichte so übertrieben grotesk ist, dass man sie kaum noch ernst nehmen kann. Die Kritik des Autors an der modernen Konsumgesellschaft ist mir ein wenig zu sehr an die Spitze getrieben, auch wenn der Kern der Geschichte wichtig und als Mahnung zu verstehen ist. Szenen, wie der Wolf, der Menschen im Ganzen verschlingen kann, ohne sie zu verdauen und mit einem Reißverschluss geöffnet werden kann, rufen dagegen eher Kopfschütteln hervor.
"Lovestar" ist ein erschreckendes Zukunftsszenario, das am Ende die Hoffnung auf eine neue, bessere und echtere Welt macht, mir in Gänze allerdings zu satirisch war.

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Veröffentlicht am 23.11.2020

Psychothriller, der aufgrund der grausamen Familiengeschichte erschütternd ist

Die Rabentochter
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Rachel ist 26 Jahre alt und lebt seit 15 Jahren freiwillig in einer Psychiatrie. Sie hat die Vision, ihre Mutter getötet zu haben, woraufhin sich ihr Vater selbst erschoss. Als der Bruder eines Mitpatienten, ...

Rachel ist 26 Jahre alt und lebt seit 15 Jahren freiwillig in einer Psychiatrie. Sie hat die Vision, ihre Mutter getötet zu haben, woraufhin sich ihr Vater selbst erschoss. Als der Bruder eines Mitpatienten, ein angehender Journalist, ihre Geschichte veröffentlichen möchte, zeigt ihr dieser den Polizeibericht, woraus hervorgeht, dass Rachel den tödlichen Schuss in ihrem zarten Alter von elf Jahren nicht abgegeben haben kann.
Rachel möchte endlich die Wahrheit erfahren, verlässt die Klinik und begibt sich zurück in ihr Elternhaus, das stattliche Jagdhaus im Wald in Upper Peninsula, wo ihre ältere Schwester Diana zusammen mit ihrer Tante Charlotte lebt, um Erinnerungen an den Todestag ihrer Eltern hervorzurufen, die sie verdrängt hat.

Der Roman handelt auf zwei Zeitebenen und ist in der Vergangenheit aus der Perspektive von Jenny, Rachels Mutter geschildert. Auf diese Weise erfährt man, was zum Umzug der Familie in das einsame Jagdhaus, dem Familienbesitz des Ehemanns Peter geführt hat, die Geburt von Rachel und Einzelheiten zum schwierigen Zusammenleben mit Diana. In der Gegenwart kehrt Rachel in ihr Zuhause zurück und hat mit trügerischen Erinnerungen und Visionen zu kämpfen.

"Rabentochter" ist ein Psychothriller, der aufgrund der grausamen Familiengeschichte erschütternd ist. Die Schilderungen von Jenny packen dabei von Anbeginn und voller Entsetzen muss man unweigerlich weiterlesen. Die Gegenwart wird dabei erst gegen Ende spannend, als sich Rachel in unmittelbare Gefahr begibt, um das Rätsel um den Tod ihrer Eltern zu lösen.
Aufgrund des Zusammenspiels von Gegenwart und Vergangenheit ist der Roman sehr schnell vorhersehbar. Der Täter ist zu erahnen, nicht aber die Tatumstände. So geht es weniger darum herauszufinden, wer die tödlichen Schüsse abgegeben hat, sondern warum und wie das passieren konnte.
Es ist ein Psychothriller, der zeigt, wie unheimlich grausam ein Mensch sein kann und wie hilflos Angehörige reagieren bzw. so viel Bösartigkeit nicht wahrhaben wollen. Er ist allerdings arg Schwarz-Weiß geschildert und die Entwicklung der Tragödie kam mir zumal etwas konstruiert vor. Rachels Visionen erinnerten an ein Schauermärchen, was den Eindruck einer nicht ganz so realitätsnahen Erzählung noch unterstützte. Nichtdestotrotz war ich gebannt von so viel mangelnder Empathie, Eifersucht und Hilflosigkeit in dieser dysfunktionalen Familie.

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