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Veröffentlicht am 19.10.2024

Aufbruch

Im Takt der Freiheit
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Felicitas Louisburg führt ein privilegiertes Leben, ihr Vater ist ein sehr reicher Eisenbahnunternehmer. Doch hat dieses Leben auch Schattenseiten. Eigene Wünsche und Ideen sind nicht erwünscht und in ...

Felicitas Louisburg führt ein privilegiertes Leben, ihr Vater ist ein sehr reicher Eisenbahnunternehmer. Doch hat dieses Leben auch Schattenseiten. Eigene Wünsche und Ideen sind nicht erwünscht und in ihrem Fall auch streng unterbunden. Der Vater hat genaue Pläne mit ihr und ihre eignen Wünsche kommen darin nicht vor.

So wird ein Sommerball im Juni 1888 geplant, auf dem sie sich einen Heiratskandidaten auswählen soll. Doch schnell stellt sich heraus, dass selbst hier keine Wahl bleibt, derjenige ist bereits ausgesucht und soll des Vaters berufliche Pläne maximal unterstützen.

Dumm nur, dass Felicitas bei einem Unfall Lorenz kennen lernt, der sich selbst ein Fahrrad gebaut hat und ihr das Fahrrad fahren beibringen will. In seiner Gesellschaft merkt sie noch mehr, welche Freiheiten ihr verwehrt werden und was sie alles machen könnte, wenn man sie nur lässt.

Hanna Caspian nimmt uns mit in eine Welt, die uns deutlich macht wieviel Freiheiten die Frauen in den letzten 150 Jahren doch erstritten haben. Felicitas lebt wie ein Vogel im Käfig und kann nichts von dem tun, was sie interessieren würde. Sie muss aber auch lernen, dass die vermeintliche Freiheit anderer Menschen begrenzt ist. Besonders deutlich wird das durch den engeren Kontakt mit ihrer Zofe Minna, einer Schwarzen, die aus den neuen deutschen Kolonien nach Deutschland gebracht wurde. Minnas Geschichte hat mir sehr gut gefallen, da man hier auch den sehr seltenen Blick auf das Schicksal Schwarzer Menschen im damaligen Deutschland bekommt.

Mir hat das Buch gut gefallen, auch wenn die Charaktere natürlich polarisieren. Der Vater und auch andere Männer werden als sehr typische Vertreter ihrer Zeit dargestellt, an den man als Frau nur verzweifeln kann. Schön fand ich den Perspektivwechsel zwischen Felicitas und Minna, da man hier Felicitas noch aus einem anderen Blickwinkel kennenlernt.

Das Ende hat mir ausgesprochen gut gefallen, da zieht das Erzähltempo noch einmal richtig an und der Leser hat großen Spaß bei den Verwicklungen und sich überschlagenden Ereignissen auf dem großen Sommerball.

Ich kann das Buch daher wirklich empfehlen, das hat richtig Spaß gemacht beim Lesen.

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Veröffentlicht am 13.10.2024

großes Gefühlskino

Zwei Leben
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Roberta kommt 1971 zurück ins Dorf, zu ihren Eltern um auf dem Hof zu helfen. Die Ausbildung zur Schneiderin war eine Art Ausflug in ein anderes Leben, doch die familiären Verpflichtungen rufen. Sie trifft ...

Roberta kommt 1971 zurück ins Dorf, zu ihren Eltern um auf dem Hof zu helfen. Die Ausbildung zur Schneiderin war eine Art Ausflug in ein anderes Leben, doch die familiären Verpflichtungen rufen. Sie trifft auch wieder auf Wilhelm, mit dem sie in der Kindheit eine enge Freundschaft hatte. Schon bald wird aus Freundschaft mehr. Doch hat ihre Liebe eine Zukunft?

Gertrud ist Wilhelms Mutter und hier ist es eigentlich nur noch er, der sie im Dorf hält. Als Pfarrersfrau nie richtig angekommen sehnt sie sich nach der weiten Welt. Sie wollte nie bleiben und jetzt ergibt sich die Möglichkeit. Doch am Ende zwingt ein Schicksalsschlag sowohl Gertud als auch Roberta ihr Leben zu überdenken.

Ewald Arenz schildert das Leben in diesem kleinen Dorf in Süddeutschland so wortgewaltig und farbenfroh, dass man sich direkt dorthin versetzt fühlt. Und auch die beiden Frauen, so unterschiedlich sie sind, werden lebendig und real für die Leser. Genau wie die Nebenfiguren, die dann doch eine wichtige Rolle spielen. Allen voran Robertas Opa, der mir sehr ans Herz gewachsen ist mit seiner Art.

Mich hat das Buch sehr mitgenommen in die dörflichen Strukturen eines Dorfes Anfang der siebziger Jahre. Einerseits Aufbruch in die moderne Landwirtschaft, andererseits das Beharren auf alte Traditionen. Ich konnte gut nachvollziehen, warum man einerseits bleiben möchte und andererseits auch fliehen.

Am Ende habe ich Rotz und Wasser geheult. Ich konnte mich so gut einfühlen, dass ich einfach nicht anders konnte. Auch hier schafft es der Autor die Figuren so lebendig werden zu lassen, dass man das Gefühl hat, es handelt sich hier um gute Bekannte.

Ich kann also das Buch sehr empfehlen, es war wieder ein großes Lesevergnügen!

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Veröffentlicht am 05.10.2024

...Ihre Ausreise....

Als wir nach den Sternen griffen
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Wer erinnert sich nicht an die Szene am 30. September 1989 als Außenminister Genscher auf dem Balkon die Ausreise der DDR Flüchtlinge in der Prager Botschaft bekannt gab. Wie es dazu kommen konnte und ...

Wer erinnert sich nicht an die Szene am 30. September 1989 als Außenminister Genscher auf dem Balkon die Ausreise der DDR Flüchtlinge in der Prager Botschaft bekannt gab. Wie es dazu kommen konnte und was in den Monaten davor alles passiert ist, schildert dieses Buch.

Wir begleiten Judith, eine Botschaftsmitarbeiterin und Tobias, der mit seiner Tochter aus der DDR in die Botschaft geflüchtet ist durch die Monate vor diesem schicksalshaften Abend. Tobias ist in der DDR Repressalien ausgesetzt, da sich seine Frau bei einem Auslandsaufenthalt im Westen abgesetzt hat. Er und seine Tochter werden immer wieder von Stasi-Mitarbeitern bedrängt und müssen auch sonst heftige Einschränkungen erleben. So entschließt er sich über die grüne Grenze in die Tschechoslowakei zu flüchten und sich nach Prag durchzuschlagen. Dort angekommen wird er bald zum Sprecher der Flüchtlinge ernannt und kümmert sich mit um die Organisation in der bald völlig überfüllten Botschaft.

Dabei kommt er auch Judith immer näher, die sich wiederum auch von ihm angezogen fühlt. Doch wie kann es eine gemeinsame Zukunft für die beiden geben?

Theresa Herold schildert hier in einem spannenden und mitreißenden Buch die letzten Monate bevor der DDR endgültig die Luft ausging. Neben den Ereignissen in der Botschaft erfährt man auch was auf internationaler Ebene verhandelt wurde und was in Ungarn vor sich ging. Eingewoben in diese meist bekannten Ereignisse werden viele Schicksalen der Flüchtlinge geschildert. Und auch das Miteinander in der Botschaft und kleine Begebenheiten die sich dort ereignet haben wie z.B. die Einschulung der Erstklässler, für die die Botschaftergattin extra Schultüten besorgt hatte, runden das Bild ab. Gerade bevor der große Run auf die Botschaft losging ist es bemerkenswert wie eng alle zusammengearbeitet haben.

Mir hat das Buch sehr gut gefallen. Es war schwer aus der Hand zu legen und auch wenn man die Ereignisse ja kennt und weiß wie alles ausging, hat man dauerhaft mitgefiebert. Das Schicksal von Tobias und den anderen ist sehr persönlich geschildert und man hat schnell das Gefühl sie zu kennen. Gerade am Ende, als die Szene auf dem Balkon geschildert wird und die Fahrt in den Zügen sind mir die Tränen übers Gesicht gelaufen, so sehr hat mich das alles wieder berührt.

Das einzige was mir an diesem Buch gefehlt hat war ein Nachwort der Autorin, in dem darauf eingegangen wird, was wirklich so stattgefunden hat und wer der Protagonisten denn nun auch im wahren Leben in der Botschaft war.

Das ist aber auch der einzige Minuspunkt, ansonsten war das einfach ein ganz wunderbares Buch. Gerade bei den Szenen die man mittlerweile ja sehr oft gesehen hat, konnte die Autorin die Gefühle wecken, die mich auch damals bewegt haben. Dieses Buch sollte unbedingt auch einmal von denen gelesen werden, die sich heute ein doch recht verklärtes Bild der DDR machen. Denn hier wird ganz deutlich was es hieß in einem Staat zu leben, in dem Spitzelei und Unterdrückung an der Tagesordnung waren.

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Veröffentlicht am 03.10.2024

Die liebe Gesundheit

Aua!
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Axel Hacke ist mit 67 in einem Alter, in dem sich der Körper öfter mal mit Zipperlein bemerkbar macht und einem so deutlich macht, dass man eben nicht mehr 20 ist. In diesem Buch setzt er sich nun also ...

Axel Hacke ist mit 67 in einem Alter, in dem sich der Körper öfter mal mit Zipperlein bemerkbar macht und einem so deutlich macht, dass man eben nicht mehr 20 ist. In diesem Buch setzt er sich nun also mit dem Thema auseinander, das mit steigenden Alter immer interessanter wird, der Gesundheit.

In 15 Kapiteln zu einzelnen Körperteilen erinnert er sich an eigene und Erlebnisse anderer zu eben diesen. In einer humorvollen Art gibt er Anekdoten aus seiner eigenen Krankengeschichte wieder, erzählt von seinen Arztbesuchen und den verschiedenen Krankheiten und Unfällen, die er schon hatte. Und nebenbei sind auch immer einige Fun Facts dabei, die man noch nicht wusste.

Ich habe das Buch mit einem Schmunzeln gelesen, Axel Hacke trifft immer einen amüsanten Ton, auch wenn es um nicht so angenehme Themen geht. Ich kann mir auch vorstellen, das ganze noch einmal als Hörbuch zu hören, ich mochte seine Lesungen ja immer sehr.

Von mir daher eine Leseempfehlung für dieses schöne Buch mit einem schalkhaften Blick auf die eigene Gesundheit.

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Veröffentlicht am 22.09.2024

schöner Gesellschaftseinblick

Die Modeschöpferin von Manhattan
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Daisy arbeitet bei Valentina Schlee als Saleslady in ihrem Atelier. Allerdings nur, bis sie sich verlobt und dann heiraten wird. Sie ist sich aber nicht sicher ob der ihr zugedachte Mann auch der richtige ...

Daisy arbeitet bei Valentina Schlee als Saleslady in ihrem Atelier. Allerdings nur, bis sie sich verlobt und dann heiraten wird. Sie ist sich aber nicht sicher ob der ihr zugedachte Mann auch der richtige ist. Viel lieber würde sie bei Christopher, einem aufstrebenden Journalisten, bleiben. Doch gesellschaftlich ist die Verbindung vollkommen undenkbar.

Aber das tut man nicht, dafür wurde sie nicht erzogen. Genau um dieses Fassade aufrecht erhalten geht es vornehmlich in dieser Geschichte rund um Valentina Schlees Atelier. Auch Valentina hält eine Fassade aufrecht, nach außen hin ist sie die mondäne Frau, die die Größen der Gesellschaft mit maßgeschneiderten Kleidern ausstattet, aber innerlich ist sie eine Getriebene.

Im Prinzip zweifelt jeder Charakter an sich und seiner Stellung, aber jeder versucht so gut wie möglich die an ihn gestellten Erwartungen zu erfüllen, egal was es ihn kostet. Joan Weng zeigt dies geschickt durch Perspektivwechsel, bei denen jeder einmal seinen Moment bekommt und die Leser hinter die Fassade schauen können.

Ich habe das Buch gerne gelesen, ich konnte mit den Charakteren gut mitfühlen und habe ein wenig einen Einblick in die Gesellschaft New Yorks am Beginn des zweiten Weltkriegs, der noch sehr weit weg ist, bekommen.

Ich kann das Buch daher empfehlen, es eignet sich für einen schönen Lesenachmittag zum Abtauchen in eine andere Zeit.

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