Emotionale Geschichte einer starken jungen Frau im Dreikaiserjahr
In diesem historischen Roman entführt uns die Autorin ins deutsche Kaiserreich nach Berlin.
Im Jahr 1888, das als Dreikaiserjahr in die Geschichte eingehen sollte, lernen wir Felicitas Louisburg kennen, ...
In diesem historischen Roman entführt uns die Autorin ins deutsche Kaiserreich nach Berlin.
Im Jahr 1888, das als Dreikaiserjahr in die Geschichte eingehen sollte, lernen wir Felicitas Louisburg kennen, die wohlbehütet als Tochter des wohlhabenden Eisenbahn-Magnaten Egidius Louisburg mit ihrer jüngeren Schwester Tessa unter der Aufsicht der Gouvernante Fräulein Korbinian aufwächst. Die Mutter der beiden Mädchen ist früh verstorben und der Vater führt das Haus mit strenger Hand. Seinen Töchtern gesteht er keine persönlichen Freiheiten zu und für Felicitas, die im heiratsfähigen Alter ist, hat er längst einen passenden und standesgemäßen Ehemann ausgesucht. Seine Wahl fällt auf den Sohn eines Grafen, der hochrangiger Beamter im Reichseisenbahnamt ist und ihm einen Großauftrag sichern soll.
Für die geplante Verlobung plant er einen großen prunkvollen Ball, auf dem sogar der Kaiser zu Gast sein soll und über den in der Gesellschaft noch lange gesprochen werden soll. Doch Felicitas lernt bei einem Spaziergang Lorenz Schwerdtfeger kennen, der sich für Zweiräder, genauer Fahrräder begeistert und als Maschinenbau-Student und Sohn eines mittelständischen Kutschenfabrikanten sogar selbst welche konstruiert. Er kann Felicitas nicht nur für die Zweiräder begeistern sondern auch für sich selbst …
Hanna Caspian ist mit ihrem Roman erneut tief in die deutsche Geschichte eingestiegen. Mit Felicitas zeigt sie eine höhere Tochter dieser Zeit, für die der Lebensweg vom Vater vorbestimmt wird. Sie erhält zwar Bildung aber thematisch nur eingeschränkt und verfügt über keinerlei Selbständigkeit. Ihre Interessen werden ignoriert und alles was sie tut geschieht unter der Aufsicht der Gouvernante. Doch Felicitas hat vielfältige Interessen, unter anderem interessiert sie sich auch für Technik und Wirtschaft und möchte gerne einmal das Unternehmen des Vaters übernehmen. Von ihrer Zofe Minna lässt sie sich heimlich Tageszeitungen geben, damit sie sich auch politisch informieren kann und nachts schleicht sie ins Arbeitszimmer des Vaters und erhält so die Information über ihr persönliches Vermögen, auf das sie selbst aber keinen Zugriff hat und wohl als Mitgift an den künftigen Ehemann gehen soll.
Auch wenn mir klar ist, dass zu dieser Zeit die höheren Töchter so erzogen wurden, tat sie mir sehr leid. Sie hat keinerlei Möglichkeiten, sich selbst zu entfalten. Daher war ihr großes Interesse und ihre Begeisterung spürbar, als sie den Studenten Lorenz kennenlernt und dieser ihr anbietet, alles über Fahrräder zu erzählen und ihr das Fahren beizubringen.
Heimlich schleicht sie sich mit ihrer Zofe aus dem Haus, um Lorenz zu treffen. Schnell ist klar, dass die beiden sich ineinander verlieben werden. Aber haben sie auch eine Chance?
Unabhängig davon beschließt Felicitas den Grafensohn niemals zu heiraten, nachdem sie ihn kennengelernt hat. Doch kann sie den Plänen ihres Vaters entkommen, der finanziell auf das große Geschäft angewiesen ist? Und dann fliegen ihre heimlichen Treffen mit Lorenz auf.
Felicitas sieht sich unter Druck und sucht Hilfe bei ihrer Tante.
Es war sehr spannend, Felicitas Geschichte zu verfolgen. Diese starke junge Frau gewinnt mehr und mehr an Selbstbewusstsein und versucht alles zu tun, damit sie ihren eigenen Weg gehen kann.
Gebannt habe ich verfolgt, ob und wie ihr das gelingen kann. Dabei erlebe ich beim Lesen mit der Protagonistin tatsächlich eine emotionale Achterbahnfahrt.
Aber auch die Nebenfiguren sind durch die Autorin wunderbar gezeichnet. Hervorzuheben sind hier sicherlich die Zofe Minna, die im mehr an Bedeutung für Felicitas gewinnt und auch Tante Apollonia Melzer, die Schwester der verstorbenen Mutter von Felicitas.
Die Autorin hat in ihrer Geschichte neben der politischen Entwicklung im Land auch noch einige andere historische Ereignisse thematisiert, die sie wie immer sehr gut recherchiert hat.
Wir erleben wirtschaftlichen Aufschwung, die Entwicklung sozialer Gerechtigkeit und die Mobilisierung der Menschen. Der Eisenbahnbau wurde massiv vorangetrieben, Fahrräder in einer sicheren niedrigen Variante als Nachfolger der Hochräder erfunden, erste Elektroautomobile wurden entwickelt und auch die Erste Fahrt mit dem ersten Automobil von Gottlieb Daimler und Carl Benz durch Bertha Benz wird thematisiert.
Hanna Caspian hat wieder einmal eine fiktive Geschichte hervorragend in reale historische Hintergründe und Ereignisse eingebettet und zeigt auch anschaulich die damalige Gesellschaft in den verschiedenen Ständen und deren Lebensweise.
„Im Takt der Freiheit“ ist ein wunderbarer, emotionaler Roman über eine starke junge Frau auf dem Weg zur Emanzipation in einer sehr spannenden Zeit der deutschen Geschichte.
Liebevoll gezeichnete Figuren, ein mitreißender lebendiger Schreibstil und interessante Fakten machen den Roman zu einem tollen historischen Leseerlebnis!
Fazit: 5 von 5 Sternen
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