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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 14.05.2024

Atmosphärischer Thriller

Das Baumhaus
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Ein neues Buch von Vera Buck, ich bin dabei! Ich lese sie alle und bin immer wieder begeistert. Auch hier lehrt sie uns das Gruseln.

Eigentlich wollten Nora und Henrik einen relaxten Urlaub in Schweden ...

Ein neues Buch von Vera Buck, ich bin dabei! Ich lese sie alle und bin immer wieder begeistert. Auch hier lehrt sie uns das Gruseln.

Eigentlich wollten Nora und Henrik einen relaxten Urlaub in Schweden machen, das alte Ferienhaus von Henriks Großeltern neu beleben und im See baden. Aber sehr bald tauchen seltsame Gestalten auf und dann verschwindet auch noch ihr kleiner Sohn. Auf der Suche nach ihm findet Henrik das halb verfallene Baumhaus seiner Kindheit wieder und erinnert sich allmählich. Ein ganzer Haufen Ungereimtheiten verfolgt ihn.

Gleichzeitig erhält Rosa ganz unerwartet ein Jobangebot der Polizei. Sie untersucht schon länger den Einfluss von vergrabenen Kadavern auf Pflanzen. Das könnte doch ganz neue Impulse für forensische Ermittlungen bringen.

Hier entwickelt sich schnell eine sehr unheimliche Atmosphäre, mysteriös und etwas morbide. Es gibt Geheimnisse in der Gegenwart und in der Vergangenheit, die gelüftet werden müssen und alle drehen sich um Kinder, die Qualvolles erleiden mussten. Es gibt Hochspannung und maximale Verwirrung auf mehreren Zeitebenen.

Die Figuren sind knorrig und originell und werden alle gründlich eingeführt. Rosa, als menschenscheue unfreiwillige Ermittlerin mit einer Passion für Pflanzen und Verwesung hätte sogar Serienpotenzial. Ist das Teil 1 einer neuen, sagenhaften Reihe? Wer weiß!

Vielleicht wird hier das Thema „miserable Kindheit“ ein bisschen arg strapaziert. Irgendwie hat hier jeder sein Päckchen zu tragen über Generationen hinweg. Das stört aber nicht sehr, ist das Gesamtpaket doch umwerfend spannend.

Einen besonderen Mehrwert bietet das Hörbuch, das von unterschiedlichen Sprechern vorgetragen wird. Saskia Haisch, Leonie Landa, Laura Maire, Christiane Marx und Oliver Rohrbeck verkörpern die verschiedenen Hauptfiguren perfekt und geben dem Geschehen noch eine gute Extraportion Thrill ,11 Stunden und 42 Minuten lang.

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Veröffentlicht am 13.05.2024

Ist Religion noch zeitgemäß?

Die Hoffnung der Chani Kaufman
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Ist Religion die Erfüllung oder eine Fessel? Das ist hier das Thema, das von ganz unterschiedlichen Seiten beleuchtet wird. Chanis Geschichte geht nahtlos weiter. Wie pendeln hin und her zwischen London ...

Ist Religion die Erfüllung oder eine Fessel? Das ist hier das Thema, das von ganz unterschiedlichen Seiten beleuchtet wird. Chanis Geschichte geht nahtlos weiter. Wie pendeln hin und her zwischen London und Jerusalem, als wären es Nachbarstädte.

Chani ist frisch verheiratet, aber nach einem halben Jahr noch immer nicht schwanger, dabei liegen ihr alle in den Ohren. Ihre skeptische Schwiegermutter sucht schon mal vorsichtshalber eine neue Braut für das Söhnchen.

Rivka versucht sich in ein Leben ohne religiöse Vorschriften einzufinden, stellt aber fest, dass das weitere Kreise zieht, als sie dachte.

Und Avromi soll die Jeschiwa in Jerusalem besuchen, hat aber seine Probleme damit. Will er wirklich ein streng religiöses Leben?

Das Buch ist wahrhaft erhellend und geht tief. Es erklärt anschaulich, was alles zu einem Leben als streng gläubiger Jude gehört und wie es sich damit lebt. Es gibt Regeln und eine Gemeinschaft, die wie eine große Familie sein kann, die aber auch überwacht, kontrolliert und bestraft. Es braucht Mut und Überwindung, sich davon zu lösen wie Rivka und Avromi. Man bekommt hier alle Seiten nahegebracht und kann sie sogar verstehen.

Ich habe dieses Buch sehr gerne gelesen. Es erzählt unterhaltsam und berührend eine Familiengeschichte, die man nicht oft zu lesen bekommt und hat mir eine ganz andere Welt gezeigt. Es wagt auch tatsächlich, die ketzerische Frage zu stellen, ob Religion noch zeitgemäß ist.

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Veröffentlicht am 02.05.2024

Überwiegend seltsam

Gute Ratschläge
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Auf der Liste der seltsamsten aller Bücher steht dieses hier ziemlich weit oben. Es ist nicht so, dass ich es nicht mochte, ich hätte nur sehr gerne mehr verstanden.

„Bin schläfrig, ich werde einen Brief ...

Auf der Liste der seltsamsten aller Bücher steht dieses hier ziemlich weit oben. Es ist nicht so, dass ich es nicht mochte, ich hätte nur sehr gerne mehr verstanden.

„Bin schläfrig, ich werde einen Brief an die rote Königin schreiben. Das Fenster steht offen und ich sitze davor. Der wundervolle, heiße englische Junimorgen. Schwer. Es müssen doch alle gerade irgendwo in Trance sein. Alle sind sie heute außer Haus, die ganze Straße. Auch ich bin in Trance.“

So geht es dahin, ein wenig in Trance schreibt Eliza Peabody Briefe an ihre ehemalige Nachbarin Joan. Böse Zungen behaupten, es gäbe sie gar nicht. Für Eliza ist sie sehr real. Manchmal. Wie auch 100 andere Nachbarn und Episoden aus ihrem Leben. Und Barry, ihr junger Freund aus dem Hospiz, ist mehr tot als lebendig und doch ihr bester Zuhörer.

Harry, ihr Mann, hat sie verlassen. Oder sie ihn? War es gestern oder vor Jahren? Eliza macht es einem nicht leicht.

Dieser Erzählstil ist wundervoll, leise mit bissigen Spitzen, atmosphärisch, elegant und genau so trägt Gabriele Blum den Text des Hörbuchs vor. Man kann ihr lauschen, sich fallen lassen und ab und zu wundern. Was hat sie gerade gesagt? Das kann doch nicht sein, aber sie hat es gesagt. Immer wieder gibt es leichte Irritationen die aufmerken lassen. Ist Eliza verrückt oder wird sie es gerade?

Am Ende hat man dann doch ein klein wenig in das Leben einer Frau geblickt, die eigen ist, viel erlebt hat, die traurig ist und auch Gründe dafür hat, die vielleicht verrückt ist, aber wirklich gute Geschichten erzählen kann.

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Veröffentlicht am 02.05.2024

Eine gewaltige Geschichte, originell und dramatisch

Die Porzellan-Erbin - Gefährliche Jahre
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Auf dieses Buch habe ich sehr lange gewartet, aber jetzt ist es tatsächlich da. Ich hatte ein wenig Sorge, ob ich wohl wieder in diese doch recht komplizierte Geschichte hineinfinde, aber das Buch macht ...

Auf dieses Buch habe ich sehr lange gewartet, aber jetzt ist es tatsächlich da. Ich hatte ein wenig Sorge, ob ich wohl wieder in diese doch recht komplizierte Geschichte hineinfinde, aber das Buch macht es einem leicht. Man wird an das Thema herangeführt, bekommt immer mal wieder eine Gedächtnisstütze und lernt die Figuren neu kennen.

Wir sind wieder auf Gut Hohensandau. 17 Jahre ist es her, dass Ferdinand von Hardenstein bei einem fürchterlichen Unglück seine Frau verlor. 17 Jahre lang hat er als gebrochener Mann weitergelebt, das Gut und die Porzellanmanufaktur weitergeführt und jetzt plötzlich bringt er eine neue Ehefrau nach Hohensandau? In seinem 70. Lebensjahr? Wirklich? Das Personal des Gutshauses ist in höchster Aufregung.

In Erzberg haben sie andere Sorgen. Mehrere junge Männer haben ein Auge auf Sophie geworfen, die jetzt 17 ist und eigentlich nur ihre Töpferei im Kopf hat. Plötzlich gibt es einen Unfall im Bergstollen. War es wirklich ein Unfall? Und was sind das für Fremde, die gleichzeitig im Dorf auftauchen?

In dieses Buch taucht man ganz tief ein, betritt eine andere Welt und hat sie deutlich vor Augen. Das betrifft jeden Aspekt der Geschichte, die Figuren, das Ambiente oder auch das historische Umfeld werden liebevoll betrachtet, beschrieben und ausgebreitet in diesem ganz eigenen Erzählstil, mit Hingabe, Humor und einem Augenzwinkern.

Man kann darin schwelgen und sich amüsieren, man kann es auch weitschweifig finden, aber ich freue mich über jede spitzfindige Formulierung und die ganzen liebevollen historischen Details. Habt ihr gewusst, wann und warum man die heilige Lucia, die Heilige Apollonia oder den heiligen Blasius von Sebaste anruft? (Und habt ihr je darüber nachgedacht, wann und warum man die ganzen Heiligen groß oder klein schreibt? 😊)

Ich habe dieses Buch sehr gerne gelesen. Es erzählt eine gewaltige Geschichte, originell und dramatisch, ein bisschen ausführlich, aber auch sehr schön.

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Veröffentlicht am 29.04.2024

Informativ und anrührend

Wären wir Vögel am Himmel
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Die Ukraine war wohl schon immer ein schwer umkämpftes Land. Erin Litteken zeigt uns die Situation dort im Zweiten Weltkrieg anhand einer Geschichte, die sich ganz nah an ihrer eigenen Familiengeschichte ...

Die Ukraine war wohl schon immer ein schwer umkämpftes Land. Erin Litteken zeigt uns die Situation dort im Zweiten Weltkrieg anhand einer Geschichte, die sich ganz nah an ihrer eigenen Familiengeschichte bewegt.

1941 übernehmen die Nazis die Ukraine und werden zunächst als Retter gefeiert. Aber sehr bald zeigt sich, dass die nicht besser als die Russen vor ihnen sind, oder als die Polen vor den Russen. Dass es die Ukraine noch gibt, ist ein Wunder.

Das ist eine verwickelte Situation, die Tragödien verursacht hat und die man in diesem Buch direkt plastisch vorgeführt bekommt. Lillija verliert ihren Bruder und ihre Mutter schon im ersten Kapitel. Ganze Familien werden vertrieben, enteignet, verhaftet, als wäre es nichts. Und es werden auch wahllos Menschen zur Zwangsarbeit in deutschen Fabriken eingezogen. Wer zur falschen Zeit am falschen Platz ist, hat Pech gehabt. Sogar die elfjährige Halya nehmen sie mit.

Das alles wird eindringlich und gefühlvoll beschrieben. Man ist sehr nah dran an den Figuren und leidet mit. Ab und an sind so geballte Grausamkeiten kaum auszuhalten, aber genau so muss man sich das Ganze wohl vorstellen.

Der Erzählstil ist intensiv bis blumig. Die poetischen Beschreibungen des Ambientes haben mir gutgefallen. Wenn es um die Gefühle der Protagonisten geht, war es mir oft zu pathetisch.

„Mit jedem Atemzug nahm der Schmerz in ihrer Brust zu. Es war, als würde sie Glassplitter einatmen, die ihr ins Herz stachen, sodass Emotionen hervorbrachen, die sie lange geleugnet hatte.“

So etwas ist Geschmackssache. Trotzdem ist die Lektüre wirklich spannend und mitreißend. Die Geschichte erzählt von Menschen, die viel ertragen müssen, dabei über sich hinauswachsen und sich auch immer wieder gegenseitig helfen in einer Welt voller Willkür.

Es erklärt anschaulich die komplizierte historische Situation der Ukraine als Spielball verschiedener Mächte, Interessen und Begehrlichkeiten und zeigt sogar, wie Polen gleichzeitig Freunde und Feinde sein können.

Am Ende wird alles vielleicht ein bisschen zu gut, um wahr zu sein, aber das haben wir uns dann wirklich verdient nach all dem Leid. Dieses Buch ist keine leichte Lektüre, aber informativ und anrührend. Ich bin beeindruckt und kaufe mir jetzt einen Kalynabusch. Die Beeren helfen gegen alles.

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