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Veröffentlicht am 06.11.2017

Schwestern wie Tag und Nacht

Zwei fast perfekte Schwestern
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Von der Autorin Michaela Grünig habe ich dieses Jahr den Krimi "Abfahrt in den Tod" gelesen, den sie gemeinsam mit dem Ex-Rennläufer Marc Girardelli geschrieben hat - ein tolles Buch! Deswegen war ich ...

Von der Autorin Michaela Grünig habe ich dieses Jahr den Krimi "Abfahrt in den Tod" gelesen, den sie gemeinsam mit dem Ex-Rennläufer Marc Girardelli geschrieben hat - ein tolles Buch! Deswegen war ich gespannt, wie die Autorin in einem anderen Genre schreibt. Als es die Möglichkeit gab ihren Roman "Zwei fast perfekte Schwestern" in einer Leserunde bei Lovelybooks zu gewinnen, habe ich kurz in die Leseprobe hineingelesen. Typische Frauenromane sind ja nicht immer mein Ding, aber die ersten 47 Seiten haben mich dann überzeugt.

Michela Grünig erzählt die Geschichte zweier Schwestern, die unterschiedlicher nicht sein können. Während Lily, die ältere Schwester, als Model kurz Karriere gemacht und anschließend reich geheiratet hat, blieb ihr jüngere Schwester Steffi immer in ihrem Schatten. Die Lektorin hat wenig Selbstbewusstsein und ist eher schüchtern. Als sie endlich die Möglichkeit bekommt eine Fixanstellung im Verlag zu ergattern, macht ihr Chef ihr eine Liebeserklärung. Was nun? Karriere ade? Steffi rettet sich mit der Ausrede sie sei lesbisch und ahnt nicht, welche Lawine sie damit ins Rollen bringt.

Die Geschichte ist unterhaltsam und wird abwechselnd aus der Sicht von Lily und Steffi erzählt. Dies macht die beiden Charaktere sehr lebendig und man erlebt die Turbulenzen und Gefühle der beiden Schwestern hautnah mit. Die geschwisterlichen Eifersüchteleien werden humorvoll beschrieben, aber schon bald erkennt der Leser, dass auch Lily ihre unabhängige Schwester beneidet. Als ihr Mann sie betrügt, bemerkt Lily schnell, dass sie Probleme hat, auf ihren eigenen Beinen zu stehen.
Michaela Grünig zeigt hier die Ignoranz der Reichen und Schönen auf, die Lily nach der Trennung von ihrem Mann wie eine heiße Kartoffel fallen lassen. Bis diese bemerkt, was in ihrem Leben falsch gelaufen ist, dauert es einige Zeit.
Aber auch Steffi, die sich mit ihrem unüberlegten Outing ein ganz schönes Ei gelegt hat, hat einiges zu überdenken. Als sie die Bekanntschaft des kauzigen Thrillerautors Bernhard Otto macht, der seit dem Tod seiner Frau an einer Schreibblockade leidet, wird sie seine Betreuerin. In einem verlassenen Haus mitten im Wald erfährt Steffi, dass der Autor im Verdacht steht, selbst beim tödlichen Unfall seiner Frau nachgeholfen zu haben. Danach kommt richtig Schwung in die Geschichte und man merkt, dass die Autorin auch Krimis schreibt.

Kleine Kritikpunkte habe ich trotzdem. Die beiden Liebesgeschichten gingen mir etwas zu rasch und eine davon konnte ich nicht gänzlich nachvollziehen. Zum Ende hin gabe es für mich dann leider ein bisschen zu viele Zufälle in der Handlung.

Schreibstil:
Michael Grünig schreibt lebendig und fesselnd. Schon bei "Abfahrt in den Tod" hat mich der tolle Schreibstil der Autorin überzugt. Ich flog nur so durch die Seiten. Die Charaktere sind wundervoll ausgearbeitet. Man spürt die Zweifel der beiden Protagonistinnen und fiebert mit ihnen mit. Eine Prise Humor gemixt mit Spannung und einem Touch Krimi sind die Zutaten für diese unterhaltsame Geschichte, die von der Autorin perfekt zusammengestellt wurde.

Fazit:
Ein amüsanter Roman mit zwei sehr unterschiedlichen Charakteren, sowie einen Touch Krimi, der mir schöne Lesestunden beschert hat. Die zum Ende hin etwas zu vielen Zufälle kosten leider die volle Punktezahl. Trotzdem hat der Roman alles, was ein Buch aus diesem Genre benötigt, um dem Alltag ein kleines bisschen zu entfliehen. Gerne empfehle ich diesen Wohlfühlroman weiter.

Veröffentlicht am 04.11.2017

Wiener Pendant zu Miss Marple

Tod an der Wien
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Von Beate Maly habe ich bereits viele ihrer historischen Romane gelesen. Im letzten Monat wurde nun ihr zweiter historischer Krimi "Tod an der Wien" veröffentlicht.

Obwohl ich den ersten Band "Tod am ...

Von Beate Maly habe ich bereits viele ihrer historischen Romane gelesen. Im letzten Monat wurde nun ihr zweiter historischer Krimi "Tod an der Wien" veröffentlicht.

Obwohl ich den ersten Band "Tod am Semmering" (noch) nicht kenne, fand ich ohne Probleme in die Geschichte.
Der Prolog, der zwanzig Jahre zuvor spielt, gibt tiefe Einblicke in das Schulsystem zur Jahrhundertwende. Im Internat werden die Jungen aus der Oberschicht für ihr späteres Leben ausgebildet und abgehärtet. Einige Lehrer greifen dabei jedoch zu unmenschlichen und grausamen Methoden. Bis es zu einem Unglück kommt...

Danach sind wir wieder in den Zwanzigern und begegnen der pensionierten Lehrerin Ernestine Kirsch und ihrem Freund, dem Apotheker Anton Böck. Ernestine ist ein großer Fan der Operettensängerin Hermine Egger, die am Theater an der Wien bei der Premiere der Operette "Die gelbe Jacke" (heute bekannt unter dem Titel: "Das Land des Lächelns") die Hauptrolle singen wird. Gemeinsam mit Anton möchte sie die Veranstaltung besuchen und zuvor für die kleine Rosa noch ein Autogramm holen. In den Garderoben angekommen wird Ernestine Zeugin eines Streites zwischen Hermine Egger und ihrer Zweitbesetzung. Kurze Zeit später ist Hermine Egger tot.....

Die beiden Hauptcharaktere sind einfach wundervoll. Sie besitzen den typischen Wiener Charme und in ihrer Neugierde erinnerte mich Ernestine Kirsch an ihr englisches Pendant, Miss Marple. Die quirlige ehemalige Lehrerin steckt ihre Nase mit oft entwaffneten Charme in Dinge, die sie eigentlich gar nichts angehen. So erfährt sie immer wieder Einzelheiten, die ihr bei ihren Nachforschungen behilflich sind. Denn Ernestine ist davon überzeugt, dass Hermine Eggers Tod kein Unfall war. Als auch die Hausmeisterin des Theaters umkommt, beginnt sie auf ihre eigene Weise zu ermitteln. Ernestine hält die beiden Todesfälle keineswegs als Zufälle, wie die zuständige Polizei, die die beiden Unfälle bereits ada acta gelegt hat. Zwischen Apfelstrudel und Wiener Melange ermitteln Ernestine und Anton im Umfeld des Theaters und die Verdächtigen sind gar nicht so wenige.

Das Wiener Ambiente hat die Autorin atmosphärisch und identisch eingefangen. Die Örtlichkeiten des alten Wiens sind sehr detailreich und bildhaft beschrieben. Man spürt das Lebensgefühl der damaligen Zeit zwischen den Zeilen. Es ist die Nachkriegszeit und die Menschen suchen Zerstreuung. Theater und Operetten gaukeln ihnen eine heile Welt vor, in die sie sich gerne flüchten, während das Geld immer mehr an Wert verliert. Kriegswitwen versuchen über die Runden zu kommen, während die gehobene Schicht bereits wieder in Luxus schwelgt. Ebenso lässt uns die Autorin an der damaligen Schulreform eines Otto Glöckels, sowie die ersten Ansätze einer Maria Montessori, die die im Prolog erwähnten Zustände ersetzen sollen, teilhaben.
Hungrig sollte man das Buch ebenfalls nicht lesen, denn Anton ist ein Genussmensch. Er liebt es zu kochen und zu essen. Und so werden einem Torten, Kuchen und andere Wiener Spezialitäten rund um die Uhr vorgesetzt. Meinem Guto auf Apfelstrudel bin ich spätestens nach der ersten Hälfte erlegen...

Die Auflösung hat mir gut gefallen und ist logisch. Dabei stört es überhaupt nicht, dass einige Aspekte offen bleiben.

Schreibstil:
Beate Maly schreibt lebendig, kurzweilig und mit viel Wiener Charme. Die Kapitel sind kurz gehalten und man fliegt nur so durch die Seiten. Überraschende Wendungen erhalten die Spannung.
Der Krimi lebt hauptsächlich von den großartigen Figuren mit ihren unverwechselbaren Charakteren. Die Krimihandlung bleibt deswegen manchmal ein bisschen auf der Strecke, was allerdings nicht stört. Auch die Nebencharakrtere sind wunderbar gezeichnet und ich konnte mir alle Figuren bildhaft vorstellen.

Cover:
Ein paar Worte muss ich noch zum eleganten Cover verlieren, das hervorragend zum ersten Teil passt und genauso wunderschön mit Jugendstilelementen verziert ist. Hier hat sich der Emons Verlag selbst übertroffen.

Fazit:
Ein klassischer Krimi mit viel Wiener Flair und einer charismatischen Schnüfflerin, die Miss Marple in nichts nachsteht. Kurzweilig und mit viel Lokalkolorit hat mich Beate Maly auch im Krimi-Genre überzeugt!

Veröffentlicht am 03.11.2017

Wenn Unrecht geschieht

Blutföhre
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Bewertung: 4 1/2 Sterne

"Im Schloss in Friedberg überdauert ein 800 Jahre alter Baum die Zeit: Die Blutföhre. Sie wächst, wenn großes Unrecht sich ereignet – wie einst im Jahre 1268" - Monika Pfundmeier

Rund ...

Bewertung: 4 1/2 Sterne

"Im Schloss in Friedberg überdauert ein 800 Jahre alter Baum die Zeit: Die Blutföhre. Sie wächst, wenn großes Unrecht sich ereignet – wie einst im Jahre 1268" - Monika Pfundmeier

Rund um diese Legende hat die Autorin ihren Roman aufgebaut. Dabei verwendet sie historische Personen, wie Herzog Ludwig II. von Bayern, der auch "der Strenge" genannt wurde, wie auch fiktive Figuren.
Den Beinamen hat Ludwig nicht umsonst erhalten, denn er ließ einst seine erste Gemahlin hinrichten. Sein Plan seinen Neffen Konstantin, der Letzte aus dem Geschlecht der Staufer, zum Königstitel zu verhelfen, möchte er mit einem Feldzug nach Italien durchsetzen. Natürlich erhofft auch er sich einige Vorteile davon.
Graf Ulrich von Mehring, sein Vasalle und Berater, rät ihm vom Vorhaben ab und lässt in dem cholerischen Ludwig den Verdacht aufkommen, dass Ulrich gegen ihn intrigiert. Doch Ulrich hat ganz andere Probleme. Ein Raubritter mordet sich durch die Wälder und Dörfer der Gegend und überfällt immer wieder Fremde, aber vorallem die Dörfler, die ihren Pachtzins abgeben müssen. Dieser Strauchdieb sinnt allerdings auf Rache, die sich gegen Ulrich wendet.
Doch Ludwig will weder auf seinen Berater hören, noch ihn unterstützen. Er misstraut ihm immer mehr. Seine eigenen Ziele sind dem Wittelsbacher wichtiger und lässt ihn blind werden gegenüber den Nöten der Menschen im Umland. Ulrich hingegen möchte sein Land sichern und stellt sich gegen den Feldzug. Außerdem ist auch seine zukünftige Braut Agnes mit ihrer Familie auf den Weg durch die Wälder, die zu den Feierlichkeiten auf Schloss Friedberg unterwegs sind. Ulrichs Feind hat bereits einen fiesen Plan....

Der Einstieg gestaltete sich auch für mich als Liebhaber historischer Romane zuerst ein bisschen schwierig. Der außergwöhnliche Schreibstil war anfangs doch etwas gewöhnungsbedürftig. Doch bald war ich mitten in der Geschichte und gefangen von den Ränkespielen um Macht, Rache und Liebe.
Die widerspenstige Agnes, deren erster Ehemann noch in der Hochzeitsnacht verstarb und der Mehringer, denken beide nicht daran sich wiederzuverheiraten. Doch die Befehle Ludwigs sind unumstößlich. Die intrigante Hofdame Cäcilia, die auch bei Ludwig ihre Vorzüge gekonnt einsetzt und der verstoßene Hans von Eurasburg, ein verarmter Adeliger, kämpfen ebenfalls darum, ihre eigenen Pläne druchzusetzen. Da geschieht ein Mord...

Die letzten 200 Seiten hatte ich einem Rutsch durch, denn ich konnte nicht aufhören zu lesen. Der Spannungsbogen steigt so rasant an, dass ich den Roman nicht mehr aus der Hand legen konnte. Hat man sich an den außergewöhnlichen Schreibstil gewöhnt und in die atmosphärische Geschichte gefunden, möchte man nicht mehr aufhören zu lesen.

Schreibstil:
Monika Pfundmeier verwendet für ihren Roman rund um die Legende der Blutföhre die Sprache der damaligen Zeit. So wirkt die Geschichte besonders authentisch und man fühlt sich wie inmitten dieser dunklen Zeit. Bereitet der altertümliche und anspruchsvolle Schreibstil anfangs noch ein paar Probleme, ist man sehr schnell gefangen von der Atmosphäre und dem Leben im Mittelalter. Die Charaktere sind sehr lebendig und bildhaft beschrieben. Besonders die aufgeweckte Agnes habe ich sehr schnell ins Herz geschlossen. Der Spannungsbogen rund um den Raubritter und seiner Rache an Ulrich steigt immer mehr an. Das tragische Ende lässt einem sprachlos zurück....aber eine Legende kann man leider nicht umschreiben.

Fazit:
Ein sehr spannender und außergewöhnlicher historischer Roman über eine Legende, die Jahrhunderte überdauert. Eine Geschichte über Macht, Intrigen und Rache, die ein ganz besonderes Flair besitzt. Für Liebhaber des historischen Genres eine Leseempfehlung! Für Anfänger eher ungeeignet...

Veröffentlicht am 03.11.2017

Die Vorboten des Krieges

Das letzte Jahr
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In diesem kleinen Büchlein mit 152 Seiten steckt sehr viel Inhalt. Man erlebt die Gedanken eines neunjährigen Mädchens, während sich die Welt im Umbruch befindet.

1938: Für Elfi ist es ganz normal in ...

In diesem kleinen Büchlein mit 152 Seiten steckt sehr viel Inhalt. Man erlebt die Gedanken eines neunjährigen Mädchens, während sich die Welt im Umbruch befindet.

1938: Für Elfi ist es ganz normal in ihrem kleinen Dorf in Mähren gemeinsam mit Tschechen, Juden und Deutschen aufzuwachsen. Vor nicht allzu langer Zeit gehörte Mähren noch zu Österreich. Jetzt ist in Wien Hitler einmarschiert und Österreich gehört zur Ostmark und ihr Dorf Tarowitz wurde böhmisch. Marschenka, das Dienstmädchen der Familie stammt aus dem Nachbardorf Klein Tarowitz (Tarowitschky), wo großteils nur Tschechen leben. In Groß Tarowitz leben wiederum mehr Deutsche. Für die Kinder der Region ist dies kein Problem und man verständigt sich auch ohne große Probleme. Auch ihre Eltern sind liberal eingestellt und vermitteln Elfi, dass es egal ist. welcher Herkunft man ist. So kauft auch die Mutter ihren Lieblingsschinken bei Frau Hirsch, einer Jüdin und das Brot bei der Bäckerei Plicha, die einen Deutschen gehört.

Ilse Tielsch beschreibt in wunderbar authentischer Sprache aus der Ich-Perspektive über das Leben der neunjährigen Elfi. Dabei ist die Sprache angepasst, aber nicht zu kindlich. Man hat das Gefühl das Mädchen erzählt in einer Art Tagebuch von ihren Gedanken, Wünschen und Zielen. So sieht der Leser die Welt mit den Augen eines Kindes. Oft musste ich schmunzeln über ihren Ideenreichtum oder die Gedankengänge, die sie hat. Ich fühlte mich wieder als Kind und habe auch einige Parallelen aus meiner Kindheit zu der von Elfi entdecken können.
Noch ist ihr Leben in Ordnung. Sie wächst behütet auf und hat keinerlei Vorurteile. Am liebsten fährt sie mit ihrem roten Fahrrad hügelauf- und abwärts und versucht sich an diversen Kunststücken. Elfi träumt vom Zirkus oder davon mit dem Schiff über den Ozean zu fahren und nach Amerika auszuwandern. Durch ihre Liebe zu Bücher und den Romanen von Karl May interessiert sie sich für das Leben der Indianer. Mit ihren Freundinnen Lilli, einer Jüdin und Alenka, einer Tschechin, erlebt sie noch einen unbeschwerten Sommer. Und doch gibt es bereits dunkle Wolken am Himmel. Lilli und ihre Familie sind eines Tages verschwunden. Auch die jüdischen Geschäfte sind plötzlich geschlossen. Deutsche und Tschechen kaufen nur mehr bei ihresgleichen ein. Die Eltern verhalten sich immer ängstlicher und seltsamer und ihre Mutter beachtet sie kaum mehr. Elfi ist verwirrt und fühlt sich einsam. Warum sind ihre Eltern nicht mehr fröhlich? Warum kommt Lilli nicht zurück? Es wird das letzte Jahr einer unbekümmerten Kindheit sein...

Ilse Tielsch hat in diesem wunderbaren Roman einige Erlebnisse aus ihrer Kindheit verarbeitet und in einem bezaubernden Schreibstil, der einem direkt in die kindliche Seele blicken lässt, wiedergegeben. Trotz des eher beklemmenden Themas schreibt die Autorin mit viel Humor und sehr identisch aus kindlicher Sichtweise.

Fazit:
Trotz der wenigen Seiten ein berührendes Buch mit viel Inhalt. Man erlebt die tiefbewegenden Gedanken eines Kindes, das den Umbruch der Gesellschaft bis zum Kriegsbeginn miterlebt. Durch den authentischen Schreibstil und einer kleinen Prise Humor wird das schwierige Thema aus kindlicher Sichtweise leichtfüßiger beschrieben.

Veröffentlicht am 03.11.2017

Eines meiner Highlights dieses Jahres!

Rebekkas Melodie
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Rebekka hat vor zehn Jahren ihre Heimatstadt Nashville verlassen, um in Wien Musik zu studieren. Nun kehrt sie nach dem Tod ihrer geliebten Großmutter nach Hause zurück. Die alte Dame war nach dem frühen ...

Rebekka hat vor zehn Jahren ihre Heimatstadt Nashville verlassen, um in Wien Musik zu studieren. Nun kehrt sie nach dem Tod ihrer geliebten Großmutter nach Hause zurück. Die alte Dame war nach dem frühen Ableben des Vaters ihr letzter Halt, denn zu ihrer Mutter hatte Rebekka nie eine sehr enge Verbindung. Diese hat auch nicht lange gewartet und sich schnell wiederverheiratet. Ihr Stiefvater Barton Ledbetter ist ein grausamer Mann und Rebekka möchte nicht zurück in ihr altes Zuhause. Ihr Herzenswunsch ist es, in einem Sinfonieorchester mitzuspielen, doch nur wenige Orchester in den Vereingten Staaten nehmen Frauen überhaupt auf. Diese sind reine Männerdomänen und weibliche Musiker sind unerwünscht. Auch der neue Dirigent der Philharmonie Nashville, Nathaniel Whitcomb, sieht keine Möglichkeit eine Frau einzustellen. Nicht nur, dass er selbst überzeugt ist, dass Frauen diesen Job nicht beherrschen, ist er auch abhängig von den Gönnern der Philharmonie. Diese unterstützen nicht nur ihn, sondern auch den Neubau des Opernhauses. Da bekommt Rebekka die Chance im Haus Belmont von Adelicia Cheatham als Musiklehrerin ihre Tochter Pauline zu unterrichten. Und kurze Zeit später wird sie als Assistentin des Dirigenten angestellt, der Hilfe beim aufschreiben seiner Symphonie benötigt....

Dies ist der dritte Band der Belmont Manison Reihe, was ich bei meiner Bewerbung zum Buch nicht gewusst habe. Einige von euch wissen, dass ich selten ein Buch bei dem es um Musik geht, auslassen kann ;) ...deswegen musste ich den Roman auch unbedingt lesen. "Rebekkas Melodie" lässt sich ohne Vorkenntnisse der ersten beiden Bände lesen, denn jeder Band handelt von einer anderen begabten Frau, die sich ihrer Leidenschaft widmet. Ist es hier die Musik, so sind es in den anderen Geschichten die Kunst und die Natur.
Inspiriert wurde die Autorin von einer ganz besonderen Frau, nämlich Adelicia Hayes Franklin Acklen Cheatham, der Herrin von Belmont.

Der Roman überzeugt mit viel Herzenswärme und interessanten Ansätzen. Die klassische Musik ist über die fast 500 Seiten immer präsent und man spürt diese wunderbare Hingabe zur Musik und die ungewöhnliche Begabung von Nathaniel "Tate" und Rebekka durch jede Zeile. Für Tate steht viel auf dem Spiel, denn er soll bei der Eröffnung des neuen Musiktheaters mit einer Eigenkomposition glänzen. Doch über den ersten Satz der Symphonie ist er noch nicht hinausgekommen. Zusätzliche persönliche Probleme halten ihn von seiner Komposition ab, ebenso wie die Förderer des neuen Opernhauses, die ihre eigenen Pläne haben.
Die Arbeit, die hinter einem Musikstück steckt, ebenso wie die des Orchesters bis zur Aufführung, wurde großartig beschrieben. Aber nicht nur die Abschnitte, bei denen es um Musik geht, sondern auch die Zweifel und Ängste der beiden Hauptprotagonisten sind spürbar.
Rebekka ist ein großes Talent auf der Violine, doch sie ist der Zeit weit voraus. Ihr Traum vor einem großen Publikum zu spielen und einem Orchester anzugehören, scheint immer mehr in weite Ferne zu rücken. Zu groß sind noch die Vorurteile gegenüber Frauen, die den Anforderungen nicht gewachsen sein können, weil sie zu zart und schwach sind. Außerdem erscheint eine musizierende Frau schamlos.

Die Charaktere sind lebendig, warmherzig und haben Ecken und Kanten. Besonders ans Herz gewachsen sind mir Delphia, die Köchin in Rebekkas ehemaligen zuhause, sowie auch Mrs. Adelicia Cheatham, hinter deren rauhen Außenschale ein großes Herz steckt. Die Charaktere sind authentisch und nicht nur schwarz-weiß gezeichnet. Besonders Tate hat viele Facetten.

Als Österreichein finde ich es beschämend, dass man vor mehr als einem Jahrhundert bereits die ersten Frauen in amerikanischen Orchestern aufgenommen hat, auch wenn dies nur vereinzelt galt. Die Wiener Philharmoner nahmen erst 1997 die erste Frau in ihr Orchester auf, nachdem der massive Druck heimischer Politiker, sowie internationale Proteste und Boykottaufrufe der Entscheidung vorausgegangen sind. Man kann darüber nur den Kopf schütteln...

Schreibstil:
Tamara Alexander hat einen wunderbaren und lebendigen Schreibstil. Man versinkt in der Geschichte und hat Tate und Rebekka wahrlich vor Augen, wenn sie zusammen am Klavier sitzen und komponieren, aber auch bei ihren Ausflügen in die Appalachen. Tamara Alexander hat das Nashville im Jahre 1871 perfekt eingefangen

Cover:
Ich finde beide Cover absolut gelungen, aber das englische Cover, das der Francke Verlag übernommen hat, gefällt mir trotzdem besser. Und die deutsche Varianate finde ich noch eine Spur besser, da die Schrift dezenter ist bzw. nicht dreiviertel des Covers einnimmt, sondern der Name der Autorin im oberen Bereich dezenter gesetzt wurde und der Titel über den Rock des Kleides steht. Ich finde es einfach wunderschön!
Das Opernhaus am Cover ist übrigens das Akademische nationale Theater für Oper und Ballett in Odessa (Ukraine). Es erinnert mich auch sehr an das Wiener Konzerthaus, wo alljährlich das Neujahrskonzert stattfindet.

Fazit:
Ein wunderbarer Roman um eine starke Frau, die ihren Traum leben möchte. Toller Schreibstil, viel Atmosphäre und facettenreiche Charaktere runden das musikalische Thema ab. Eines meiner Highlights dieses Jahres in diesem Genre! Unbedingt lesen!