Ein Lesehighlight
Kinder des AufbruchsSeit dem ersten Buch, welches ich von Claire Winter gelesene habe, bin ich ein Fan der Autorin. Jeder neue Roman kommt auf meine Wunschliste ohne den Klappentext zu lesen. Die Autorin ist einfach ein Garant ...
Seit dem ersten Buch, welches ich von Claire Winter gelesene habe, bin ich ein Fan der Autorin. Jeder neue Roman kommt auf meine Wunschliste ohne den Klappentext zu lesen. Die Autorin ist einfach ein Garant für tolle Stories!
"Kinder des Aufbruchs" ist die Fortsetzung zu "Kinder ihrer Zeit", kann jedoch auch alleinstehend gelesen werden. Die Autorin hat immer wieder kleine Rückblicke eingebaut, damit auch Leser:innen, die das erste Buch nicht gelesen haben, keine Probleme mit der Story haben. Trotzdem würde ich empfehlen zuerst den ersten Band zu lesen, damit man das Verhältnis zwischen den Zwillingsschwestern Alice und Emma besser versteht. Außerdem war "Kinder ihrer Zeit" ein Buch, dass ich mit dem Lieblingsbuchstatus bewertet habe. Ihr würdet daher etwas verpassen ;)
In der Zwischenzeit sind sechs Jahre vergangen, seit die Zwillingsschwestern wieder vereint sind. Emma ist nach wie vor Dolmetscherin und Alice arbeitet als Journalistin bei einer Berliner Tageszeitung. Alice ist mit Max verheiratet und die beiden leben mit ihrer Tochter Lisa zusammen. Die Ehe ist jedoch ein "Arrangement", um für Lisa dazusein. Max ist Anwalt und hat sich auf Entschädigung von jüdischen Opfern des Nationalsozialismus spezialisiert. Emma ist mit dem aus der DDR geflüchteten Julius verheiratet, der als Professor unterrichtet.
Wir landen mitten in den politischen Unruhen in Berlin des Jahres 1967. Demonstrierende Studenten sind an der Tagesordnung und der Besuch des Schahs von Persien lässt die Stimmung in der Stadt fast überkochen. Als der Student Benno Ohnesorg ums Leben kommt, der von einem Polizisten erschossen wird, gerät alles aus den Fugen. Alice ist hautnah dabei und trifft auf Fritz, einem ehemaligen Freund aus dem Osten. Er bittet sie um Hilfe für seine Schwester Lore, die ebefalls die DDR verlassen will. Alice steht durch einen Artikel, den sie geschrieben hat, mit einer Fluchthilfe-Organisation in Verbindung und bietet Fritz - nichtsahnend, was sie dabei lostritt - Hilfe an. Als sie auch noch auf ihre frühere Freundin Irma trifft, die als Sängerin Karriere gemacht hat und in den Westen geflohen ist, wird Alice nervös. Irma hat sie damals ausspioniert und an die Stasi verraten. Und jetzt trifft sie kurze Zeit hintereinander auf Menschen aus ihre Vergangenheit? Hat die Stasi auch Alice wieder im Fokus?
Emma leidet in der Zwischenzeit an einer erlittenen Fehlgeburt und trifft bei einem Event in einem Kinderheim, bei dem sie dolmetscht, auf den 11jährigen Waisenjungen Luca. Sie besucht den störrischen Jungen immer wieder und baut langsam ein klein wenig Vertrauen zu ihm auf. Doch Luca hat unglaubliche Angst vor jemanden und flüchtet immer wieder aus dem Heim.
Erst nach und nach stellt sich heraus, dass beide Handlungsstränge miteinander verbunden sind. Beide Schwestern und ihre Ehemänner geraten ins Visier der Stasi und in grosse Gefahr.
Obwohl die Autorin viele politische Themen aufgreift, um diese Zeit auch sehr authentisch darstellen zu können, wird es nie langweilig. Die Demonstrationen der Studenten erinnern mich ein bisschen an die momentanen Klimaaktivisten, ebenso wie der Einfluss der Presse. Es geht aber auch um Fluchthilfe, Gefangenen-Austausch, Geheimdienste und ihre Rolle im Deutschland der 60er Jahre. Diese historischen Themen verwebt die Autorin geschickt mit ihrer fiktiven Geschichte rund um Emma, Alice, Julius, Max, Fritz Irma und dem kleinen Luca.
Claire Winter versteht es großartig alle Sichtweisen so darzustellen, dass man sich selbst beim Lesen wie in einem Strudel der Machenschaften fühlt. Die Figuren sind authentisch und sehr lebendig dargestellt. Die Spannung ist von Beginn an zu greifen und bleibt bis zum Ende erhalten.
Der Schreibstil ist wie immer mitreißend und bildgewaltig. Die Handlung wird abwechselnd aus der Sicht verschiedener Charaktere erzählt. Die dazugehörigen Namen findet man am Kapitelanfang.
Auf der Innenseite des Buches finden wir eine Karte von Ost- und West Deutschland und den angrenzenden Ländern, sowie eine kleine Karte von Berlin mit der Trennungslinie. Am Ende des Buches erklärt die Autorin über Wahreit und Fiktion auf.
Claire Winter hat hervorragend recherchiert und die Stimmung der späten Sechziger Jahre perfekt eingefangen. Es ist die Zeit des Kalten Krieges und des Vietnamkrieges, des Prager Frühlings und ein Aufschrei der Jugend gegen das alte System. Ich habe wieder mit Emma und Alice gebangt und konnte das Buch kaum aus der Hand legen. Eine absolute Lese-Empfehlung, wie schon der erste Band!
Fazit:
Ein weiteres Highlight der Autorin! Der Roman hat mich von der ersten bis zur letzten Seite gefesselt. Immer wieder überrascht mich Claire Winter mit einem weiteren grandiosen Roman. Von mir gibt es eine absolute Leseempfehlung mit dem Hinweis, wenn möglich, zuerst den ersten Band zu lesen.