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Veröffentlicht am 29.09.2020

Spannendes Debüt

Belgische Finsternis
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Mein erster belgischer Krimi nach all den vielen Lesejahr(zehnten)! Wow! Und gleich vorab: Ich kann ihn weiterempfehlen!

Piet Donker, ein Ermittler aus Brüssel, wird in die deutschsprachige Kleinstadt ...

Mein erster belgischer Krimi nach all den vielen Lesejahr(zehnten)! Wow! Und gleich vorab: Ich kann ihn weiterempfehlen!

Piet Donker, ein Ermittler aus Brüssel, wird in die deutschsprachige Kleinstadt Raaffburg versetzt. Sein letzter Fall lief nicht so gut und auch im Privatleben sieht es mau aus. Er steht kurz vor der Trennung zu seiner Frau. Durch die Versendung in die Provinz hat er nun noch weniger Zeit für sie und die gemeinsame Tochter Liv. In Raaffburg wartet ein Cold Case auf ihn. Zwei Kollegen werden Piet Donker zur Seite gestellt: Vanderhagen, ein sehr unmotivierter und ungehobelter Mann und der blutige Neuling Benker. Einzig Lechat, der bereits pensionierte Ermittler von damals, ist ihm eine Hilfe. Er kennt den Ort und die Einwohner. Als Fremder kommt Piet nur schwer bei den Bewohnern an.
Vor 15 Jahren hat ein Serienmörder zehn Pärchen ermordet: immer Mutter und Sohn. Der Täter wurde überführt und verurteilt. Doch bis heute bestreitet er den letzten Mord begangen zu haben. Ella Weber, die damals Mutter und Bruder verloren hat, kehrt in ihrem ehemaliges Heimatort zurück, als sie von der Polizei vorgeladen wird. Es gibt eine neue Spur in den Vermisstenfall Felix Riegen....ein Jugendlicher, der damals zeitgleich mit dem letzten Mordfall verschwand und ein Freund ihres Bruders...

Stephan Haas erzählt in der Ich-Form aus der Sicht von Piet. Zuerst dachte ich: Schon wieder ein Ermittler mit einem Knacks und privaten Problemen. Doch sein Privatleben rückt mit der Zeit mehr in den Hintergrund und das ist gut so. Schon bald ist mir Piet ans Herz gewachsen und ich habe mit ihm mitgerätselt.
Der Fall ist von Beginn an spannend und gut durchdacht. Lange tappt Piet im Dunkeln und gerät selbst in Gefahr. Es gibt jede Menge Verdächtige und es scheint, als hätten hier so einige Einwohner etwas zu vertuschen. Da passiert ein weiterer Mord...

Das Ende konnte mich überraschen und ich muss zugeben, dass ich wirklich auf dem Holzweg war. Der Plot ist vom Autor wirklich gut durchdacht. Für ein Erstlingswerk ist dieser Regioanlkrimi äußerst gelungen, auch wenn ein paar Klischees ausgepackt wurden. Auch dnr Lokalkolorit habe ich etwas vermisst. Falls es eine Reihe werden sollte, werde ich auf jeden Fall weiterlesen. Ich kann "Belgische Finsternis" auf jeden Fall weiterempfehlen!

Fazit:
Ein spannender Erstling, der mich richtig fesseln und überzeugen konnte. Ein paar kleine Klischees werden bedient, aber der Fall ist fesselnd und das Ende perfekt gelöst und eine wahre Überraschung.

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Veröffentlicht am 27.09.2020

Let's go Tibet!

Let's go Himalaya!
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Die deutsche Ärztin Katja Linke steht kurz vor einem Burnout und verordnet sich eine 3-monatige Auszeit. Schon lange hegt sie den Wunsch nach Tibet zu reisen. Das Ziel soll das Basiscamp am Mount Everest ...

Die deutsche Ärztin Katja Linke steht kurz vor einem Burnout und verordnet sich eine 3-monatige Auszeit. Schon lange hegt sie den Wunsch nach Tibet zu reisen. Das Ziel soll das Basiscamp am Mount Everest sein. Gemeinsam mit ihrer elfjährigen Tochter Julia macht sie sich auf eine Reise voller Überraschungen und wunderbaren Eindrücke.

Das erzählende Sachbuch habe ich bei einer You Tuberin gesehen und es hat sofort mein Interesse geweckt. Als es bei Lovelybooks eine Leserunde mit Katja Linke gab, habe ich mich beworben und hatte Glück.

Die Ärztin hat sich nach einer überstandenen Krebserkrankung den großen Traum erfüllt Tibet und seine Menschen kennenzulernen und bis zum Dach der Welt zu reisen. Es gelingt ihr unvergessliche Erlebnisse zu sammeln und hat diese in ihrem Reisetagebuch festgehalten. In erzählender Form nimmt sie uns mit auf die Reise in dieses ferne Land.

Die Mischung aus Sachbuch und Roman beginnt mit den Reisenvorbereitungen. Nicht nur die gesundheitlichen Aspekte müssen erfüllt werden, sondern auch die Ausrüstung und ein erfahrener einheimischer Begleiter sind ein Muss. Zusätzlich hat Katja Llinke noch einen Höhentauglichkeitstest absolviert. Julia möchte auf ihrer Reise einen für sie ganz besonderen Stein aus dem Garten ihrer Oma mitnehmen, den sie im Basislager hinterlegen möchte.

Doch schon bei der Einreise stellen sich die ersten Schwierigkeiten ein. Die äußerst strengen Konrollen der Chinesen und die darauffolgende Überwachung gehen den Beiden bald an die Nieren. Nach ihrer Ankunft in Lhasa stellt Katja Linke fest, dass fast alles, was fest geplant und vorbereitet wurde, teilweise vor Ort nicht eingehalten wurde. Doch so schnell geben Mutter und Tochter nicht auf. An ihrer Seite ist ein chinesischer Fahrer und der tibetische Führer Pubu, der ihnen wissenswertes über Land und Leute und der traditionellen Lebensweise erzählt. Weitere Themen sind die Politik, die Geschichte Tibets und der Dalai Lama, sowie der Buddhismus. Vieles davon war sehr interessant, wird aber sehr sachlich berichtet und die persönlichen Erfahruneg treten etwas in den Hintergrund. Man hat in diesen Abschnitte das Gefühl ein Geschichtsbuch oder reines Sachbuch zu lesen. Katja Linke ist vorallem auch an der tibetischen Medizin und dem Gesundheitssystem interessiert. Letzteres ist mit unserem westlichen System überhaupt nicht zu vergleichen und hat mir selbst beim Lesen (ein Zahnarztbesuch Pubus) Gänsehaut bereitet.

Mit der Sichtweise der damals erst elfjährigen Julia erhalten die öfters eher sachliche Erzählungen Witz und Lockerheit. Julia ist ein aufgewecktes Mädchen, das vieles hinterfragt und genau wissen möchte. Aus Kindersicht sind doch einige Themen erfrischend anders. Julia hat vorallem beeindruckt, dass die tibtischen Kinder für ihren Schulweg Tage benötigen und oftmals Monate von zuhause fort sind, um sich den Schulbesuch zu ermöglichen.
Julias blondes Haar hat immer wieder Aufregung hervorgerufen und den beiden auch einige Male aus brenzligen Situationen heraus geholfen.

Auf dem letzten Abschnitt lernen sie noch den Mönch Tashi kennen, der sie zum Basislager begleiten wird. Er versucht Katja von den Weisheiten des Buddhismus zu überzeugen und unterstützt Katja, als sie in eine Sinnkrise fällt, aber auch Julia, die das Heimweh plagt. Angekommen am Dach der Welt sind alle Strapazen vergessen und ein großes Glücksgefühl stellt sich ein.

Fazit:
Mit "Lets go Himalaya" - Wo bitte geht's nach Shangri-La? haben Katja Linke und ihre Tochter einen interessanten Reisebericht mit persönlichen Erlebnissen niedergeschrieben, der uns zeigt, wie froh wir sein können ein Gesundheitssystem, wie unseres zu haben und wir außerdem die Freiheit besitzen, sagen zu dürfen, was man denkt. Neben den Strapazen und den wundervollen Momenten der Reise wird auch die Mutter-Tochter-Beziehung gestärkt. Es bleibt ein unvergessliches Erlebnis!

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Veröffentlicht am 25.09.2020

Was hält ein Mensch alles aus?

Am Himmel drei Sterne
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1942. Siebenbürgen, Rumänien. Selma und ihre kränkliche Schwester Irma leben in Burgthal im deutschsprachigen Teil Rumäniens. Bei einem Tanzabend lernt Selma den deutschen Soldaten Johann kennen. Die beiden ...

1942. Siebenbürgen, Rumänien. Selma und ihre kränkliche Schwester Irma leben in Burgthal im deutschsprachigen Teil Rumäniens. Bei einem Tanzabend lernt Selma den deutschen Soldaten Johann kennen. Die beiden verlieben sich trotz Kriegszeiten ineinander. Ihnen ist nur wenig gemeinsame Zeit vergönnt, denn Johann wird an die Ostfront geschickt. Selma bleibt mit ihm in Kontakt und wartet auf seine Rückkehr. Doch dann wechseln die Rumänen die Seiten und verbünden sich mit den Alliierten. So kommt es, dass die deutsche Minderheit enteignet und junge Frauen und Männer von den Russen abgeholt und in Arbeitslager gebracht werden. Bereits der Transport in die Arbeitslager wird zum Überlebenskampf. So einige Stellen erinnerten mich an die Judentransporte, die ebenfalls in Viehwaggons Richtung Osten in die KZs gebracht wurden. In der Ukraine erleben Selma und Irma nicht nur grauenhafte Arbeitsbedingungen, sondern auch sibirische Kälte. Selma versucht alles um ihre kränkliche Schwester zu schützen und einen Weg zu finden sie nach Hause zu bringen....

Unter dem Pseudonym Maya Freiberger versteckt sich ein deutsches Autorenpaar. Wer dahintersteckt weiß ich leider nicht ;) Aber ich weiß, dass diese Geschichte auf den Memoiren der Tante des männlichen Parts basiert. Leider wird im Nachwort nicht näher erläutert was wahr und was fiktiv an der Geschichte ist.
Der Roman beginnt mit einem Prolog im Jahr 2001 und endet auch in diesem Jahr. Dazwischen erzählt die mittlerweile alte Selma ihrer Tochter Karoline aus ihrer Zeit im Arbeitslager in der Ukraine. Der erste Teil des Romans spielt von 1942-1946 und Teil zwei von 1946-1948.
Mit Selma konnte ich mich sehr schnell anfreunden, auch wenn ich oftmals dachte sie sei zu gutgläubig. Sie gibt die Hoffnung nie auf Irma rechtzeitig aus dem Arbeitslager zu schaffen. Selbst in ihrem größten Feind fand sie noch etwas Gutes, was ich nicht wirklich nachvollziehen konnte...vorallem in ihrer Situation. Sie ist aber auch stark und setzt sich für andere ein.
Irma ist, im Gegenteil, zu Selma eher ruhig. Durch ihre immer wiederkehrenden Fieberschübe, deren Ursache man nie gefunden hat, musste sie bereits als Kind immer wieder zurückstecken. Doch auch sie ist zäh und bewundernswert. Auch Gisela, Efrem oder Marianne sind interessante Charaktere, die sich weiterentwickeln und auch andere Seiten an sich zeigen.

Durch die bildhafte Erzählweise lebt man mit den Figuren mit. Der Spannungsbogen bleibt die ganze Zeit über hoch und einmal angefangen, kann man das Buch schwer wieder aus der Hand legen. Trotzdem gefiel mit Teil Eins besser, als der Zweite, bei dem mir einige Sequenzen oftmals zu dramatisch und unglaubwürdig vorkamen. Maya Freiberger spart an zu brutalen Szenen, was ich einerseits gut finde, mir aber deswegen das Vorgehen im Arbeitslager zu unwirklich vorkam. Ich habe bereits einige Bücher in diese Richtung gelesen und da gab es gegenüber den Gefangenen keinerlei Pardon, wenn sie z. Bsp. bei einem Fluchtversuch erwischt wurden. Trotzdem kommen die unmenschlichen Zustände in den Gulags beim Leser an und man spürt die Machtlosigkeit der Gefangenen, sowie den Hunger und die Kälte. Man denkt der Krieg hat bereits genug angerichtet und Menschleben zerstört, doch die Russen üben Vergeltung an den hilflosen Frauen für die Gräuel der deutschen Soldaten in ihrem Land.

Maya Freiberger hebt vorallem die Schwesternliebe von Selma und Irma stark hervor. Zusätzlich erinnert sie immer wieder daran, dass es keine Rolle spielt, welcher Nationalität ein Mensch angehört, denn es gibt in jedem Land gute und böse Menschen. Zusätzlich wird mit dieser Geschichte daran erinnert, was auch noch nach Kriegsende passiert ist und wie viele Menschen damals auf der Flucht waren oder enteignet wurden...egal wo. Meine Vorfahren (mütterlichseits) wurden zum Beispiel aus Mähren (Tschechien) verjagt und enteignet. Der Brünner Todesmarsch zu uns nach Österreich hat Tausenden das Leben gekostet.

Der Titel "Am Himmel drei Sterne" vermittelt Hoffnung. Das idyllische Cover passt meiner Meinung nicht ganz zur Geschichte. Denkt man aber an eine Interpretation bei der sich die Schwestern auf einen neuen Weg in die Freiheit aufmachen, würde ich es als passend finden.

Fazit:
Ein Roman zum Nachdenken über Menschlichkeit, Zusammenhalt, Überleben in den sibirischen Arbeitslagern und die Hoffnung die Freiheit eines Tages wieder zu erlangen. Mit viel Gefühl erzählt, manchmal etwas zu dramatisch, aber auf jeden Fall eine weitere wichtige Geschichte #gegendasvergessen.

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Veröffentlicht am 22.09.2020

Was geschah damals?

Wild Pub Galway
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In der Meinung einen ebenso spannenden Thriller, wie Shannon Crowleys "Hillmoor Cross"zu erhalten, freute ich mich besonders, dass ich nun das dritte Buch um Inspector Dunne lesen durfte. Ich wurde allerdings ...

In der Meinung einen ebenso spannenden Thriller, wie Shannon Crowleys "Hillmoor Cross"zu erhalten, freute ich mich besonders, dass ich nun das dritte Buch um Inspector Dunne lesen durfte. Ich wurde allerdings damit überrascht, dass es in ihrem neuen Thriller/Krimi weitaus gemächlicher zugeht. Die Autorin hat mir persönlich noch mitgeteilt, dass "Hillmoor Cross" einigen Lesern zu blutig war und sie deshalb nun mit der Inspector Dunne Reihe eher ins Krimigenre gewechselt ist. Das finde ich sehr schade!

"Wild Pub Galway" ist eher ein "Whodunit" Krimi, der sich um den Tod des beliebten und angesehen Arztes Aaron Casey dreht. Seit kurzem erhält der Arzt selbstlöschende Drohungen per Mail, die er jedoch zu wenig ernst nimmt und kurze Zeit später nach einem Besuch im Wild Pub erstochen vor seiner Praxis aufgefunden wird. Eine alte Dame, die an Schlaflosigkeit leidet, hat beobachtet wie Casey verfolgt und ermordet wurde. Der normaler Weise ermittelnde Inspector Dunne befindet sich auch Urlaub und so muss sein Assistent DC Thomas Smith einspringen. Der etwas chaotische Ermittler bekommt zusätzlich noch einen Vermisstenfall hinzu. Die erst 15jährige Ellen ist verschwunden. Der Vater hat kurz zuvor herausgefunden, dass sie schwanger ist und verdächtigt den Nachhilfelehrer. DC Smith ist heillos überlastet und erhofft sich durch Anrufe bei seinem Vorgesetzten etwas Hilfe. Der ist aber im Moment mit seiner pubertierenden Tochter ebenso heillos überfordert....

Man steigt direkt in die Handlung ein und lernt Dr. Aaron Casey kennen. Der Spannungsbogen wird zu Beginn sehr gut aufgebaut. Bald wimmelt es von unzähligen Verdächtigen, denn der Arzt war kein Kind von Traurigkeit. Zusätzlich dürfte etwas in seiner Vergangenheit passiert sein, das er zu verheimlichen versuchte. Als Leser überlegt man, was passiert sein und wer als Täter in Frage kommen könnte. Die Autorin hat durch einige parallel laufenden Handlungsstränge viele Verdächtige eingebaut. Ich habe gerätselt und gerätselt und fand es richtig gut, wie Shannon Crowley das Puzzle erst langsam Puzzlestein um Puzzlestein aufdeckt und alle Handlungsstränge zusammenführt. Erst zum Ende hin hatte ich den richtigen Verdacht, der auch eingetroffen ist.

Vermisst habe ich das Irlandflair. Der Krimi hätte an jedem beliebigen Ort/Stadt spielen können. Einzig die Namen und die zwei Pubs, die eine Rolle gespielt haben gaben Anhaltspunkte, dass die Handlung in Irland oder England spielen könnte.
Gefallen hat mir die Entwicklung des anfangs eher hilflosen Assistenten, der zum Ende hin über sich hinauswächst. Auch der Schreibstil ist bildhaft und die Charaktere sind authentisch und sehr lebendig dargestellt.

Leider hatte ich durch Hillmoor Cross zu hohe Erwartungen, die mit "Wild Pub Galway" leider nicht ganz erfüllt wurden. Die Autorin schreibt unter ihren Klarnamen Regionalkrimis, die ich weitaus spannender finde und die ich wirklich mag. Ich finde es schade, dass sie ihre Irland-Reihe so abgeschwächt hat und nach einem richtig tollen und spannenden Thriller wie Hillmoor Cross weniger grausam und erbarmungsloser geworden ist.

Fazit:
Ein teilweise spannnender Krimi, bei dem mir das Irlandflair fehlte. Meine Erwarteungen waren durch den ersten Band der Reihe, den ich grandios fand, zu hoch gesetzt. Dadurch war ich schlussendlich etwas enttäuscht und vergebe gute 3 1/2 Sterne.

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Veröffentlicht am 20.09.2020

Pflicht oder Liebe

Die Frauen von Gut Falkensee
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Historische Romane, die in Ost- und Westpreußen spielen, sind in der Buchwelt im Moment sehr präsent. Mit Luisa von Kamecke's Roman "Die Frauen von Gut Falkensee" reiht sich eine weitere Reihe in diese ...

Historische Romane, die in Ost- und Westpreußen spielen, sind in der Buchwelt im Moment sehr präsent. Mit Luisa von Kamecke's Roman "Die Frauen von Gut Falkensee" reiht sich eine weitere Reihe in diese Zeit rund um die Jahrhundertwende ein. Leider ist der Klappentext wieder etwas irreführend, denn erstens steht die Liebe zu einem Mann nicht im Vordergrund und zweitens passiert die Hochzeit mit Baldur erst cirka ab der Hälfte der Geschichte.

Hauptprotagonistin Charlotte von Bargelow ist eine sehr selbstbewusste und eigenwillige junge Frau, die in Paris studiert...offiziell Kunst, aber in Wahrheit Agrarwissenschaft. Sie liebt ihr Zuhause und würde am liebsten später den Gutshof übernehmen. Das war zu dieser Zeit jedoch unmöglich, denn Frauen waren eher Aufputz für den Ehemann. Als sie zur Verlobungsfeier ihrer Schwester Alice anreist, eröffnen ihr ihre Eltern, dass das Gut in finanziellen Schwierigkeiten steckt und sie reich heiraten muss, um es zu retten. Ihr kränklicher Bruder Frederick soll das Gut einmal unbelastet erben. Charlotte, die das Gut liebt, fügt sich dem Willen ihrer Eltern, aber möchte selbst unter den Bewerbern ihren zukünftigen Ehemann auswählen...
Standesdünkel, klar definierte Rollenbilder und gesellschaftliche Einblicke bringen dem Leser die Zeit der Jahrhundertwende nahe. Die Rolle der Frau ist unbedeutend. Sie müssen sich den Männern und den Gesetzen fügen. Auch den Staat Polen gibt es zu dieser Zeit nicht. Die Polen sind heimatlos und kämpfen um ihre Rechte. Einer dieser Kämpfer ist Karol, den Charlotte kennen- und später lieben lernt. Wie schon oben erwähnt spielt die Liebesgeschichte aber eher eine Nebenrolle, was für mich absolut in Ordnung war. Ich konnte die etwas zerstörerische Beziehung der Beiden auch nicht zu hundert Prozent verstehen und konnte den Funken, der zwischen ihnen sprang nur teilweise spüren. Im Mittelpunkt steht das Gut selbst und die Frauen, die darin wohnen oder arbeiten. Die täglichen Arbeitsabläufe und das Leben im frühen Zwanzigsten Jahrhundert werden lebendig dargestellt und als Leser taucht man gerne in diese Zeit ein.

Der Blick in den Dienstbotentrakt lässt die Geschichte sehr lebendig wirken. Wir begleiten vorallem auch Hedi, das Kindermädchen, das sich liebevoll um den kränkelnden Frederick kümmert oder Fine, die als Kind Charlottes beste Freundin war und die gemeinsam aufgewachsen sind. Mittlerweile ist sie eines der Dienstmädchen. Beide Frauen können diese gesellschaftliche Barriere nicht wirklich überwinden.
Mit Alice, Charlottes Schwester konnte ich mich nicht wirklich anfreunden. Sie ist ein sehr egoistischer Charakter, der gerne im Mittelpunkt steht. Frederick ist ein herzenguter Junge, der an einer schlimmen Erbkrankheit leidet und schon in jungen Jahren um sein Leben kämpfen muss. So lebte ich mit den von Bargelows und ihren Dienstboten und Freunden mit und erlebte eine erfrischende Geschichte, die mich berühren konnte.

Jede Figur ist authentisch und wurde von der Autorin liebevoll gezeichnet. Von manchen erfährt man mehr, von anderen weniger. Ein Personenverzeichnis am Beginn des Buches hätte ich für hilfreich empfunden, denn es gab jede Menge Figuren. Und hierzu gibt es auch meinen Kritikpunkt, obwohl die Autorin natürlich nicht auf 400 Seiten allen Personen gerecht werden kann. Manche von ihnen waren zu wenig präsent, um richtig wahrgenommen zu werden oder mir fehlten Anhaltspunkte warum sich diese Figur genauso verhalten hat, wie sie es tat. Auch kleinere Zeitsprünge mitten in der Geschichte verwirrten mich manches Mal.
Trotzdem ist dieser Auftaktband gelungen und konnte mich überzeugen. Die Fortsetzung wird auf jeden Fall gelesen.

Schreibstil:
Der Schreibstil ist fesselnd, bildhaft und lebendig. Die Landschaft und das Gut werden sehr atmosphärisch beschrieben. Ich hatte eine Szenerie vor Augen und konnte mit den Figuren mitfiebern. Die Geschichte wird aus verschiedenen Sichtweisen erzählt, was das Ganze spannender macht.

Fazit:
Ein interessanter Auftakt einer Familiensaga, die ich auf jeden Fall weiter verfolgen werde. Ich bin gespannt, wie es mit den Frauen vom Gut Falkensee weitergehen wird. Band Eins hat mir gut gefallen, hat aber noch etwas Luft nach oben.

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