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Veröffentlicht am 03.05.2020

Konnte mich leider nicht abholen

Das Haus der Frauen
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Laetitia Colombanis Debütroman "Der Zopf" war 2018 ein absolut gehyptes Buch, das ich letztes Jahr gelesen habe und das mir ebenfalls sehr gut gefallen hat. Besonders der Strang aus Indien hat mich mitgenommen ...

Laetitia Colombanis Debütroman "Der Zopf" war 2018 ein absolut gehyptes Buch, das ich letztes Jahr gelesen habe und das mir ebenfalls sehr gut gefallen hat. Besonders der Strang aus Indien hat mich mitgenommen und ist mir bis heute im Gedächtnis geblieben.

Nun ist das zweite Buch der Autorin erschienen und natürlich stellt jedermann Vergleiche zum Zopf an, was nicht wirklich optimal ist. Diese Geschichte ist eine andere und ich muss zugeben, dass auch sie mich nicht wirklich abholen konnte.

Der Roman beginnt vielversprechend und ich konnte mich sehr schnell in die Geschichte einfühlen, was sich aber leider nicht fortsetzte.

Wir haben diesmal zwei Zeitstränge. In der Gegenwart lernen wir die Anwältin Solène kennen. Sie gerät in eine Lebenskrise, als sich einer ihrer Mandaten aus dem Fenster stürzt. Ihre Beziehung ist ebenfalls vor kurzem zerbrochen, woran sie noch immer zu knabbern hat. Sie steigt aus dem Berufsleben aus und versucht ihr Leben irgendwie wieder auf die Reihe zu bekommen. Ihr Therapeut legt ihr ans Herz sich sozial zu engagieren, um ihre eigenen Probleme hintenanzustellen. Sie bewirbt sich als öffentliche Schreiberin und geht daraufhin einmal in der Woche in ein Wohnheim für Frauen, wo sie amtliche Briefe aufsetzt und den Bewohnerinnen beim Umgang mit Behörden hilft. Dort lernt sie Frauen aus unterschiedlichen Ländern und Schichten kennen, deren persönliche Schicksale sie nach und nach kennen lernt und die sie sehr berühren. Und auch zur Geschichte des Hauses erfährt sie Näheres....

Im Vergangenheitsstrang erfahren wir mehr über das Leben von Blanche Peyron, der Gründerin des Hauses für Frauen in Not. Ihr Lebenslauf ist ungewöhnlich. Sie hat sich schon in jungen Jahren der Heilsarmee verschrieben und kämpft gegen die soziale Ungerechtigkeit. Blanche und ihr Mann gelingt dabei Unglaubliches. Obwohl die Heilsarmee in Frankreich beschimpft und belächelt wurde, bringt sie ein Umdenken zustande und gründet eines der größten europäisches Frauenhäuser.

Laetitia Colombani fand das Lebenswerk von Blanche Peyron, die sich Mitte der 1920iger Jahre für obdachlose Frauen einsetzte, bemerkenswert und hat ihren Roman dieser unglaublichen Frau gewidmet. Jedoch fand ich ihre, bis fast zur Selbstzerstörung betriebene Mission, nicht so heldenhaft, wie es sich die Autorin wohl gewünscht hat. Ich konnte leider zu Blanche kaum eine Bindung herstellen. Colombani erzählt ihre Geschichte eher sachlich, wie einen Lebenslauf . Die löste bei mir kaum Emotionen aus. Unverständlich war mir auch, dass sie sechs Kinder zur Welt gebracht hat, aber ihr Engagement nur der Heilsarmee galt. Im Buch wurden ihre Kinder nicht einmal namentlich erwähnt bzw. zwei oder drei am Ende bei der großen Eröffnungsfeier des Palastes für die Frauen.

Den Gegenwartsstrang fand ich emotionaler. Aber auch hier kamen mir die einzelnen Schicksale der Frauen, die im Frauenhaus näher beleuchtet wurden, zu kurz. Einige davon werden angerissen, aber der eigentliche Charakter vieler Frauen blieb auf der Strecke. Ich litt zwar mit ihnen mit, lernte sie aber nicht wirklich kennen. Solène ist eine typische Frau aus der Oberschicht, die sich keine Gedanken über ihr Einkommen machen muss und hier auf Schicksale trifft, die sie berühren und die ihrem Leben wieder ein bisschen Sinn geben.

Ich bin sehr schnell durch die Geschichte gekommen, aber ob sie einen bleibenden Eindruck hinterlassen wird? Ich bin mir da nicht so wirklich sicher...obwohl auch "Der Zopf" bei mir erst später so richtig nachhallte, als direkt nach dem Lesen. Trotzdem war ich damals beim Lesen von der Geschichte von Smita vollkommen eingetaucht und fühlte mit ihr mit...das fehlte mir hier eindeutig. Für mich kommt "Das Haus der Frauen" nicht an Laetitia Colombanis Debütroman heran. Schade!


Schreibstil:
Laetitia Colombanis Schreibstil fand ich in diesem Roman etwas nüchterner und war mir diesmal fast zu sachlich. Mir fehlte es an Emotionen und Tiefe. Die oftmals sachliche Beschreibung, vorallem im Vergangenheitsstrang, konnte mich nur mäßig packen. Das ist schade, denn das Plädoyer für Solidarität und mutige Frauen, dem sich die Autorin hier angenommen hat, ist ein wichtiges Thema.


Fazit:
"Das Haus der Frauen" kommt leider nicht an "Der Zopf", den Debütroman der Autorin heran, hat aber einen interessanten Plot. Trotzdem konnte mich die Geschichte von Blanche und Solène nicht richtig abholen. Deswegen vergebe ich diesmal nur 3 Sterne....

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Veröffentlicht am 30.04.2020

Für mich der bisher schwächste Band

Letzter Jodler
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Wir sind zurück im Ausseer Land und diesmal wird es musikalisch. Darauf habe ich mich besonders gefreut, denn ich liebe Bücher, bei denen sich einiges um das Thema Musik dreht.
Hier ist sie durch die Krimihandlung ...

Wir sind zurück im Ausseer Land und diesmal wird es musikalisch. Darauf habe ich mich besonders gefreut, denn ich liebe Bücher, bei denen sich einiges um das Thema Musik dreht.
Hier ist sie durch die Krimihandlung zwar nicht Hauptthema, aber gut mit der Geschichte verwoben.
Alljährlich am 15. August wird auf der Weißenbachalm in Bad Aussee der Pfeifertag abgehalten. An diesem Tag wird die Volksmusik hochgehalten. Gasperlmaier und sein Freund Friedrich Kahlß sind ebenfalls auf der Alm, um sich neben der Musik auch zu stärken, als er einen Schrei hört. Einer der Musiker von den Kainischen Hasenjägern, die bei vielen anderen Musikern zu Unmut führten, weil sie gegen die Bestimmungen verstoßen haben und einen Verstärker dabei haben, liegt erschlagen am Waldrand. Die traditionelle Volksmusikveranstaltung hat sich bisher streng von den sogenannten Volks-Musikanten abgegrenzt. Der Mord am Mitglied der Hasenjäger bringt somit gleich doppelte Aufregung. Verdächtige gibt es genug und der Gasperlmaier hat jede Menge zu tun. Dabei ist der Franz sowieso schon ziemlich fertig, denn die Christine hat sich ein Sabbatical-Jahr genommen und ist alleine auf Weltreise gegangen. Als ein weiterer Musiker der Hasenjäger tot aufgefunden wird, brennt der Hut! Mit geballter Frauenpower unter der Regie von Doktor Kohlross und der Manuela hat der Gasperlmaier diesmal eher den Kürzeren gezogen...

Gewohnt humorvoll, mit Gemütlichkeit und viel Lokalkolorit, sowie den gewohnten Besuchen in der Gastwirtschaft auf ein Bier und ein Gulasch, erzählt Herbert Dutzler in seinem achten Regionalkrimi über das Musikgeschäft und dem Unterschied zwischen Volksmusik und kommerzieller volkstümlicher Musik. Dabei geht es oft rauh zu und es können auch die Fäuste fliegen. Davon kann auch der Franz bald ein Lied singen.

Die Charaktere sind wieder sehr gelungen ausgearbeitet und überspitzt, aber authentisch dargestellt. Das Musikgeschäft und der Clinch zwischen den Volksmusikanten und Musikern der volkstümlichen Musik wird vom Autor gut und erkennbar aufgezeigt. Der Franz lässt sich von der hübschen Nicole von den Kainizer Hasenjägern und der Andreva, seinem Idol von den Ödenseern, all zu schnell einlullen. Aber auch die Manuela hat diesmal die rosarote Brille auf und darf wegen Befangenheit nicht weiter ermitteln.

Bei "Letzter Jodler" war mir der Weg zum Ziel zu lang. Im Mittelteil fehlte es mir an Spannung. Franz Gejammere wegen Christine's Sabbatical war nach der zehnten Wiederholung angekommen und auch nicht mehr lustig. Sicherlich ist der Franz ein etwas anderer Zeitgenosse, fast ein "Hascherl", wie wir in Österreich sagen, der alleine nicht viel auf die Reihe bekommt. Er ist kein Macher, sondern er braucht immer jemand, der ihm sagt wo es langgeht. Das macht ihn zwar zu einem liebenwerten, aber auch öfters mal nervenden Mannsbild. Als Kenner der Reihe wissen wir aber auch um sein Manko. Trotzdem hat er bei mir diesmal ein paar Pluspunkte verloren...wer das Buch liest, weiß sicher was ich meine. Lieber Herbert Dutzler...passt das zum Gasperlmaier? Musste das sein? Ich bin auf jeden Fall gespannt, was sich daraus im nächsten Band entwickeln wird....denn weiterlesen werde ich trotzdem, auch wenn mich dieser achte Band alles andere als umgehauen hat.

Fazit:
Für mich leider einer der schlechteren Bücher der Reihe. Zu viele Längen und Drumherum bis die Ermittlungen endlich Fortschritte zeigten. Auch der Gasperlmaier hat bei mir einige Sympathiepunkte verloren, aber das ist eine andere Geschichte. Ich werde auch den nächsten Band lesen, hoffe aber auf eine weniger flache Geschichte.

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Veröffentlicht am 28.04.2020

Must Read gegen das Vergessen

Die Unwerten
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Ein "Must Read" war der Roman "Die Unwerten" von Volker Dützer für mich, der sich in seinem neuen Roman mit dem Thema Euthanasie während des Zweiten Weltkrieges auseinandersetzt. Ein absolut schwieriges ...

Ein "Must Read" war der Roman "Die Unwerten" von Volker Dützer für mich, der sich in seinem neuen Roman mit dem Thema Euthanasie während des Zweiten Weltkrieges auseinandersetzt. Ein absolut schwieriges Thema, welches der Autor sehr gut gelöst und einen spannenden Roman geschrieben hat, den ich gerne weiterempfehle.

Wir schreiben das Jahr 1939, Hannah Bloch ist 14 Jahre alt und Halbjüdin. Als sie in der Schule einen epileptischen Anfall erleidet, ist es die perfekte Gelegenheit für ihren nationalistisch eingestellten Mathematiklehrer Pilz Hannah zu melden. Schon länger ist ihm die Halbjüdin ein Dorn im Auge. So geraten Hannah und ihre Mutter ins Visier von Dr. Joachim Lubeck, der zuerst von der Schönheit von Hannahs Mutter Malisha geblendet ist. Er bietet ihr an beide zu verschonen, wenn sie seine Geliebte wird. Malisha lehnt ab und kommt ins Gefängnis. Lubeck ist in seiner Ehre gekränkt und schwört sie und Hannah zu zerstören. Er lässt Malisha foltern und schickt Hannah ins Irrenhaus. Hannah gerät in die Fänge der Aktion T4. Für sie beginnt eine Odysee, die sie auf ihren weiteren Lebensweg oftmals Dinge erleben lassen, die jeden Menschen an seine Grenzen bringt.

Der junge Psychiater steckt voller Zweifel und versucht in der in der NS-Maschinerie nach oben zu kommen. Anfangs noch mit Skrupel behaftet, wird er einer der Ausführer der Aktion T4. (eine nach 1945 gebräuchlich gewordene Bezeichnung für die systematische Ermordung von mehr als 70.000 Menschen mit körperlichen, geistigen und seelischen Behinderungen in Deutschland von 1940 bis 1941 unter Leitung der Zentraldienststelle T4) Lubeck wird Herr über Leben und Tod aller Personen, die für die Nazis unwertes Leben bedeuten. Geschickt webt Dützer diese historischen Fakten in seinem Roman mit ein.

Ich war an die Geschichte gefesselt und konnte nicht glauben, welche Grausamkeiten sich die SS und die Gestapo immer wieder einfallen ließ. Obwohl ich schon sehr viele Bücher zu diesem Thema gelesen habe, gab es auch in "Die Unwerten" wieder erschreckend neue Erkenntnisse, die mich immer wieder davon überzeugen, dass diese Zeit einfach nicht vergessen werden darf! Mir war zum Beispiel nicht bekannt, dass auch die eigenen Wehrmachtsoldaten, die traumatiert im Lazarett lagen, ebenfalls als "unwertes Leben" angesehen wurden und demselben System unterzogen wurden.

Obwohl Lubeck hier einer der Bösewichte ist, ist seine Figur großartig ausgearbeitet worden. Seine Wandlung vom Mitläufer zum überzeugten Fanatiker wird glaubwürdig dargestellt. Generell wirken alle Charaktere sehr authentisch und detailliert gezeichnet. Hannah ist ein sehr starkes und intelligentes Mädchen, das unendliches Leid erfahren muss und trotzdem nie die Hoffnung aufgibt.
Der fesselnde, mitreißende und lebhafte Schreibstil hat mich durch das Buch getragen.

Der letzte Abschnitt hat dann leider meine euphorische 5 Sterne Bewertung runtergeschraubt. Zu actionreich, zu viele Zufälle, die die Ereignisse teilweise für mich unglaubwürdig wirken lassen. Schade! Für mich hätte es sonst großartige 5 Sterne gegeben, so aber muss ich auf 4 abrunden.
Es wird einen Nachfolgeband geben, den ich auf jeden Fall auch lesen möchte, denn bis auf den letzten Abschnitt hat mich dieser historischer Roman vollkommen überzeugt.

In einem ausführlichen Nachwort geht der Autor auf seine Idee, die Umsetzung und seine Recherche zum Thema Euthanasie ein, die ihn selbst oftmals an seine Grenzen gebracht hat. Dützer hat großartig recherchiert und mit "Die Unwerten" eine bewegende Geschichte erzählt. Er zeigt auf, dass man auch zu diesem dunklen Thema einen Roman ohne erhobenen Zeigefinger schreiben kann, welches für viele unmöglich erscheint. Hut ab, Herr Dützer!

Fazit:
Ein fesselnder und lesenwerter Roman, der sich den dunkelsten Kapiteln der deutschen Geschichte widmet und vom Autor grandios umgesetzt wurde. Einzig das Ende war mir von zu vielen Zufällen geprägt. Bis dahin hat mich der Roman allerdings vollkommen überzeugt und ich gebe gerne eine Leseempfehlung!

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Veröffentlicht am 25.04.2020

Auch Teil 2 wird zum Jahres-Highlight

Neuleben
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Mein erster Roman 2020 mit dem Prädikat "Lieblingsbuch-Status" und das zweite Buch der Autorin, welches dieses von mir erhält. Denn auch der erste Band "Zwei Handvoll Leben" hat von mir vor einem Jahr ...

Mein erster Roman 2020 mit dem Prädikat "Lieblingsbuch-Status" und das zweite Buch der Autorin, welches dieses von mir erhält. Denn auch der erste Band "Zwei Handvoll Leben" hat von mir vor einem Jahr diese Auszeichnung bekommen.

Katharina Fuchs führt ihre Familiengeschichte nun mit ihrer Tante Therese und ihrer Mutter Gisela fort, nachdem wir in "Zwei Handvoll Leben" ihre Großmütter begleiten durften.
In "Neuleben" befinden wir uns in der Nachkriegszeit und verfolgen zwei berührende Frauenschicksale, die sich dem Frauenbild der damaligen Zeit widersetzen und sich nicht nur Ehemann, Kinder und Küche widmen möchten.

Therese's Schicksal als Kind und junge Frau hat mich bereits im ersten Teil sehr berührt. Als Folge einer schweren Ohrenentzündung, die sie fast mit dem Leben bezahlt hat, sowie einer falschen Behandlung, bleibt ihr Gesicht schief. Während des Zweiten Weltkrieges nur knapp der Euthanasie entkommen, steht sie nun vor der nächsten Hürde. Als Tochter eines Wehrmachtsoffiziers und einer Großgrundbesitzerin darf sie in der neu gegründeten DDR nicht Jura studieren. Noch ist es möglich in den Westen zu gehen. Deshalb zieht sie zu ihrem leiblichen Vater Leonhard nach West Berlin. Als eine von nur zwei Frauen wird sie sowohl von den Kommilitonen, als auch von einigen Professoren schikaniert und immer wieder bloßgestellt. Zusätzlich ist sie keine Schönheit und kleidet sich eher hausbacken, um nicht aufzufallen. Doch Therese brennt für ihren Wunsch Richterin zu werden und gibt nicht so schnell auf.
Auch ihre Schwägerin Gisela hat nach der Hochzeit mit Therese Bruder Felix eigene Pläne. Die hübsche und modebewusste junge Frau hat das Talent ihrer Mutter Anna geerbt. Sie schneidert für ihr Leben gern und möchte selbstentworfene Kleider in einem großen Kaufhaus herstellen. Für Frauen zu dieser Zeit alles andere als selbstverständlich. Als Ehefrau hatte man sich den Kindern und dem Ehemann zu widmen, der das Geld nach Hause brachte. Wollte man arbeiten gehen, benötigte man die Unterschrift und das Einverständis des Ehemannes. Etwas, was ich heute einfach unvorstellbar finde!
Aber auch die Männer haben ihren Rucksack zu tragen. Viele kamen traumatisiert oder als Invalde aus dem Krieg zurück und versuchen nun wieder Fuß zu fassen, was nicht jedem gelingt.

Katharina Fuchs hat das Feeling dieser Zeit wunderbar einfangen. Der langsame Aufschwung und die harte Realität durch die Teilung Deutschlands, wird mit viel Herzblut erzählt. Als Österreicherin, und in den späten Sechziger Jahren geboren, war für mich die DDR einfach Fakt. Wie es so richtig dazu gekommen ist, haben wir in der Schule nie gelernt. Ich hatte zwar damals eine Brieffreundin aus Ostdeutschland und hatte oftmals geschwärzte Zeilen in den Briefen, doch wie es damals zu der Teilung kam, wusste ich nicht so genau. Niemand hätte gedacht, dass es plötzlich eine Mauer mitten durch Berlin geben und auch keiner, dass diese erst Ende 1989 wieder verschwinden wird.
Aber auch bestimmte Momente aus dieser Zeit, wie das WM-Finale in Bern 1954, geben dem Roman zusätzliche Authentizität.

Schreibstil und Charaktere:
Der Schreibstil von Katharina Fuchs hat einfach alles, was mich an eine Geschichte fesselt. Er ist lebendig, einfühlsam, bildhaft und atmosphärisch.
Die Figuren sind Menschen, wie du und ich, und zeigen doch viel Persönlichkeit und Stärke. Obwohl die Autorin hier über ihre Tante und ihre Mutter schreibt, muss es nicht automatisch heißen, dass die Figuren auch berühren und authentisch dargestellt werden. Es gehört eine Portion Gefühl und vorallem Schreibkunst dazu, dass man die Charaktere so transportieren kann, dass sie auch den Leser mitreißen und bewegen. Außerdem erscheint es mir nicht einfach, die geheimsten Wünsche und Hoffnungen der eigenen Eltern niederzuschreiben.

Fazit:
Auch "Neuleben" konnte mich genauso überzeugen, wie bereits der erste Band der Autorin "Zwei Handvoll Leben". Hier wurde Zeitgeschichte, basierend auf der eigenen Familiengeschichte, grandios umgesetzt. Ein Roman, der alles beinhaltet, was man sich als Leser wünscht. Ein Buch, das mich gefesselt und sehr berührt hat.
Für mich ein Lese-Highlight in diesem Jahr. Der Roman reiht sich in die Reihe meiner wenigen Bücher ein, die das Prädikat ♥♥♥ Lieblingsbuch-Status ♥♥♥ erhalten. Absolute Leseempfehlung! (aber vorher Band Eins lesen!!)

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Veröffentlicht am 24.04.2020

Cold case aus Norwegen

Wisting und der Tag der Vermissten
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Es war wieder einmal Zeit für einen skandinavischen Krimi/Thriller. "Wisting und der Tag der Vermissten" ist mir auf einigen Blogs aufgefallen und deswegen habe ich das Buch aus meiner Bücherei mitgenommen. ...

Es war wieder einmal Zeit für einen skandinavischen Krimi/Thriller. "Wisting und der Tag der Vermissten" ist mir auf einigen Blogs aufgefallen und deswegen habe ich das Buch aus meiner Bücherei mitgenommen. Das war schon vor der Coronakrise...aber manchmal dauert es eben bis die Rezension auf meinem Blog auch dazu geschrieben ist.

Cold Cases werden in diesem Genre immer beliebter seit Jussi Adler-Olssen seine Bestseller rund um das Dezernat Q zu schreiben begonnen hat. Hier haben wir es aber mit keinem richtigen Team zu tun, sondern mit einem Kommissar, der seit 24 Jahren versucht einen seiner alten Fälle doch noch aufzuklären.

Damals verschwand die gebürtige Österreicherin Katharina Haugen spurlos. Hinterlassen hat sie einen gepackten Koffer, einen verblühten Rosenstrauß und einen Zettel mit komischen Zeichen und Zahlencodes.

Jedes Jahr fährt William Wisting am Jahrestag des Verschwindens Richtung Norden, um Martin Haugen zu treffen, dem Ehemann der damaligen Vermissten. Dieses Jahr bekommt Wisting Hilfe, denn der aus Oslo angereiste junge Ermittler Adrian Stiller ist bei einem weiteren Vermisstenfall über die DNA-Spuren von Martin Haugen gestolpert und setzt Wisting auf den Mann an. Wie jedes Mal fährt er am Jahrestag zu ihm, doch diesmal ist Haugen nicht anwesend und auch telefonisch nicht erreichbar. Gleichzeitig versucht Stiller, ohne Wissen von Wisting, dessen Tochter Line ebenfalls auf die beiden Kriminalfälle anzusetzen. Die Journalistin, die sich in Karenz befindet und gerne wieder arbeiten möchte, greift sofort zu. Die Polizei versucht mit Hilfe von neuen Zeitungsartikeln und Podcasts die Menschen an die Fälle zu erinnern und eventuell neue Spuren zu finden. Line, Wisting und Stiller versuchen Ähnlichkeiten in den beiden Mordfällen zu finden und dem Täter auf die Spur zu kommen...

Die ersten hundert Seiten fand ich sehr interessant. Wisting ist ein authentischer und eher ruhiger Ermittler, der immer zum Kern der Sache kommt. Die Polizeiarbeit wird realistisch dargestellt und nimmt viel Platz ein. Seine Tochter Line blieb mir fast ein bisschen zu blass und Stiller hatte etwas geheimnisvolles, undurchschaubares. Er kam mir sehr ehrgeizig und auch mediengeil vor. Obwohl es auch viele private Einblicke in Wistings Familie gibt, fehlte mir trotzdem ein bisschen die Nähe zu den Figuren.

Die Geschichte fand ich eher gemächlich. Sie wird aus der Sicht von Wisting, aber auch aus der Perspektive seiner Tochter Line erzählt. Als Leser rätselt man von Anfang an mit und leider habe ich sehr bald durchschaut, wer der Täter ist. Ich habe wohl wirklich einfach schon zu viele Thriller gelesen.

Für mich war die Spannung nur teilweise vorhanden....zu Beginn und dann am Ende, als die Geschichte richtig Fahrt aufnimmt. Ob ich weiter lesen werde, kann ich noch nicht sagen, denke aber eher nicht...da gibt es wesentlich spannendere Thriller-Reihen, die ich noch weiterlesen möchte.

Schreibstil:
Jørn Lier Horst schreibt ruhig und anschaulich, oftmals detailliert und bildhaft. Die Kapitel sind kurz gehalten, das Tempo eher gemächlich. Die Beschreibung der norwegischen Landschaft im Herbst wird sehr lebendig und bildhaft dargestellt. Man spürt bereits die nahende Ankunft des Winters und der nebeligen Tage, die der Geschichte eine tolle Atmosphäre geben.

Fazit:
Ein Thrillerauftakt, der mich nicht ganz überzeugen konnte. Sehr ruhig und atmosphärisch, aber leider zu schnell durchschaubar. Ein interessanter Cold Case, den ich gern gelesen habe. Trotzdem werde ich wahrscheinlich die Reihe nicht weiter verfolgen.

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