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Veröffentlicht am 11.10.2019

Breite deine Flügel aus und flieg...

Wenn Schmetterlinge fliegen lernen
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"Wenn Schmetterlinge fliegen lernen" ist mein zweites Buch der Autorin und konnte mich noch mehr begeistern als ihr Debütroman "Wie Nebel in der Sonne". Die geborene Schweizerin, die auf Mallorca lebt, ...

"Wenn Schmetterlinge fliegen lernen" ist mein zweites Buch der Autorin und konnte mich noch mehr begeistern als ihr Debütroman "Wie Nebel in der Sonne". Die geborene Schweizerin, die auf Mallorca lebt, hat einen ausgesprochenen bildhaften und ausdrucksstarken Schreibstil.
Astrid Töpfers neuer Roman punktet nicht nur mit einem traumhaften Cover, sondern auch mit emotionalen und vielschichtigen Inhalt.

Olivia ist eine junge Frau, die bereits einige Schicksalsschläge hinter sich hat. Ihre Eltern, beides Wissenschafler, sind gestorben, als sie noch ein Kind war. Olivia ist bei ihren strengen und lieblosen Großeltern in Zürich aufgewachsen. Als sie volljährig ist, verlässt sie die Schweiz und will ihr altes Leben hinter sich lassen. Niemand und nichts hält sie mehr in der alten Heimat. Rastlos reist sie durch die Weltgeschichte. Schlussendlich landet sie in Ägypten, wo sie Rashida kennenlernt, die zu ihrer "Seelenfreundin" wird. Als sich ihre Großmutter immer mehr in ihrer eigenen Welt einer Demenzkranken verliert, wird Olivia von dessen Haushälterin und Freundin Marie gebeten nach Zurück zurückzukommen und sich mit ihrer Großmutter auszusöhnen. Auch Rashida spricht ihr ins Gewissen und es kommt zu einem Streit, der eine weitere Tragödie in Olivias Leben auslöst. Daraufhin kehrt sie nach Zürich zurück, doch so einfach ist es nicht sich den Schatten der Vergangenheit zu stellen. Als sie auf Tom trifft, ihren Freund aus Kindheitstagen, und sich ein früherer Assistent ihrer Eltern bei ihr meldet, der sie zum Unfalltod ihrer Eltern interviewen möchte, bleibt ihr nichts anderes übrig, als ihrem Gedächtnis auf die Sprünge zu helfen....

Olivia ist nach außen hin eine selbstbewusste junge Frau, die das Abenteuer sucht. Sie liebt das Meer und das Tauchen und möchte der kalten Schweiz am liebsten sofort wieder den Rücken kehren. Zürich sollte nur eine kurze Etappe sein. Doch innen drinnen weiß sie, dass sie sich endlich der Vergangenheit stellen muss. Olivia hat damals ihre Eltern begleitet, als sie bei einer wissenschaftlichen Reise in Nicaragua ums Lebens kamen. Sie ist seitdem traumatisiert und kann sich an nichts erinnen. Ihre Bindungsangst und ihre Zwänge, wie auch ihre unnahbare und spröde Art, machen es ihr schwer. Olivia ist gefangen in ihren Ängsten und doch innen drinnen zart und zerbrechlich. Auch ihrem Sandkastenfreund Tom gelingt es nicht gänzlich. Außerdem hat er auch so seine Geheimnisse. Seine Schwester Valerie bemüht sich hingegen gar nicht ihre Abneigung Olivia gegenüber zu verheimlichen. Und dann ist noch der etwas kautzige André Edelmann, der früherer Assistent ihrer Eltern, der unbedingt das Geheimnis des seltenen Schmetterlinges wissen möchte, dem ihre Eltern damals auf der Spur waren.
Nach und nach werden die Erlebnisse aus der Vergangenheit, sowohl bei Olivia, als auch bei Erika offenbart. Der Titel des Romans ist gut gewählt, denn es dauert lange bis Olivia ihren Kokon verlässt und ihre Flügel ausbreitet....

Was anfangs noch ein Roman über Trauerbewältung und eine Reise zu sich selbst ist, wandelt sich am Ende zu einer spannenden Stalkergeschichte, wobei sich aber die Themen nicht im Wege stehen, sondern ergänzen.

Schreibstil:
Astrid Töpfner schreibt ausdrucksstark, flüssig und gefühlvoll. Man fliegt förmlich durch die Seiten und fühlt sich den Figuren eng verbunden. Mit viel Empathie und Gefühl beschreibt Astrid Töpfner ihre Charaktere, die allesamt Ecken und Kanten haben. Auch die Alzheimer Erkrankung von Großmutter Erika wird authentisch vermittelt. Die anfangs immer abwechselnden lichten und dunklen Tage dieser Krankheit, deren Zeuge ich selbst wurde, sind einfach erschreckend.
Die Landschaftsbeschreibungen sind lebendig und anschaulich.

Fazit:
Nicht nur ein tiefgründiger Roman mit einigen überraschenden Wendungen, sondern auch ein toller Mix aus Spannung und Unterhaltung, wobei die Aufarbeitung eines Traumas und die Suche nach sich selbst im Vordergrund steht. Durch den lockeren und lebendigen Schreibstil fliegt man durch die Geschichte und erlebt ein wahres Auf und Ab an Gefühlen. Ich fand es wunderbar!

Veröffentlicht am 08.10.2019

Grandioser zweiter Teil

Die Schwestern vom Ku'damm: Wunderbare Zeiten
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Nach dem ersten Band rund um die Thalheim Schwestern, der während des Zweiten Weltkrieges spielte, befinden wir uns nun im zweiten Teil in der Nachkriegszeit in Berlin 1952. Es sind die Jahre des Aufschwungs ...

Nach dem ersten Band rund um die Thalheim Schwestern, der während des Zweiten Weltkrieges spielte, befinden wir uns nun im zweiten Teil in der Nachkriegszeit in Berlin 1952. Es sind die Jahre des Aufschwungs und des Wiederaufbaus, aber auch die Jahre, die die Spaltung des Landes vorantreiben.
Das Kaufhaus Thalheim ist wieder eines der führenden Modegeschäfte Berlins. Rike ist bemüht alles weiterhin am Laufen zu halten und kümmert sich neben ihrer Familie auch um die neuersten Modeerscheinungen. Doch als Oskar aus der Kriegsgefangenschaft zurückkehrt, übergibt Friedrich Thalheim seinem Sohn die Geschäftsführung und missachtet Rikes jahrelanger Bemühungen das Kaufhaus zu halten. Oskar hingegen interessiert sich kaum für die Geschäfte und feiert lieber die Nächte durch.

Diesmal steht Silvie im Mittelpunkt. Während ich sie im ersten Band als eher flatterhaft und noch sehr unreif empfand, wuchs sie mir in "Wunderbare Jahre" richtig ans Herz. Sie ist selbstbewusst, erfolgreich und steht mit beiden Beinen im Leben. Ihre Karriere als Rundfunkredakteurin bei RIAS bekommt mit ihrer neuen Sendung "Stimmen" einen Höhenflug. Als Rike sie bittet sich ebenfalls im Kaufhaus zu engagieren und mitzuarbeiten steht Silvie vor einer schwierigen Entscheidung. Lässt sich ihr Engagement beim Radio mit dem Kaufhaus verbinden? Und wie wird ihre weitere Zukunft aussehen? Silvie möchte weiterhin ihr Leben genießen, denn auch bei ihr hat der Krieg Spuren hinterlassen. Auf der anderen Seite fühlt sie sich Oskar und der Familie sehr verbunden. Immer wieder geht ihr der Satz "Kein Mann, kein Haus, kein Kind" im Kopf herum, als ihr dreißigster Geburtstag immer näher rückt. Die große Liebe...wo bleibt sie?
Und während der wirtschaftliche Aufschwung vorangeht, gibt es im Hause Thalheim viele Turbulenzen und Schicksalsschläge zu verkraften...
Oskar ist schwer traumatisiert, Rike reibt sich zwischen Familie und Arbeit auf und Nesthäkchen Florentine lädt der Familie zusätzliche Probleme auf. Sie rebelliert auf ganzer Linie. Silvie versucht zu vermitteln und wächst immer mehr an ihren Aufgaben.

Die historischen Begebenheiten, vorallem die politischen Veränderungen zwischen Ost und West, hat die Autorin wieder wunderbar eingefangen. Während ich schon sehr viele Romane gelesen habe, die zur Zeit der beiden Weltkriege spielen, waren es erst wenige, die sich mit der Nachkriegszeit in Deutschland beschäftigen. Als Österreicherin und zu dieser Zeit noch nicht geboren, bekam ich diese Epoche der Spaltung Deutschlands nicht wirklich mit. Deswegen ist es umso interessanter mehr über diesen Zeitraum zu erfahren. Aber nicht nur die politischen Veränderungen, wie der Aufstand in Ungarn, werden in die Geschichte miteingebaut, sondern auch kulturelle und wirtschaftliche Ereignisse. Die neuartigen Musikrichtungen aus den USA, wie der Swing, Jazz, Blues und der Rock'n'Roll werden in Deutschland immer heimischer. Aber auch historische Personen spielen eine Rolle. Man begegnet Grace Kelly, Billy Wilder, Hildegard Knef, Marilyn Monroe und erlebt das Wunder von Bern hautnah mit. Ebenso findet die Frankfurter Buchmesse in einigen Kapiteln Platz.

Die Charaktere sind wunderbar authentisch und facettenreich. Ich lebte und fühlte mit jeder Figur mit, auch wenn ich sie nicht mochte oder verstehen konnte. Ich hatte jede vor Augen und fieberte den nächsten Ereignissen entgegen.
Mich hat der zweite Band dieser Trilogie vollkommen überzeugt und ich freue mich auf die finale Geschichte der Thalheim-Schwestern, in denen Florentine unsere Hauptprotagonistin ssein wird.

Schreibstil:
Der Schreibstil der Autorin hat mich wieder völlig in den Bann gezogen. Er ist ausdrucksstark und lebendig, bildhaft und ich fühlte mich mittendrin in der Zeit, in der der Roman spielt. Der Spannungsbogen steigt zum Ende hin kontinuierlich an und ich konnte das Buch kaum aus der Hand legen.
Am Ende findet man eine Zeittabelle mit den wichtigsten zeitgeschichtlichen Informationen Berlin's von 1952 - 1957.

Fazit:
Ein grandioser zweiter Teil um die Thalheim-Schwestern, der meiner Meinung nach dem ersten Band überflügelt und mich komplett überzeugt hat. Zahlreiche Wendungen und ein sehr spannendes letztes Drittel ließen mich das Buch kaum aus der Hand legen! Ich empfehle diese Reihe wirklich gerne weiter und freue mich schon auf den finalen Band.

Veröffentlicht am 07.10.2019

Bleibt in Erinnerung

Luzies Erbe
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Dieser Generationenroman basiert teilweise auf wahren Begebenheiten der Familie der Autorin.
Als Luzie Mazur fast hundertjährig zuhause stirbt, hinterlässt sie nur einen Koffer und viele unbeantwortete ...

Dieser Generationenroman basiert teilweise auf wahren Begebenheiten der Familie der Autorin.
Als Luzie Mazur fast hundertjährig zuhause stirbt, hinterlässt sie nur einen Koffer und viele unbeantwortete Fragen. Ihre Tochter Thea und ihre Enkelin Johanne haben sie die letzten Jahre gepflegt und trotzallem war das Schweigen im Hause übermächtig. Die Mazurs lebten am Rande der Gesellschaft - sie gehörten nicht wirklich dazu. Dieses Gefühl ist bereits seit drei Generationen übermächtig. Dabei war Luzie einst eine fröhliche junge Frau, die gerne lachte und tanzte. Sie war mit August verlobt, als der Zweiten Weltkrieg ausbricht. Und in den kommenden Jahren sollte sich für Luzie alles ändern....

In "Luzies Schweigen" erzählt die Autorin auf zwei Zeitebenen. Diese sind nicht wie üblich voneinander getrennt, sondern springen oftmals unkontrolliert hin und her, was ein konzentriertes Lesen erfordert. Allerdings gewöhnt man sich schnell daran. Rückblicke und Erinnerungen der einzelnen Familienmitglieder ergänzen die Geschichte rund um Luzies Leben und die Nachwirkungen, die sich daraus ergeben haben.

Man hat beim Lesen das Gefühl nicht in der Gegenwart, sondern irgendwann in den 50iger Jahren zu stecken. Die Frauen leben in ärmlichen Verhältnissen und nehmen ihr Schicksal ergeben hin. Nur Helen, die Schwester von Thea ist aus dem "Mazurschen Schweigen" ausgebrochen und hat das Dorf in jungen Jahren verlassen. Enkelin Johanne lässt der Kofferinhalt keine Ruhe und sie beginnt nachzuforschen. Sie will endlich die Vergangenheit abschließen. Dabei stößt sie auf den polnischen Zwangsarbeiter Jurek Mazur, der ihr Großvater und Luzies große Liebe war. Die Rassengesetze der damaligen Zeit erlaubten keine Liebe zwischen einer deutschen Frau und einem Zwangsarbeiter einer minderwertigen Rasse. Trotzdem wurden Luzie und Jurek ein Paar und waren vortan vielen Gefahren ausgesetzt. Harte Arbeit und die unterschwellige Angst machten beiden das Leben schwer. Luzie wird ernst und schweigsam. Nach dem Krieg durften sie endlich heiraten, doch an ihrer Lage änderte sich rein gar nichts. Das Dorf ächtete die junge Familie und in Folge auch ihre Nachfahren. Und Johanne fragt sich: Warum hat Jurek Luzie verlassen?

Die Frauen der Familie sind allesamt ohne Vater aufgewachen und haben eine schwierige Mutter-Tochter-Beziehung, die sich erst bei den Enkelkindern ändert. Ein Krieg, der nicht nur die Generation, die ihn miterleben musste beeinflusste, sondern auch die Kriegskinder und -enkel. Es geht um unerfüllte Träume und Ausgrenzung. Eigene Gefühle sind dabei kaum zulässig, denn jede der drei Frauen versucht mit der mütterlichen Unzulänglichkeit umzugehen. Erst durch Johannes Nachforschungen und durch ihre Tochter Silje wird das Mazurische Schweigen langsam durchbrochen und ein Schicksal, das über Jahrzehnte andauerte, überwunden.

Schreibstil:
Der manchmal poetische und dann wieder nüchterne Schreibstil der Autorin nimmt der Geschichte etwas von der Düsternis und Traurigkeit. Eindringlich beschreibt Helga Bürster die Gefühlswelt der Frauen aus vier Generationen, die nicht aus sich herausgehen können und das Schweigen der Kommunktion gegenüber bevorzugen.
Die plattdeutschen Dialoge geben dem Roman mehr Authentizität und versprüht Lokalkolorit.

Fazit:
Ein nachdenklich machender Roman, der die Auswirkungen des Krieges auf mehrere Generationen einer Familie aufzeigt. Die Geschichte bleibt in Erinnerung und hat mich sehr berührt. Ich gebe gerne eine Leseempfehlung!

Veröffentlicht am 06.10.2019

Ein geheimnisvolles Gemälde

Apfelgelb
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Der nur 176 Seiten lange Roman erzählt die fiktive Geschichte von Jarik de Boer, dem einzigen Sohn eines Schweinebauern, dessen Freund Sander zufällig sein Zeichentalent entdeckt. Jarik versteht nichts ...

Der nur 176 Seiten lange Roman erzählt die fiktive Geschichte von Jarik de Boer, dem einzigen Sohn eines Schweinebauern, dessen Freund Sander zufällig sein Zeichentalent entdeckt. Jarik versteht nichts von Schweinen und hat keinerlei Ambitionen die Schweinezucht seines Vaters zu übernehmen. Er lebt für seine Skizzen und Zeichnungen und verlässt heimlich eines Nachts das Gehöft der Eltern um in Delft sein Glück zu versuchen. Zufällig entdeckt der Maler Joannis van der Meer sein Zeichentalent, als Jarik eine Kohlezeichnung seiner kleinen Tochter Marie anfertigt. Daraufhin nimmt van Meer Jarik als Lehrling zu sich nach Hause und ändert dessen Namen, um von der Malerzunft anerkannt zu werden. In Marie findet er eine kleine Freundin, die seine Leidenschaft für Farben mit ihm und ihren Vater teilt. Jarik unterstützt den berühmten Künstler bei der Fertigstellung seines Gemäldes "Briefleserin am offenen Fenster", das auf dem Buchcover abgebildet ist. Jarik verliebt sich in die schöne Griet, die Modell steht und deren Bildnis ihr Verlobter in Auftrag gegeben hat....

Die Entstehung des Bildes "Briefleserin am offenen Fentser" bildet die Grundgeschichte des Romans. Die nur 176 Seiten sind schnell gelesen. Mit Jarik lernen wir einen jungen Mann kennen, der mit seiner Gabe die falsche Abstammung hat. Der kunstsinnige Junge wühlt nicht gerne im Dreck und müht sich am Bauernhof seines Vaters eher ab. Dieser versteht hingegen die Flausen seines Sohnes nicht. Ein Dilemma, das auch noch heute oftmals vorkommt und von Wiebke Kalläne sehr gut verdeutlicht wird.
Als Leser tauchen wir ein in die Welt der Farben und in ihre damals sehr aufwendige Zusammenstellung. Die Autorin versucht dem Leser diese Liebe zur Malerei, als auch die damalige Zeit in den Niederlanden lebendig zu vermitteln. Das gelingt ihr allerdings nur teilweise.
Sehr störend empfanden wir Leser bei der Leserunde einige Grammatik- und Rechtschreibfehler, was vorallem beim Beruf der Autorin (sie studierte Deutsch und Biologie und unterrichtet als Lehrerin) sehr verwundert. Der Schreibstil ist allerdings angenehm und bildhaft.
Die Stimmung im Roman ist großteils düster gehalten. Sehr oberflächlich fand ich auch die eher plumpe Liebesgeschichte zwischen Griet und Jarik. Mir blieben fast alle Charaktere viel zu blass. Das mag auch an der Kürze des Romans liegen, jedoch waren mir die Figuren auch nicht wirklich sympathisch.
Das Ende ist viel zu abrupt und es bleiben viele Fragen offen. Es gibt keinerlei Erklärungen zum Prolog des Buches, noch zu Jariks weiteren Lebensweg.

Fazit:
Ein eigenwilliger historischer Roman mit einer interessanten Grundidee und einer ansprechenden Gesellschaftsstudie der damaligen Zeit. Bildhaft erzählt, jedoch blieben die Charaktere zu sehr an der Oberfläche und das Ende kam viel zu abrupt. Auch einige Grammtik- und Rechtschreibfehler beeinträchigten das Lesevergnügen....schade!

Veröffentlicht am 04.10.2019

Paris zur Zeit Ludwig XV

Der Geschmack von Schmerz
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Habt ihr schon vom Marquis de Sade gehört? Nein? Dann stellt euch einfach Christian Grey aus "Fifty Shades of Grey" im 18. Jahrhundert vor, nur um einiges geheimnisvoller und gefährlicher. Nicht möglich? ...

Habt ihr schon vom Marquis de Sade gehört? Nein? Dann stellt euch einfach Christian Grey aus "Fifty Shades of Grey" im 18. Jahrhundert vor, nur um einiges geheimnisvoller und gefährlicher. Nicht möglich? Doch! Cornelia Haller hat in ihrem neuem Buch den sehr umstrittenen Marquis de Sade in ihrer Geschichte miteinbezogen und daraus einen etwas anderen historischen Roman geschrieben.

Unsere Hauptprotagonistin Isabeau ist ein aufgewecktes junges Mädchen, ein Wildfang, das nicht viel von Konventionen hält. Sie lebt mit ihren Eltern, die eine Werft besitzen, am Bodensee und sie liebt ihr ungezwungenes Leben. Ihr beste Freundin Anna hingegen träumt von der Ehe und Kinder und ist etwas naiv und leichtgläubig. So glaubt sie auch den Liebeschwüren von Emmerat, dem Sohn des großen Schifffahrtsunternehmen Lorenz. Und genau diesen Mann soll Isabeau nach den Wünschen ihrer Eltern heiraten, um die beiden Firmen zu vereinen. Isabeau weigert sich so vehement, dass sie ihre Eltern für ein Jahr nach Paris schicken. In der französischen Metropole und unter der strengen Aufsicht ihrer Tante soll sie endlich lernen sich damenhaft zu benehmen. Doch kaum in Paris angekommen lernt sie den berühmt berüchtigten und geheimnisvollen Marquis de Sade kennen. Kurze Zeit später trifft sie ihn sogar im Hause ihres Onkels wieder. Dieser gibt gerne für eine etwas illustre Gesellschaft Tarotabende und trifft sich mit Wissenschaftlern eines bestimmten Kreises. Zur selben Zeit passieren grausame Frauenmorde. Den Opfern wurde das Herz entfernt. Polizeiinspektor Luis Marais findet den Marquis mehr als verdächtig, der bekannt für seine sadomasochistische Neigung ist. Für ihn wird de Sade zum persönlichen Todfeind. Schon bald gerät auch Isabeau in seinen Sog und muss um ihren guten Ruf fürchten...

Dies ist mein zweiter historischer Roman der Autorin und doch ist er ganz anders als "Seelenfeuer", der den Hexenwahn zum Thema hatte. Die Autorin hat jedoch auch in ihrem neuen Roman wahre historische Begebenheiten mit ihrer fiktiven Geschichte verknüpft. Mit dem Marquis de Sade hat sie einen sehr interressanten Charakter ausgewählt, der im 18. Jahrhundert "umtriebig" war und als sehr kontroverse Figur in die Geschichte eingegangen ist. Cornelia Haller hat sich dabei ziemlich genau an seine Lebensgeschichte gehalten und auch Inspektor Marais gut charakterisiert, der es sich zur Lebensaufgabe machte den Marquis de Sade ins Gefängnis zu bringen und ihn zu verurteilen. Mit Isabeau haben wir einen eigensinnigen Frauentyp, der sich gegen Konventionen wehrt. Beide lernen wir als Persönlichkeiten ganz gut kennen, wobei bei de Sade der geheimnisvolle Teil noch mehr überwiegt. Der Rest der Figuren bleibt eher an der Oberfläche und einige sind doch etwas stereotyp gezeichnet.

Cornelia Haller hat die Atmosphäre dieser Epoche um Louis den XV. gut eingefangen. Die Dekandenz der Adeligen wird gut rübergebracht und die historische Begebenheiten wurden perfekt recherchiert. Und natürlich gibt es auch einen kleinen Hauch Erotik, wenn Donatien de Sade schon so einen großen Raum im Roman einnimmt. Die Themen Versuchung und Lust sind allgegenwärtig, trotzdem wirkt es nicht billig und vieles wird einfach nur angedeutet....also keine Angst, es ist absolut kein Erotikroman!
Einige Wiederholungen und zu detaillierte Ausfühungen im Mittelteil führten zu einigen kleinen Längen. Mein Verdacht betreffend der Frauenmorde waren ebenfalls richtig und einige Wendungen sind etwas vorhersehbar. Das Ende fand ich gelungen.

Schreibstil:
Der Schreibstil von Cornelia Haller ist flüssig, bildgewaltig und teilweise sehr detailliert. Die Sprache ist der damaligen Zeit angepasst. Die Charaktere sind leider etwas schwarz-weiß gemalt und stereotyp.
Über den jeweiligen Kapitel steht ein Spruch des Marquis de Sade.

Fazit:
Historisch etwas leichtere Lektüre mit einem kleinen Hauch Erotik, Liebe und auch Spannung. Der Roman spiegelt die Atmosphäre der damaligen Zeit wieder und wurde ausgezeichnet recherchiert. Im Vordergrund steht allerdings eher die Liebesgeschichte und die Figuren waren mir manchmal doch etwas zu sterotyp. Trotzdem bereitete mir der neue Roman der Autorin nette Lesestunden.