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Veröffentlicht am 27.08.2019

Glanz und Armut in Berlin der 1920iger

Die schwarze Fee
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Ich liebe historische Krimis, die in der Zeit nach dem ersten Weltkrieg angesiedelt sind. Alex Beer mit ihren Wien-Krimis ist dabei meine absolute Favoritin. Sicherlich fühle ich mich als Österreicherin ...

Ich liebe historische Krimis, die in der Zeit nach dem ersten Weltkrieg angesiedelt sind. Alex Beer mit ihren Wien-Krimis ist dabei meine absolute Favoritin. Sicherlich fühle ich mich als Österreicherin auch in Wien mehr zuhause, als in Berlin. Kerstin Ehmer ist ihr Berliner Pendant, auch wenn sich ihre Schreibstile nicht wirklich ähneln, vermitteln beide Autorinnen diese wunderbare düstere Atmosphäre der Nachkriegsjahre. Man hat einfach das Gefühl mittendrin zu sein...

Allerdings hat es auch beim zweiten Band um Kommissar Ariel Spiro wieder einige Zeit gedauert, bis ich in die Handlung gekommen bin und mich an den wundervollen poetischen Schreibstil der Autorin gewöhnt hatte. Doch sobald man sich in der Geschichte verliert, kann man schwer wieder aufhören zu lesen. Zusätzlich hat Kerstin Ehmer viele verschiedene Figuren zu Wort kommen lassen, die abwechselnd aus ihrer Sicht erzählen. Dabei ist Ariel nicht unbedingt der Mittelpunkt. Trotz der erfolgreichen Aufklärung seines letzten Falles zeigen ihm seine Kollegen nach wie vor die kalte Schultern. Neid und Eifersucht schlagen ihm entgegen.
Als zwei tote Männer gefunden werden, ist es an Ariel ihre Identität festzustellen. Doch das gestaltet sich nicht so einfach, denn keiner kennt sie und niemand scheint sie zu vermissen. Bis Ariel auf eine Spur stößt, die ihm endlich etwas weiterhilft, ist es fast zu spät....

Auch Nike spielt im zweiten Teil wieder eine Rolle. Sie studiert Medizin an der berühmten Berliner Charité und widmet sich gemeinsam mit Anton, einen jungen Sozialdemokraten, den Kranken in den Armenvierteln. Doch eines Tages ist Anton verschwunden und Nike meldet Anton bei Ariel als vermisst. Das Wiedersehen der Beiden ist ziemlich verkampft. Die beiden können nicht mehr wirklich miteinander, aber anscheinend auch nicht ohne...

Kerstin Ehmer hat die Stimmung und Atmosphäre des Berlins in den Zwanziger Jahren wieder grandios eingefangen. Die Stadt ist ein Schmelztiegel unterschiedlicher Nationalitäten. Während sich die einen im Tanzklub amüsieren, dem Absynth zusprechen und der Champagner fließt, lebt der Großteil in beengten Hinterhäusern, hungern und sterben wie die Fliegen. Die Schere zwischen Arm und Reich klafft immer mehr auseinander. Kerstin Ehmer gelingt es wieder ein äußerst authentisches Bild dieser Zeit zu vermitteln.
Dazu kommt noch die gespaltene Gemeinde der Exilrussen. Während die einen darauf hoffen in ihre alte Heimat zurückzukehren und alles wieder beim Alten sein wird, zerfleischen sich die Gegner des ehemaligen Adels in verschiedenen Widerstandsgruppen.

Die Charaktere sind vielschichtig gezeichnet. Die Frauenfiguren sind starke Persönlichkeiten, wobei ich besonders Helene, Antons Mutter, die aus einem der Hinterhäuser im Wedding kommt, besonders hervorheben möchte. Sie tut wirklich alles für ihre Familie.
Nike hat sich im zweiten Teil vom reichen Töchterchen, dem die Herzen der Männer nur so zufliegen, zum Positiven verändert. Sie ist zwar noch immer DER Männerschwarm, jedoch findet sie im Medizinstudium endlich Erfüllung und setzt sich auch für die Armen ein. Ariels Kollegen fallen hingegen ziemlich negativ auf, vorallem der verantwortungslose Hartmuth Bludau. Und Ariel selbst hat sich nicht wirklich verändert...nur die Fettnäpfchen in die er tritt, werden langsam weniger...

Schreibstil:
Kerstin Ehmers Schreibstil ist wirklich etwas ganz Besonderes. Auch wenn ich wieder anfangs ein bisschen Probleme hatte reinzufinden, liest er sich mit der Zeit wunderbar poetisch und lyrisch-sarkastisch. Die Atmosphäre von Berlin in den Zwanziger Jahren wird grandios eingefangen.Und auch ein bisschen HUmor darf in der Düsternis nicht fehlen.

Fazit:
Nachdem ich doch ein bisschen Zeit benötigt habe, um wieder in den poetischen und atmosphärischen Schreibstil einzutauchen, ist man sehr bald wieder mitten im Geschehen und fasziniert von dem damaligen Schmelztiegel Berlin. Neben der Kriminalgeschichte hat Kerstin Ehmer eine grandiose Milieustudie dieser Zeit vorgelegt und einen atmosphärischen historischen Kriminalroman geschrieben, den ich gerne weiterempfehle!

Veröffentlicht am 25.08.2019

Gelungen!

Mordshass
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Mein zweites Buch des Autorenduos Simone Dorra und Ingrid Zellner. Das letzte Mal habe ich den tollen Liebesroman "Kuckuckssohn" gelesen, diesmal ist es ein Krimi...eigentlich DAS Genre, welches die beiden ...

Mein zweites Buch des Autorenduos Simone Dorra und Ingrid Zellner. Das letzte Mal habe ich den tollen Liebesroman "Kuckuckssohn" gelesen, diesmal ist es ein Krimi...eigentlich DAS Genre, welches die beiden Autorinnen für sich beanspruchen. Von Simone Dorra habe ich noch keinen Krimi gelesen, aber Ingrid Zellners "Adlerschanze" hat von mir glatte 5 Sterne bekommen!

In diesem habe ich auch die Bekanntschaft des äußerst sympathischen indischstämmigen Kommissar Surendra Sinha gemacht. Zurzeit verbringt er seine Tage allerdings bei seinen Eltern in Waiblingen, da er wegen interner Ermittlungen in Friedrichshafen beurlaubt ist. Während Sinha praktisch die Zeit totschlägt, finden seine Kollegen der hiesigen Polizei die Leiche einer jungen indischen Studentin am Flussufer. Sie wurde missbraucht und anschließend getötet. Nur kurze Zeit später wird ein weiterer Tote gefunden und diesen findet ausgerechnet Surendra bei seinem Morgenspaziergang. Laut DNA ist es der Mörder der jungen Frau und ein Altbekannter von Sinha: Pierre Meyer. Dieser ist erst vor kurzem aus dem Gefängnis entlassen worden, wo er wegen diverser Verwaltigungsdelikte eingessen hat. Sinha war maßgeblich daran beteiligt, dass er verhaftet wurde und Meyer hat ihm daraufhin Rache geschworen. Nun ist er tot und Sinha wird zum Hauptverdächtigen, denn die tote Studentin lebte im Haus seiner Eltern. Für den Ermittler der Waiblinger Polizei, Malte Jacobsen, ist die Sache klar: Sinha ist der Täter....

Simone Dorra und Ingrid Zellner haben in ihrem ersten gemeinsamen Krimi ihre jeweiligen Ermittler zusammengeführt. Eigentlich wäre es logisch, dass Sinha und Malte zusammenarbeiten und gegenseitig Informationen austauschen, um den Täter schneller zu finden. Jedoch sind sich die beiden Männer von Anfang an nicht wirklich sympathisch. Malte beginnt sich regelrecht in den Fall zu verbeißen und sieht einzig Sinha als Verdächtigen. Für ihn passen die Fakten einfach zusammen. Seine Kollegin Melanie Brendel sieht das ganz anders und versteht ihren Kollegen überhaupt nicht mehr. Dadurch gestalten sich die Ermittlungen schwierig. Durch Maltes Eifersucht und unkollegiale Art behindert er zusätzlich die Nachforschungen. Deswegen begibt sich Melanie alleine auf die Spur der ehemaligen Opfer von Meyer, die er vergewaltigt hat und die überlebt haben. Die Zahl der Frauen ist alles andere als klein und so verspürt man als Leser auch keinerlei Mitleid mit dem Toten - im Gegenteil! Melanie erkennt, dass nach all den Jahren die Opfer noch immer sehr darunter leiden und oftmals verantwortlich für die Tat gemacht wurden. Dies hat tiefe Spuren hinterlassen.
Mit viel Sensibilität sprechen die beiden Autorinnen das Thema Vergewaltigung an. Sie zeigen dabei auch auf, dass auch noch heute oft die Meinung herrscht, Frauen seien mit ihrer "aufreizenden Kleidung" oder durch ausgehen am Abend selbst Schuld daran. Aussagen, die einem sprachlos machen, aber leider die Realität sind.

Dem Privatleben der Ermittler wird viel Raum gegeben, wobei die Krimihandlung aber nicht zu kurz kommt. Trotzdem nahm sie mir teilweise ein bisschen zu viel Platz ein.
Das Ende punktet mit einem klassischen Showdown, dessen Auflösung mich überraschen konnte.

Schreibstil:
Die lebendige und fesselnde Erzählweise der beiden Autorinnen ließ mich auch diesen Krimi wieder in einem Rutsch durchlesen. Die Figuren sind lebendig, vielschichtig und jenseits jeder schwarz-weiß Malerei.
Die Emotionen der drei Kommissare wurden sehr bildhaft beschrieben und ich habe mit jeden von ihnen richtig mitgefühlt. Eigentlich lebt der Krimi neben der Spannung und einigen überraschenden Wendungen vorallem von seinen großartig gezeichneten Protaginisten.

Die wunderbaren Beschreibungen der indischen Köstlichkeiten mit denen Sinhas Mutter ihren Sohn und auch Melanie verwöhnt, ließen mir das Wasser im Mund zusammenlaufen. So kommt neben dem vorhandenden Lokalkolorit auch ein Hauch von Exotik dazu.
Am Ende des Buches befindet sich ein Glossar mit den Übersetzungen zu den benutzen französischen, schwäbischen und bayrischen Wörtern und Sätzen.

Fazit:
Auch "Mordshass" hat mich wieder überzeugt und ich finde die Idee der beiden Autorinnen ihre jeweiligen Kommissare gemeinsam ermitteln zu lassen richtig gut. Gerne würde ich noch weitere Krimis in diesem Format lesen. Sowohl Ingrid Zellner, als auch Simone Dorra stehen von nun an auf meiner MUST READ Leseliste, wenn es um Krimis geht!

Veröffentlicht am 22.08.2019

Hat noch Luft nach oben

Der Preis des Lebens
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Vom Benevento Verlag bekam ich die Anfrage den Debütkrimi von Bernhard Kreutner zu lesen und zu rezensieren. Das Thema illegaler Organhandel hat mich sofort gepackt und Bücher von neuen österreichischen ...

Vom Benevento Verlag bekam ich die Anfrage den Debütkrimi von Bernhard Kreutner zu lesen und zu rezensieren. Das Thema illegaler Organhandel hat mich sofort gepackt und Bücher von neuen österreichischen Autoren bin ich nie abgeneigt zu lesen. Deswegen habe ich gerne zugesagt.

Man startet auch gleich rasant in die Geschichte, wobei eine junge Frau mit einem fingierten Jobangebot in ein Lokal gelockt und danach betäubt wird. Ihr wird das Herz entnommen und der Rest wird dikret entsorgt. Auf diese Weise gehen die beiden Ärzte Doktor Eva Vekete und Doktor André Keller vor, um neues "Ersatzmaterial" für ihre zahlungskräftigen Kunden zu erhalten. Dies sind vorallem sehr reiche Menschen, die sich ein neues Herz, eine Lunge oder eine Leber mit Millionen erkaufen. Wie kaltblütig und perfekt vorallem Vekete dabei vorgeht, fand ich überaus grausam und erschreckend. Doch jeder Perfektionist begeht einmal einen Fehler und so kommt es am Wiener Zentralfriedhof zu einer "Auferstehung". Als die Leichenbestatter einen Sarg fallen lassen, beinhaltet er zwei Leichen statt einer und dieser wurde fachgerecht die Leber entfernt....

Die Ermittler Michael Lenhart und Sabine Preiss, beide erst vor kurzem in eine extra geschaffene Sonderabteilung strafversetzt, bekommen statt der ihnen zuerst zugedachten Aufarbeitung alter Fälle /Carl Morx lässt grüßen!), die doppelte Leiche auf den Tisch und stellen sehr schnell fest, dass es sich um Organraub handelt.
Abwechselnd wird aus der Sicht der Ermittler und der Organmafia berichtet. Letztere lässt sich vom kleinen Zwischenfall in Wien nicht beirren. Die Organisation ist in den westlichen Ländern gut vernetzt. Sie sind europaweit die Einzigen, die in Windeseile dank BigData ein Opfer ausfindig machen können, das zu 95% zum Patienten passt.

Die Charaktere sind sehr gut beschrieben und trotzdem wurde ich nicht ganz warm mit Michael und Sabine. Michael Lenhart ist studierter Philosophe und auch bei seinen Ermittlungen liebt er es Aristoteles zu zitieren. Das war zu Beginn ja ganz nett, aber mit der Zeit begann es mich tierisch zu nerven, vorallem wenn seine Zitate sich über Absätze ergossen bis er endlich zum Punkt kommt. Sabine Preiss war einst bei einer
Spezialeinheit beim Bundesheer tätig. Beide Charaktere sind den Vorgesetzten zu direkt und ehrlich, denn sie vertreten ihre Prinzipien. Deshalb ecken sie auch sehr schnell an und wurden strafversetzt. Positiv war für mich, dass Beide keine verkrachten Existenzen sind, wie man sie so oft in Krimis findet. Es gab einen Nebencharakter, den ich äußerst sympathisch fand, nämlich Frau Wolf, die Sekretärin, die das Zeug zu einer Kultfigur haben könnte.

Die Themen Datenschutz und illegaler Organhandel sind äußerst aktuell und wurden perfekt in den Krimi eingebaut. Die Location Wien war für mich als Österreicherin ein weiterer Pluspunkt. Jedoch wurde mir mit den ansteigenden Buchseiten das unterstützende Umfeld zu perfekt. Ministerin, Militär und Datenspezialisten umgeben Michael und Sabine. Ihr Büro wird zu einer Festung umgebaut, abhörsicher und auf den neuersten Stand...dabei wurden die Beiden eigentlich strafversetzt und Geld für Polizeibeamte ist sowieso Mangelware. Doch plötzlich unterstützen Politik und Militär die beiden Ermittler, wo sie nur können...das war mir einfach zu unglaubwürdig. Sicherlich ist Organraub auch ein Thema, bei dem man an höchster Stelle eingreifen muss, doch hier bekam ich das Gefühl, dass der Autor einfach zuviel wollte. Die Aufrollung des Falles war schlüssig, aber mir fehlte vor allem im Mittelteil die Spannung.
Auf den letzten Seiten wiederum fand ich die Erzählung dann zu gerafft dargestellt. Dabei wäre ich beim Showdown gerne hautnah dabei gewesen und hätte ein wenig mehr vom Einsatz selbst mitbekommen. Plot und Idee sind gelungen, an der Umsetzung hapert es noch ein bisschen...

Schreibstil:
Der Schreibstil des Autors ist sehr dialoglastig. Hinzu kommen noch die Zitate von Aristoteles und die manchmal etwas hölzerne Sprache - trotz des eingängigen Wiener Schmähs. Durch die vielen Dialoge sprechen sich die Charaktere alle laufend mit Namen an, was mir weniger gefallen hat. Die Kapitel sind eher kurz gehalten. So wird der Leser gerne dazu gebracht "schnell noch ein Kapitel" zu lesen.

Fazit:
Der Debutkrimi von Bernhard Kreutner beinhaltet ein brisantes und aktuelles Thema, das teilweise gut umgesetzt wurde. Allerdings waren mir einige Begebenheiten zu weit hergeholt und der Spannungsaufbau sackte im Mittelteil ziemlich ab. Ein interessanter Krimi, der meiner Meinung noch etwas Luft nach oben hat.

Veröffentlicht am 19.08.2019

Wer die Vergangenheit nicht kennt, versteht auch die Gegenwart nicht

Das Geheimnis der Fjordinsel
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n ihrem neuen Norwegen Roman erzählt Christine Kabus wieder in zwei verschiedenen Handlungssträngen über zwei bzw. drei Frauenschicksale. Diesmal bewegen wir uns aber innerhalb einer Familie, die wir von ...

n ihrem neuen Norwegen Roman erzählt Christine Kabus wieder in zwei verschiedenen Handlungssträngen über zwei bzw. drei Frauenschicksale. Diesmal bewegen wir uns aber innerhalb einer Familie, die wir von den 1920-igern bis in die 1980-iger begleiten.

Zuerst lernen wir in den Achziger Jahren des letzten Jahrhunderts Rike kennen, die als Frau einen Männerberuf ausübt. Sie ist Schlepperkapitän und liebt ihre Tätigkeit in ihrer Heimat Ostfriesland. Ihr Großvater Fiete, bei dem sie aufgewachsen ist, hat sie darin immer unterstützt, denn auch 1980 war es nicht einfach in einer reinen Männerdomäne zu arbeiten. Ihre Mutter Beate hat sich nie um Rike gekümmert und reist in der Weltgeschichte herum. Als Opa Fiete stirbt, hinterlässt er seiner Enkelin das Haus, wo Rike ungeöffenete Briefe von ihrer Großmutter an ihre Mutter findet. Dabei entdeckt sie, dass diese nicht gestorben ist, wie ihr immer erzählt wurde, sondern Ostfriesland verlassen hat und nach Norwegen zurückgekehrt ist. Der letzte Brief ist erst fünf Jahre alt und Rike hat die Hoffnung, dass ihre Großmutter noch lebt. Da ihre Mutter Beate den Kontakt zu ihren Eltern abgebrochen hat, nimmt sich Rike Urlaub und macht sich auf nach Norwegen...

Im Vergangenheitsstrang, der den Großteil des Romans einnimmt und der mir wesentlich besser gefallen hat, treffen wir auf Johanne, die 1926 in der Kleinstadt Horten lebt. Ihr Vater besitzt einen Weinkontor, ihre Mutter ist eine depressive Frau, die sich großteils in ihrem verdunkelten Schlafzimmer aufhält, ihr kleiner Bruder befindet sich in einem Internat und ihre ältere Schwester Dagny zieht demnächst mit ihrem Mann in die Hauptstadt Oslo. Noch ist Johanne's Welt in Ordnung, denn sie bereitet sich auf ihre Hochzeit mit Rolf Falkenstein vor, als ihr Vater im Weinkontor tot aufgefunden wird. Als Gerüchte aufkommen, er hätte Selbstmord begangen und der Kontor werde verkauft, verlässt Rolf Johanne und die Hochzeit wird auf unbestimmte Zeit verschoben bzw. abgeblasen. Doch Johanne gibt nicht so schnell auf. Sie glaubt nicht an Selbstmord, denn sie hat kurz vor dem Tod ihres Vaters, einen Streit mit ihm und einem zwielichtigen Typen beobachtet, der kurze Zeit später an sie herantritt und den Weinkontor einfordert. Johanne versucht alles, um das Familiengeschäft zu retten....

„Wer die Vergangenheit nicht kennt, versteht auch die Gegenwart nicht und ist kaum in der Lage, die Zukunft zu gestalten.“

Abwechselnd wird die Geschichte von Johanne und Rieke erzählt, die sich anfangs durch den Tod eines geliebten Menschen ähneln. Beide Frauen nehmen ihr Leben in die Hand und versuchen Antworten zu finden. Vorallem Johanne hat mich begeistert, die einen gewitzten Ganoven die Stirn bietet und sogar vor Schmuggel zur Zeiten der Prohibitation nicht zurückschreckt. Vorallem diese Sequenzen sind sehr spannend beschrieben und ich konnte das Buch kaum aus der Hand legen.
Christine Kabus hat mit viel geschichtlichen Wissen und historischen Eckdaten diese Zeit Norwegens bildhaft dargestellt, genauso wie die wunderschönen Beschreibungen der Natur, die mein Kopfkino richtig in Schwung gebracht haben. Norwegen war schon vor mehr als 20 Jahren ein Traumziel von mir, das ich leider noch immer nicht besucht habe. Umso lieber versinke ich in Bücher, die mir diese wunderbare Landschaft näher bringen. Manchmal verliert sich die Autorin aber noch immer etwas zu sehr in Nebenschauplätzen, die nicht unbedingt zur Handlung beitragen.

Beide Protagonistinnen sind sehr authentisch dargestellt. Man fiebert mit den Frauen mit, wobei mir allerdings im Handlungsstrang der Gegenwart das Ende etwas zu schnell ging. Hier hätte ich statt zwei Liebesgeschichten lieber mehr Informationen über das Zusammentreffen der beiden Frauen erfahren.

Im Großen und Ganzen hat mir aber der neue Norwegenroman der Autorin bis jetzt am Besten von ihren Büchern gefallen. In der Leserunde hat sie uns bereits verraten, dass ihr nächstes Buch eine neue Destination haben wird, die ich unsagbar interessant finde...nämlich Estland.

Schreibstil:
Christine Kabus schreibt teilweise sehr detailreich, aber auch wunderbar flüssig. Ganz besonders liebe ich aber ihre bildhaften Beschreibungen der Landschaft, wie auch die Einbettung politischer und historischer Begebenheiten zu dieser Zeit.
Über den jeweiligen Kapitel sind der Ort, das Datum und der Name der erzählenden Person vermerkt. So weiß man sofort, wo und bei wem man sich befindet.
Zu Beginn befindet sich eine Personenübersicht und eine Karte der Fjorde rund um Horten.

Fazit:
Für mich der bisher beste Roman der Autorin, die besonders mit ihren bildhaften Landschaftsbeschreibungen und dem historischen Anteil glänzt. Der Vergangenheitsstrang gefiel mir sehr gut, der aus der Gegenwart konnte mich nur am Anfang überzeugen. Er nimmt aber auch den kleineren Teil des Romans ein. Wieder ein gelunger Norwegen-Roman der Autorin, der mich sehr gut unterhalten hat.

Veröffentlicht am 17.08.2019

Geheimnis um ein verschollenes Gemälde

Das Gemälde der Tänzerin
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Der neue Roman von Christine Jaeggi ist eine wunderbare Geschichte, die ein Familiengeheimnis, einen Mord und das Thema Raubkunst beinhaltet. Was für ein Mix!

Die Geschichte wird in zwei Zeitebenen erzählt, ...

Der neue Roman von Christine Jaeggi ist eine wunderbare Geschichte, die ein Familiengeheimnis, einen Mord und das Thema Raubkunst beinhaltet. Was für ein Mix!

Die Geschichte wird in zwei Zeitebenen erzählt, wobei der Handlungsstrang in der Gegenwart mehr Raum einnimmt. In dieser begleiten wir Helena, die als Alleinerzieherin der Zwillinge Jolina und Jonas am Existenzminimum lebt. Die talentierte Ballerina musste damals ihre Karriere wegen ihrer ungeplanten Schwangerschaft abbrechen. Nun hat sie auch noch ihre Stelle in einem Modegeschäft verloren, weil sie durch einen Roboter ersetzt wurde.
Als ihr das Arbeitsamt eine Stelle als Zimmermädchen im Hotel Kronenberg in Zürich zuweist, ist Helena geschockt. Die Hoteliersfamilie ist genau diejenige, die vor Jahren ihre Zukunft zerstört hat. Doch Helena hat keine Wahl. Die Angst entdeckt zu werden, sitzt ihr jedoch ständig im Nacken. Im Hotel lernt sie die Amerikanerin Jessica Dixon kennen, die auf der Suche nach einem mysteriösen Gemälde ist. Dieses soll ihrer jüdischen Familie während des zweiten Weltkrieges von den Nazis geraubt worden sein. Die Spur führt ins Hotel Kronenberg, wo angeblich Raubkunst betrieben wurde. Der vor kurzem verstorbene Michael Kronenberg hätte sie kontaktiert, aber der Rest der Familie weigert sich mit ihr zu sprechen. Als Noah Kronenberg aus Mexiko zum Begräbnis seines verstorbenen Bruders anreist, hört er ebenfalls von dem verschollenen Gemälde der Tänzerin im Regen. Das weckt den Krimiautor in ihm und er beginnt zu recherchieren. Dabei stößt er auf einen Mord an einem Zimmermädchen im Jahre 1942. Aber auch Helena lässt die Geschichte um das gestohlene Gemälde nicht mehr los...

Im zweiten Handlungsstrang sind wir in den Jahren 1937 bis 1945. Wir lernen Lydia und ihre jüngere Schwester Hedi kennen. Die beiden sind in den Schweizer Bergen aufgewachsen und lebten auf einem Bauernhof. Als ihre Eltern sterben wird dieser verkauft und die Mädchen kommen bei einer Tante unter. Diese möchte Lydia mit dem unsympathischen neuen Besitzer des Hofes verheiraten, doch Lydia denkt nicht daran und flieht nach Zürich. Dort nimmt sie die Stelle eines Zimmermädchen im Hotel Kronenberg an, wo sie Hector Löwenfeld kennenlernt....

Der rote Faden des Romans ist das titelgebende Gemälde der Tänzerin im Regen. Gleich im Prolog erfahren wir von dessen Entstehung. Die spätere Suche wird verknüpft mit der Vergangenheit, in der das Gemälde zuerst geraubt wird und danach verschwunden ist. Eine spannende Geschichte, die sich auch dem Thema Raubkunst durch die Nazis widmet.
Wir lernen durch Helena aber auch die Sorgen einer alleinerziehenden Frau kennen, die am Existenzminimum lebt und das in der reichen Schweiz! Nicht nur Geldsorgen, sondern auch die typischen Probleme mit ihren pubertierenden Kindern und der Wahrung ihrer Identität im Hotel, bereiten Helena Schwierigkeiten. Außerdem gibt es dieses Familiengeheimnis der Kronbergs, in das auch Helena verstrickt wurde. Zu guter Letzt darf auch eine Liebesgeschichte nicht fehlen. Wer jetzt denkt, dass wären zu viele Themen für einen 400 Seiten Roman hat einerseits recht, doch Christiane Jaggi ist es hervorragend gelungen daraus eine tolle Geschichte zu kreieren, die man gerne liest und die einem nie langweilig wird. Im Gegenteil...man fliegt richtig durch die Seiten.
Manche Ereignisse waren zwar etwas vorhersehbar, andere wiederum konnten mich richtig überraschen und gaben dem Roman eine neue Wendung.

Die Charaktere sind sehr individuell und lebendig, manchmal etwas zu sehr schwarz-weiß gezeichnet. Die Wandlung Caramelles fand ich zu schnell und etwas unglaubwürdig. Jolande hingegen ist der typische pubertierende Teenager, der gegen die Mutter rebelliert. Jonas hingegen ist das glatte Gegenteil und Helenas Halt...für einen Jungen in diesem Alter war er mir allerdings ein bisschen zu blass und gutmütig.
Noah ist ein interessanter und vielschichtiger Charakter, dem wohl alle Leserherzen zufliegen. Der Rest der Familie Kronenberg ist allerding das komplette Gegenteil.
Lydia fand ich stark und sympathisch...ein junges Mädchen, das ihren Weg geht.

Am Ende werden alle Geheimnisse aufgedeckt und alle losen Fäden führen logisch zueinander.

Schreibstil:
Christine Jaeggis Schreibstil liest sich kurzweilig und lebendig...man verliert sich sehr schnell in der Geschichte, die Gegenwart und Vergangenheit perfekt verbindet. Über jedem Kapitel steht der Name der jeweils erzählenden Figur. In der Gegenwart sind dies Helena und Noah, in der Vergangenheit Lydia. So lernt man alle Hauptprotagonisten immer besser kennen.
Die Personenübersicht am Anfang des Romans hilft zu Beginn des Romans doch einige Male nicht den Überblick zu verlieren.

Fazit:
Ein Roman mit vielen Facetten, der auf zwei Zeitebenen spielt und einige interessante Themen beinhaltet. Etwas vorhersehbar an manchen Stellen, aber auch mit vielen Überraschungen gespickt, hat mich "Das Gemälder der Tänzerin" gut unterhalten und schöne Lesestunden beschert.