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Veröffentlicht am 29.06.2019

Bisher das beste Buch der Reihe

Der dunkle Bote
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Kriminalinspektor August Emmerich und sein junger Kollege Ferdinand Winter ermitteln wieder. Es ist ein eiskalter November im 20iger Jahr des letzten Jahrhunderts. In Wien hungern und frieren die Menschen ...

Kriminalinspektor August Emmerich und sein junger Kollege Ferdinand Winter ermitteln wieder. Es ist ein eiskalter November im 20iger Jahr des letzten Jahrhunderts. In Wien hungern und frieren die Menschen auch zwei Jahre nach Kriegsende immer noch. Hoffnungslosigkeit macht sich breit. Die Republik ist noch jung und alles andere als stabil. Banden, politische Gruppierungen und Verbrecher jeder Coleur machen die Stadt unsicher. Die Inflation ist enorm und Valutenschmuggler sind die gefragtesten Männer im Reich, während der Großteil der Menschen hungert und friert. Das Verbrechen hat Hochkonjunktur!

Alex Beer hat diese düstere und hoffnungslose Stimmung wieder hervorragend eingefangen. Von der ersten Seite an war ich mit August Emmerich und Ferdinand Winter sofort wieder im historischen Wien. Die Beiden haben es diesmal mit einem brutalen Mordfall zu tun. Dem Opfer wurde die Zunge entfernt und anschließend wurde es mit Wasser übergossem. Durch die tiefen Temperaturen hat sich eine dünne Eisschicht über den Toten gebildet. Die abgeschnittene Zunge taucht kurze Zeit später bei der Journalistin Alma Lehner auf. In einem Belgeitschreiben steht: "Lassen Sie die Welt wissen, dass ich mir seine Seele geholt habe". Die unkonventionelle Frauenaktivistin, die mit ihren Artikel über Missstände den Frauen gegenüber aufrütteln will, kommt dieser Aufforderung nach. Bald wird eine weitere Leiche mit abgeschnittener Zunge gefunden, die jedoch auf eine andere Art ermordet wurde. Trotzdem weisen einige Merkmale, wie ein Zettel mit einer römischen Ziffer, auf einen Serienmörder hin. Die Zeit drängt und so beginnt ein Wettlauf gegen die Zeit. Die Telefonnistinnen und Sekretärinnen im Büro, etwas spöttisch und trotzdem liebevoll von Emmerich "Die Hühnerarmee" genannt, sind den beiden Ermittlern eine große Hilfe. Gemeinsam versuchen sie die Zusammenhänge zwischen den Mordfällen herauszufinden. Wer ist der von Alma Lehner genannte "dunkle Bote", der Rache zu nehmen scheint?

Neben den Ermittlungen führt Emmerich noch einen privaten Kampf mit Xaver Koch, dem Ehemann von Luise, August's großer Liebe. Koch galt als gefallen, als er plötzlich wieder auftaucht. Der Krieg hat ihn gewalttätig und zu einem Mann gemacht, der vor nichts zurückstreckt. Er ist politisch aktiv und privat sind Luise und die Kinder, die er entführt hat, seinem Jähzorn vollkommen ausgeliefert. August Emmerich schwört sie zu finden und zu "retten". Er wendet sich an einen alten Bekannten, Veit Kolja, der ihm ebenfalls vor Koch warnt. Ob sich Emmerich wieder auf einen gefährlichen Handel einlässt?

Das müsst ihr schon selbst herausfinden! Der Spannungsbogen bleibt im Laufe des Krimis konstant und zieht zum Schluss hin nochmals rasant an. Das Ende bleibt sicherlich jedem Leser in Erinnerung, denn es ist sehr emotional.

Schreibstil:
Alex Beer schreibt so wunderbar atmosphärisch, dass man sich immer wieder mitten im historischen Wien fühlt. Man hungert und friert mit den Menschen mit, man spürt die Hoffnungslosigkeit förmlich durch die Zeilen und trotzdem versteht es die Autorin dem Leser damit nicht hinabzuziehen, sondern mit Emmerich und Winter mitzuermitteln und der Zeit zu trotzden.
Die Charaktere sind wieder sehr lebendig beschrieben und Ferdinand Winter entwickelt sich neben Emmerich langsam zum ebenbürtigen Ermittler.

Fazit:
Für mich war "Der dunkle Bote" das bisher beste Buch der Reihe! Spannend, düster und atmosphärisch. Wer Alex Beer noch nicht kennt, dem kann ich ihre historischen Wien-Krimis wirklich sehr empfehlen!

Veröffentlicht am 28.06.2019

Bleibt leider oberflächlich

Die Villa an der Elbe
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Wieder einmal ein Roman mit einem Klappentext, der ziemlich am Inhalt vorbeigeht....
Die beschriebene Szene passiert im letzten Viertel des Buchess und ist daher nicht wirklich aussagekräftig, was den ...

Wieder einmal ein Roman mit einem Klappentext, der ziemlich am Inhalt vorbeigeht....
Die beschriebene Szene passiert im letzten Viertel des Buchess und ist daher nicht wirklich aussagekräftig, was den Inhalt betrifft. Auf der anderen Seite spoilert er wenigstens nicht...

Der historische Roman von Linda Belgado erzählt auf zwei Zeitebenen über zwei Familien und ein großes Familiengeheimnis.
Im Jahr 1900 geht Helena von der Haardt gemeinsam mit ihrer 12jährigen Schwester Anni und den Eltern an Bord der "Kaiser Wilhelm der Große". Während der Überfahrt nach New York soll die Verlobung von Helena mit dem Reedersohn Gustav Clausen mit großem Pomp gefeiert werden. Als das Schiff am Pier von Hoboken anlegt, bricht ein verheerender Brand auf einem der am Pier vertauten Schiffe aus, das sich rasend schnell ausbreitet. Helena, ihr Dienstmädchen Clara und ihr Vater sind zu dieser Zeit am Pier unterwegs. Das Feuer breitet sich rasant aus und hinterlässt einen verwüsteten Hafen und jede Menge Opfer. Auch Helena und Clara kehren nicht auf die "Kaiser Wilhelm der Große" zurück. Daraufhin reist die traumatisierte Familie zurück nach Hamburg. Besonders die Mutter überwindet den Tod ihrer ältesten Tochter nur schwer. Nur Anni glaubt nicht, dass Helena im Feuer umgekommen ist...
Im Gegenwartsstrang im Jahre 2017 lernen wir Jonas, den Urenkel des damaligen Verlobten von Helena, Gustav Clausen, kennen. Jonas tritt nach dem überraschenden Tod seines Vater sein Erbe in der familieneigenen Reederei an. Entsetzt stellt er fest, dass diese kurz vor dem Bankrott steht.
In New York träumt Amely Thompson von einem eigenen Cateringservice. Beide finden unabhängig voneinander alte Dokumente mit dem Hinweis zu einem geheimen Gelddepot in einer New Yorker Bank. Doch keiner der Beiden kennt die Verfasserin des Briefes, noch den Zahlencode für das Schließfach....

Hätte die Autorin diesen Roman nur mit der Geschichte aus dem Vergangenheitsstrang gefüllt, wäre meine Bewertung sehr viel besser ausgefallen. Dieser ist wirklich gelungen und spornt zum Weiterlesen an. Das historische Ambiente, als auch die Charaktere überzeugen. Die großen Unterschiede zwischen den Gesellschaftsklassen, als auch die Stellung der Frau zu dieser Zeit, sind wichtige Themen, die Linda Belago anspricht.
Die Schauplätze sind bildhaft und zeitgemäß dargestellt. Die Lebensverhältnisse im New York der Jahrhundertwende werden anschaulich erzählt. Die vielen Einwanderer erliegen dem Mythos des reichen Amerikas, doch die Wahrheit sieht meistens anders aus. Ich fieberte mit den Protagonisten mit und hatte Spaß am Lesen. Auch die Familiengeschichte rund um das große Geheimnis liest sich ansprechend.

Der Gegenwartsstrang hingegen konnte mich nicht überzeugen. Die Figuren blieben farblos und besonders Amely blieb mir fremd. Zu viele gewollte Zufälle und Ungereimtheiten säumen die Seiten. Auch das viel zu rasch abgehandelte Ende wirkt überhastet und am Schluss bleiben doch viele wichtige Fragen offen.
Der Buchtitel ist vom Verlag nicht gut gewählt und irreführend, den die angesprochene Villa kommt kaum vor.

Im Großen und Ganzen fehlt es dem Roman leider an Tiefe. Mit dem ziemlich offenen Ende wirkt - der eigentlich doch unterhaltsame und teilweise spannende Roman - als Gesamtkonzept dann eher nur mehr mittelmäßig...schade!

Schreibstil:
Der Roman liest sich leicht und flüssig. Vorallem das historische Ambiente und die bildhaften Beschreibungen sind gelungen. Bei der Figurenzeichung bin ich jedoch zwiegespalten. Annie und Helena sind mir nahe gekommen und sind facettenreiche Charaktere. Jonas und Amely hingegen blieben völlig an der Oberfläche. Man kann kaum etwas über die beiden Figuren aus dem Gegenwartsstrang sagen.

Fazit:
Ein kurzweiliger Roman, dem es etwas an Tiefe fehlt. Während mich der Handlungstrang aus der Vergangenheit schnell in den Bann gezogen hat, konnte mich der Gegenwartsstrang nicht überzeugen. Das abrupte Ende und einige offene Fragen schmälern leider das Gesamtlesevergnügen.

Veröffentlicht am 27.06.2019

Spannung bis zum Schluss

Nadelherz
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Gleich vorweg: Der dritte Thriller rund um Hauptkommissarin Alexis Hall und Kriminalbiologin Karen Hellstern kann auch alleinstehend gelesen werden. Natürlich weise ich immer darauf hin Ermittlerkrimis ...

Gleich vorweg: Der dritte Thriller rund um Hauptkommissarin Alexis Hall und Kriminalbiologin Karen Hellstern kann auch alleinstehend gelesen werden. Natürlich weise ich immer darauf hin Ermittlerkrimis und -thriller wegen der persönlichen Entwicklungen der Hauptprotagonisten der Reihe nach zu lesen.

Der Einstieg in "Nadelherz" ist wie gewohnt rasant. Julia Corbin fackelt nicht lange herum und als Leser ist man von der ersten Seite an gefesselt. Im Prolog wird ein Pärchen bei einer Wanderung von einem Unwetter überrascht. Sie flüchten in ein heruntergekommendes Bauernhaus, wo niemand zu wohnen scheint. Doch kurze Zeit später erfasst sie das Grauen.....

In der Gegenwart wird Alexis nach einem Kurzurlaub in Großbritannien direkt zu einem mysteriösen Fall gerufen. Eine junge Frau hat mit der Post ein Päckchen erhalten, indem sich ein mit Nadeln gespicktes menschliches Herz befindet. Tessa, die Empfängerin, ist die Überlebende einer Entführung. Sie wurde damals mit ihrer Freundin lange Zeit, auf den besagten Bauernhof aus dem Prolog, in einem Käfig festgehalten und gefoltert. Kurze Zeit später wird Alexis zu einer bestialisch ermordeten Frau gerufen, deren Herz entfernt wurde und bald darauf erhält Tessa ein weiteres Päckchen.....
Gibt es einen Nachahmungstäter oder gar einen Komplizen? Wie hängen die neuen Mordfälle mit Tessa zusammen und was verbirgt sie? Und warum leuchten die toten Frauen grünlich aus ihren Wunden? Alexis und Oliver ziehen Karen wegen diesem außergewöhnlichen Phänomen hinzu und stehen vor einem Rätsel....

Wie schon in den Vorgängerbänden gibt es Rückblenden in die Vergangenheit. Man erlebt mit Tessa und ihrer Freundin Jasmin ihre Entführung hautnah mit, ebenso wie die anschließende monatelange Gefangenschaft. Dabei blickt man in menschliche Abgründe und erlebt Grausamkeiten, die äußerst perfide sind. Die Schauplätze sind sehr detailliert und bildhaft beschrieben. Die düstere Szenerie hinterlässt beim Lesen Gänsehaut. Der Spannungsbogen ist hoch und steigt zum Ende hin noch. Überraschende Wendungen lassen dem Leser miträtseln und immer wieder neue Theorien aufstellen.

Der Plot ist wieder außerordentlich gut durchdacht und etwas komplex. Wie schon in den Vorgängerbänden hat Julia Corbin ihre Kenntnisse als Biologin in ihrem neuen Fall wieder perfekt eingesetzt. Auch wenn hier forensische Biologie eine größerer Rolle spielt, erklärt die Autorin die Vorgänge auch für Laien verständlich. Ich finde es immer wieder sehr interessant, wie man aus Leichen lesen kann.

Die Charaktere sind authentisch und facettenreich. Alexis und Karen, sowie Oliver, kennen wir bereits aus den Vorgängerbänden. In ihrer aller Privatleben hat sich einiges verändert. Vorallem Karen muss sich als ehemaliger Langzeit-Single auf ihre neue Rolle als Pflegemutter umstellen. Mit Saskia kommt eine neue Ermittlerin hinzu, die im Laufe der Zeit Volkerts Platz einnehmen soll, dessen Pensionierung bald ansteht.

Die Spannung steigt zum Ende hin dramatisch an und ich muss zugeben, dass ich wirklich keine Ahnung hatte, wer hinter diesen grausamen und brutalen Morden steckt.

Schreibstil:
Der Schreibstil von julia Corbin ist wie gewohnt temporeich und fesselnd. Das besondere Merkmal ihrer Thriller sind die spannenden Beschreibungen der forensischen Biologie, die auch für Laien verständlich erklärt werden.
Die Rückblicke in die Vergangenheit erhöhen durch Cliffhanger und Andeutungen die Spannung.
Am Beginn gibt es ein kleines Personenregister der Mannheimer Kripo. Das Cover spürt sich auch diesmal durch einen 3-D Effekt plastisch an.

Fazit:
Ein rasanter und packender Thriller, der mit düsteren Szenerien und Grausamkeiten die Ermittler an ihre Grenzen bringt. Spannend bis zum Schluss!
Eine hervorragende Fortsetzung der Hall und Hellstern Reihe, wobei der erste Band auch weiterhin mein Favorit bleibt.

Veröffentlicht am 24.06.2019

Toller Roman mit Tiefgang

Alles, was wir liebten
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Mein zweites Buch der Autorin und wieder bin ich begeistert von ihrem bildhaften und sehr einfühlsamen Schreibstil.

Das Thema Schuld und Vergeben ist das große Thema dieses Romans, der mich von Beginn ...

Mein zweites Buch der Autorin und wieder bin ich begeistert von ihrem bildhaften und sehr einfühlsamen Schreibstil.

Das Thema Schuld und Vergeben ist das große Thema dieses Romans, der mich von Beginn an in seinen Bann gezogen hat. Anna und Fitz erleben die erste große Liebe bis ein tragisches Ereignis passiert und Anna überstürzt ihr Heimatdorf verlässt und nach München zieht. Sie bricht alle Brücken hinter sich ab und dennoch kann sie die Vergangenheit nicht wirklich hinter sich lassen. Zu nebulös sind ihre Erinnerungen an das, was damals passiert ist. Die Schuldgefühle lassen sie nicht los, denn sie hat Fitz und ihre beste Freundin Caro kläglich im Stich gelassen. Doch kann Anna ihre Vergangeheit hinter sich lassen?

„Wie lange ist zu lang, um eine Schuld zuzugeben und sich selbst verzeihen zu können?" - Seite 164

Von der ersten Seite an war ich mitten im Geschehen und habe mit Anna mitgefühlt. Ein Anruf bei der Suchthotline, bei der Anna ehrenamtlich mithilft, reißt tiefe Wunden in ihr auf. Sie beschließt sich zehn Jahre nach ihrem plötzlichen Weggehen aus ihrem Heimatdorf der Vergangenheit zu stellen. Doch so einfach ist das nicht. Schon der erste Satz im ersten Kapitel erklärt dies sehr treffend: "In jedem von uns steckt ein Feigling und ein Held". Nicht umsonst hat sie sich zehn Jahre vollkommen zurückgezogen und versucht ihre Vergangenheit hinter sich zu lassen. Doch die Ungewissheit und ihre Schuldgefühle lassen Anna nun handeln. Dabei trifft sie sehr bald wieder auf Fitz und ihre ehemalige beste Freundin Caro, die kaum wiederzuerkennen ist...

Während des Lesens fragt man sich immer wieder, was vor zehn Jahren passiert ist und ich wollte unbedingt hinter Annas Geheimnis kommen. Die Autorin schafft es mit ihren kleinen Rückblenden in die Vergangenheit Puzzlestück um Puzzlestück aufzudecken. Sowohl Anna, als auch Fitz, haben in der damals Fehler gemacht. Beide sind daran gewachsen, aber konnten nicht vergessen. Häppchenweise wird Annas und Fitz Geschichte erzählt und die tiefe Verbundenheit, die trotz des großen Vertrauensbruchs noch immer besteht, ist immer greifbar und präsent.

Die Charaktere sind authentisch und liebenswert, haben alle Ecken und Kanten. Ihre Handlungsweisen sind nachvollziehbar und menschlich. Annas Zweifel und Gefühle sind durch die Zeilen hindurch zu spüren. Die Figuren sind mitten aus dem Leben gegriffen. Auch die Landschaft rund um den Traunstein und dem Königsee sind sehr bildhaft beschrieben. Annas Liebe zu den Bergen ist an allen Ecken und Enden zu spüren.
In Kristina Moningers Roman steckt trotz des süßen Covers eine Geschichte mit Höhen und vielen Tiefen. Hier werden auch Themen wie Drogenkonsum und Misshandlung aufgegriffen. Generell geht es um Schuld, Vertrauen, Freundschaft und Liebe, sowie der Message sich seinen Dämonen zu stellen.

Schreibstil:
Der Schreibstil der Autorin ist einfühlsam, bildhaft und poetisch. Er kommt ohne schwülstige Phrasen aus und bringt diese Liebesgeschichte ohne Kitsch dem Leser näher. Ich habe mir viele wunderbare Sprüche und Sätze mit Post-its markiert.
Die Story wird aus der Sicht von Anna erzählt. Jedes Kapitel startet mit kleinen Auszügen aus Briefen, die Anna geschrieben hat. Es gibt einen Prolog und einen Epilog.

Fazit:
"Alles, was wir liebten" ist ein wunderbarer Roman mit Tiefgang. Intensiv, gefühlvoll, aber nie kitschig - mit Charakteren und Schicksalen, die direkt aus dem Leben gegriffen sind. Von mir gibt es eine Leseempfehlung!

Veröffentlicht am 23.06.2019

Ein mutiges Buch

Du weißt ja gar nicht, wie gut du es hast
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Dieser biografische Roman der Schauspielerin Maria Bachmann ist mir bei Lovelybooks ins Auge gefallen, weil Maria über ihre Kindheit berichtet, die mit meiner viele Gemeinsamkeiten hat. Es geht um die ...

Dieser biografische Roman der Schauspielerin Maria Bachmann ist mir bei Lovelybooks ins Auge gefallen, weil Maria über ihre Kindheit berichtet, die mit meiner viele Gemeinsamkeiten hat. Es geht um die Kinder, deren Eltern den Zweiten Weltkrieg miterlebt haben und ihre Ängste nicht verarbeiten konnten. Krieg beschädigt nachhaltig die Beziehungsunfähigkeit und damit auch die Beziehungen innerhalb einer Familie.
Schon der Titel "Du weißt ja gar nicht, wie gut es dir geht" hat mich angesprochen, denn er war nur einer der Sätze, die ich oft genug hörte. In meinem Alter falle ich zwischen Kriegskinder und Kriegsenkel, denn meine Mutter war 42 Jahre als ich das Licht der Welt erblickte - für 1966 ein eher ungewöhnliches Alter. Die Empfehlung der Frauenärztin meiner Mutter mich abzutreiben, entsprach wohl der damaligen Zeit. Ich bin froh, dass sich meine Mutter nicht dafür entschieden hat und mich, obwohl ich eindeutig ein Risikokind war, sogar zu Hause zur Welt brachte - wie schon meine drei älteren Geschwister. Für diesen Mut muss ich meine Mutter noch heute bewundern.

Schauspielerin und Autorin Maria Baumann ist Jahrgang 1964 und nur zwei Jahre älter als ich. In ihrem Roman erzählt sie von ihrer lieblosen Kindheit und dem Zwang daraus auszubrechen. Sie beschreibt diese Zeit sehr lebendig. Auch die Freundschaft zu Thomas Gottschalk und Udo Lindenberg nimmt etwas Raum ein und bringt ein bisschen Glamour-Faktor mit ;).
Beim Lesen wanderten meine Gedanken immer wieder zu meiner eigenen Kindheit und ich erlebte viele Parallelen, wie die Pflicht immer alles aufzuessen, was auf dem Tisch kam oder die Angst etwas falsch zu machen. Geborgenheit oder Zuneigung gab es kaum...man lief eben irgendwie nebenher mit. Lob gab es nie. Man hätte immer alles noch besser machen können....Hätte ich meine Schwester nicht gehabt, die 19 Jahre älter war, hätte meine Kindheit ziemlich trostlos ausgesehen.
Maria Bachmann hatte keine liebevolle große Schwester wie ich. Sie wuchs in einem kleinen Dorf in Franken auf. Ihr Vater war ein später Kriegsheimkehrer, die Mutter depressiv. Nur wenige Eltern und Großeltern haben über ihr Schicksal gesprochen. Viele vom Krieg traumatisierte Erwachsene waren emotional vestummt, haben ihre eigenen schmerzlichen Erinnerungen unterdrückt und ihren Kindern und Enkelkindern seelische Trümmer hinterlassen. Die Zuneigung, die Maria bei ihren Eltern sucht, wurde ihr nicht zuteil. Wichtig war nur, was die anderen Leute von einem denken und arbeiten, arbeiten, arbeiten. Maria musste sich einfach abnabeln und das Dorf verlassen, um nicht ebenfalls depressiv zu werden. Dabei versuchte sie immer wieder ihre Eltern zu verstehen und zu ergründen, warum sie so sind, wie sie sind. Erst als sie sich gezielt damit auseinandersetzt findet sie zu sich selbst. Es war ein langer Weg für die Autorin zu sich selbst zu finden und einem gesundenen Selbstbewusstsein, ohne sich immer schuldig zu fühlen. Diesen Weg hat sie in ihrem autobiografischen Roman emotional und mutig, aber ohne Kritik an ihren Eltern beschrieben.

Schreibstil:
Der Schreibstil ist flüssig und lebendig. Maria Bachmann erzählt ihre Geschichte zuerst aus der Sicht des Kindes Maria, danach als Jugendliche und junge Erwachsene.
Auf den beiden Innenseite des Buches findet man Fotos der Autorin vom Kleinkind bis zur erwachsenen Frau. Der Roman ist in vier Teile geteilt: Das Kind, die Jugendliche, die junge Frau und die Erwachsen.

Fazit:
Eine gelungene Biografie über eine emotioanle Selbstfindung, aus dem ich sehr viel für mich mitnehmen konnte. Ein mutiges Buch über eine mutige Frau.