Profilbild von wanderer-of-words

wanderer-of-words

Lesejury Star
offline

wanderer-of-words ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit wanderer-of-words über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 15.05.2021

Ein einziger Tag

An jenem Tag in Paris
0

„An jenem Tag in Paris“ ist ein anspruchsvolles, forderndes aber sehr lohnenswertes Buch. Alex George beginnt seine Geschichte mit verschiedenen Erzählsträngen, führt diese abwechselnd und teils auf unterschiedlichen ...

„An jenem Tag in Paris“ ist ein anspruchsvolles, forderndes aber sehr lohnenswertes Buch. Alex George beginnt seine Geschichte mit verschiedenen Erzählsträngen, führt diese abwechselnd und teils auf unterschiedlichen Zeitebenen fort und lässt am Ende schließlich alle Fäden zusammenlaufen. Wie bei einem Puzzle mit einem unbekannten Motiv ergibt sich erst nach und nach ein komplettes Bild. Der Leser bleibt lange Zeit im Ungewissen, kann zwar über die Zusammenhänge spekulieren, doch der Autor gibt weitere Informationen erst Preis, wenn die richtige Zeit dafür gekommen ist. Mir hat dieses raffinierte Erzählkonzept sehr gut gefallen. Die Story selbst ist fesselnd, es geht um menschliche Beziehungen, Geheimnisse, Verluste und das Wiederfinden.

Zu den vier Protagonisten erhält der Leser dabei unterschiedlich viele Informationen. So wird bei einem Darsteller bereits sehr früh seine Vergangenheit offengelegt, bei anderen muss der Leser sich etwas gedulden bis er die Geheimnisse erfährt. Alex George integriert in seine Geschichte auch historische Figuren, wie Ernest Hemingway oder Maurice Ravel. Eine große Bühne erhalten sie aber nicht, sondern werden nur ganz nebensächlich in die Handlung eingeflochten, erscheinen dadurch aber umso lebendiger. Die Fülle an Namen und Charakteren macht es nicht ganz einfach den Überblick zu behalten und manchmal musste ich ein paar Seiten zurückblättern um die Personen wieder in den richtigen Kontext zu setzen.

Das Paris des frühen 20. Jahrhundert spielt im Buch eine besondere Rolle, man kann sich die damalige Stadt mit den lebendigen Straßen und schillernden Clubs sehr gut vorstellen.

Fazit
Eine Leseempfehlung für alle Freunde anspruchsvoller Literatur und Paris-Liebhaber.

Veröffentlicht am 02.05.2021

Eine märchenhafte und herzerwärmende Geschichte

Mr. Parnassus' Heim für magisch Begabte
0

Schon lange hat mich kein Buch mehr so verzaubert! Das Besondere dabei ist nicht einmal die Story, diese ist zwar interessant, aber gar nicht mal so ausgefallen, etwas ähnliches haben langjährige Fantasyleser ...

Schon lange hat mich kein Buch mehr so verzaubert! Das Besondere dabei ist nicht einmal die Story, diese ist zwar interessant, aber gar nicht mal so ausgefallen, etwas ähnliches haben langjährige Fantasyleser bestimmt schon irgendwo einmal gelesen. Auch raffinierte Plottwists oder dramatische Höhepunkte darf der Leser nicht erwarten. Was mich an Klunes Buch aber so sehr begeistert hat sind die Charaktere und wie genial er wichtige Botschaften in seine Erzählung integriert. Das fängt schon damit an wie beiläufig homosexuell der Protagonist Linus Baker ist. Klune macht daraus kein großes Ding, es ist einfach ein ganz normaler Teil von Linus. Eine große Rolle hingegen spielen die Themen Vorurteile, Minderheiten, Selbstbestimmung und Freundschaft. Einfühlsam beschreibt Klune wie die Heimbewohner von den “normalen” Menschen ausgegrenzt werden, nur weil sie anders aussehen oder besondere Fähigkeiten besitzen. Der Titel des Romans ist dabei etwas irreführend, denn um Magie, wie wir es beispielsweise aus Harry Potter kennen, geht es eigentlich nicht, sondern eher um Fabel- und Fantasiewesen. “Mr. Parnassus Heim für besondere Kinder” würde den Inhalt treffender beschreiben. Die Charaktere sind dabei so fantasievoll erschaffen und so liebevoll beschrieben, dass man sie bereits nach wenigen Seiten ins Herz geschlossen hat. Viele der Kinder haben bereits sehr unschöne Erlebnisse gemacht, dennoch haben sie ihren Glauben an das Gute im Menschen nicht verloren und trotz ihrer Andersartigkeit und der Abgeschiedenheit in der sie Aufwachsen müssen haben sie Träume für ihr Leben. Doch es geht nicht nur ernst zu, an vielen Stellen gibt es Situationen die mich zum Lachen gebracht haben. Das Buch ist für mich ein absolutes Wohlfühlbuch, ein Roman den man mit einem Lächeln zur Hand nimmt und von dem man sich wünscht, dass er immer weitergeht.

Das Buch ist für mich ein absolutes Wohlfühlbuch, ein Roman den man mit einem Lächeln zur Hand nimmt und von dem man sich wünscht, dass er immer weitergeht. Ein absoluter Lesetipp, nicht nur für Fantasy-Leser.

Veröffentlicht am 25.04.2021

Spannend und lehrreich

Südlich vom Ende der Welt
0

Was hat das Fliegen einer Sojus-Kapsel mit einem Aufenthalt in der Antarktis zu tun? Mehr als man denkt: die mitten in der Antarktis gelegene Forschungsstation Concordia ist der Ort auf der Erde der die ...

Was hat das Fliegen einer Sojus-Kapsel mit einem Aufenthalt in der Antarktis zu tun? Mehr als man denkt: die mitten in der Antarktis gelegene Forschungsstation Concordia ist der Ort auf der Erde der die größte Ähnlichkeit mit einer Station auf einem anderen Planeten oder mit einem Langzeitweltraumflug hat. Daher lässt sich hier beispielsweise erforschen wie sich motorische Fähigkeiten im Laufe einer langen Isolation verändern. Dann es wäre natürlich verheerend, wenn zukünftige Astronauten nach einem Flug zum Mars nicht mehr in der Lage wären sicher zu landen. Das und mehr erzählt Carmen Possnig in ihrem Buch.

Die klimatischen Bedingungen sind dabei enorm fordernd: monatelang kein Sonnenschein, dazu Temperaturen bis zu -80 °C. Auch die Isolation stellt eine Herausforderung dar. Das 13-köpfige Team ist über mehrere Monate komplett von der Außenwelt abschnitten, sie haben keine Möglichkeit im Notfall evakuiert zu werden, auch Helfer könnten nicht zu ihnen durchdringen.

Das Buch beginnt mit der Auswahl der Bewerber und der Vorbereitung auf die Zeit in der Antarktis. Bereits diese Einblicke fand ich enorm spannend, denn sie umfassen weit mehr als die Koffer zu packen und sich gesundheitlich fit zu halten. Possnig berichtet von den Tests und Forschungen die sie während des Aufenthalts in der Antarktis durchführen muss, welchen Hintergrund und welche Ziele diese haben. Das alles ist so einfach erklärt, dass selbst ich als Laie keine Verständnisprobleme hatte.

Der Leser erhält auch einen kurzen Überblick über die politische Lage der Antarktis und die Vereinbarungen der Länder. Das Ganze ist aber so kurz gehalten, dass man interessantes Hintergrundwissen erhält, aber nie durch zu viele Details ermüdet wird. Denn das Hauptthema des Buches ist natürlich der Aufenthalt in der Antarktis. Und über diesen berichtet Possnig mit mitreißender Begeisterung. Einen großen Teil nehmen Berichte über den Alltag ein, denn so einfach wie man es sich vielleicht vorstellt ist das Leben in der Forschungsstation gar nicht. Aufgrund der enorm abgelegenen Lage müssen beispielsweise Ressourcen wie Wasser aufbereitet werden - und schon die Verwendung des falschen Shampoos kann die Aufbereitungsanlage beschädigen. Auch dem Essen, der Zusammenarbeit mit den Kollegen und der Konflikte wird Platz gewidmet. Sehr amüsant fand ich zu erfahren, dass eines der Forschungszelte für regelmäßige Partys verwendet wird und es sogar eine Sauna gibt! Die Temperaturunterschiede zwischen der Sauna und der Außenwelt betragen dabei bis zu 180 °C! Die Erzählung wird abgerundet durch Erzählungen und Vergleiche mit den Zeiten der Polarreisenden Scott, Amundsen und Shackleton. Ein paar dieser Geschichten kannte ich schon, doch da sie nur wenige Seiten einnehmen war das nicht weiter schlimm.

Fazit
Carmen Possnigs Begeisterung für die Antarktis ist auf jeder Seite spürbar, so dass selbst Menschen die Schnee und Kälte wenig abgewinnen können, von diesem Buch begeistert sein werden. Für mich war es eine sehr spannende Lektüre über einen enorm faszinierenden Ort!

Veröffentlicht am 19.03.2021

Kurzweilige Unterhaltung

QualityLand (QualityLand 1)
0

Mit seiner Känguru-Trilogie hatte Marc-Uwe Kling großen Erfolg und hat es im letzten Jahr damit auch schon ins Kino geschafft. Sein zweites Werk ist ebenfalls sehr unterhaltsam, geht aber in eine andere ...

Mit seiner Känguru-Trilogie hatte Marc-Uwe Kling großen Erfolg und hat es im letzten Jahr damit auch schon ins Kino geschafft. Sein zweites Werk ist ebenfalls sehr unterhaltsam, geht aber in eine andere Richtung. Im Vergleich zu den Känguru Büchern, die eher aus vielen kleinen Geschichten bestanden, ist „QualityLand“ zusammenhängender und romanhafter erzählt. Gleich geblieben sind die gesellschaftskritischen Ansätze und jede Menge Komik.

Kling gelingt es eine Zukunft zu entwerfen, die an vielen Stellen nur wenige technologische Schritte von unserer entfernt zu sein scheint. Ergänzt durch witzige Ideen erschafft er eine sehr originelle Welt von Morgen. Die Geschichte besteht aus drei groben Rahmenhandlungen die Einblick in die unterschiedlichen sozialen Ebenen der futuristischen Gesellschaft geben. Eine allzu komplexe Handlung mit tiefgreifenden Charakteren darf man zwar nicht erwarten, das ist aber auch gar nicht Ziel des Buches. Kling schafft es trotzdem, dass der Leser an vielen Stellen ins Grübeln kommt.

Ergänzt wird die Erzählung durch Ausschnitte aus dem QualityLand-Reiseführer sowie Internet-Zeitungsartikeln mitsamt Werbung und Kommentaren. Übrigens liegt hier begründet, warum es das Buch mit einem hellen und einem dunklen Cover zu kaufen gibt. Die Bücher unterscheiden nämlich sich nicht nur durch die Coverfarbe, sondern die Auszüge aus dem Reiseführer und die Zeitungsartikel sind inhaltlich unterschiedlich formuliert, bei der hellen Ausgabe optimistischer als bei der dunklen. Der Leser muss aber nicht auf Inhalte verzichten, ein Link am Ende des Buches verschafft Zugriff auf die Texte der jeweils anderen Ausgabe.

Fazit
„Qualityland“ hat mich sehr kurzweilig und gut unterhalten. Das Buch endet mich einem Knall, daher bin ich schon sehr gespannt auf die Fortsetzung in Band 2.

Veröffentlicht am 23.01.2021

Großartige Unterhaltung

Die Frau in der Themse
0

„Die Frau in der Themse“ ist ein sehr komplexes Buch. Grundsätzlich geht es um den rätselhaften Fall der Charlotte Reckitt, doch zugleich sucht der Pinkerton-Detektiv nach einem angeblich bereits verstorbenen ...

„Die Frau in der Themse“ ist ein sehr komplexes Buch. Grundsätzlich geht es um den rätselhaften Fall der Charlotte Reckitt, doch zugleich sucht der Pinkerton-Detektiv nach einem angeblich bereits verstorbenen Mann und irgendwie ist alles mit allem verknüpft. Es braucht Konzentration um den Überblick über all die Personen und deren Zusammenhänge zu. Aber gerade diese Verflechtungen machen den Fall so interessant und lassen den Leser viel spekulieren.

Price nimmt sich auch die Zeit die Hintergründe seiner Charaktere ausführlich zu erzählen. Es gibt lange Kapitel aus der Vergangenheit, etwa über die Beziehung zwischen Charlotte Reckitt und Adam Foole oder Ausflüge in die Jugend des William Pinkerton bei denen der Leser die Arbeit des Detektivbüros kennenlernt. Vor allem letzteres empfand ich als sehr interessant, auch weil es der Name Pinkerton war der mich ursprünglich zu dem Buch greifen lies.

Die Geschichte glänzt durch die hervorragende Beschreibung eines düsteren viktorianischen London. Es ist neblig, dunkel, schmutzig und voller Kohlenrauch - nur selten hat es ein Buch geschafft mir so klare Bilder vor Augen zu führen. Dazu gibt es Verfolgungsjagden per Kutsche, Besuche zwielichtiger Spelunken, sogar bis in die Kanalisation Londons führt Price den Leser.

Der hohen Seitenzahl (knapp 1000) wird der Autor zum Glück gerecht. Er hat seine Geschichte nicht mit Nebensächlichkeiten aufgebläht oder unnötig in die Länge gezogen, sondern er erzählt sie sehr durchdacht. Gewöhnungsbedörftig empfinde ich allerdings den Verzicht auf Anführungszeichen oder eine andere Hervorhebung des Gesprochenen. Price vermischt die wörtliche Rede einfach mit der restlichen Erzählung und verwendet nicht mal Absätze um sie zumindest ein wenig Hervorzuheben. Zu Beginn hat mich das enorm irritiert, ich habe mich aber erstaunlich schnell daran gewöhnt. Warum er sich so komplett gegen eine Interpunktion bei der wörtlichen Rede entschieden hat verstehe ich allerdings nicht.