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Veröffentlicht am 19.11.2024

Stürmische Ermittlungen mit einem Hauch von Frust

Der Sturm: Verachtet
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„Der Sturm: Verachtet“ ist der fünfte Band der Engelhardt-und-Krieger-Reihe und der mittlere Band der Sturm-Triologie. Karen Sander, ein Pseudonym der deutschen Autorin Sabine Klewe, hat sich auf hochkarätige ...

„Der Sturm: Verachtet“ ist der fünfte Band der Engelhardt-und-Krieger-Reihe und der mittlere Band der Sturm-Triologie. Karen Sander, ein Pseudonym der deutschen Autorin Sabine Klewe, hat sich auf hochkarätige Thriller spezialisiert. Sie ist bekannt für ihre atmosphärische und temporeiche Erzählweise sowie ihre Fähigkeit, vielschichtige Figuren mit Ecken und Kanten zu erschaffen.

Worum geht’s genau?

Nach einer Sturmflut auf dem Darß werden zwei Skelette freigelegt. Während Kriminalhauptkommissar Tom Engelhardt und die Kryptologin Mascha Krieger einen alten Fall lösen, bleibt die Identität der Toten zunächst ungeklärt. Ein Ring führt schließlich zur Identifikation einer Frau, die vor Jahren angeblich in die USA auswanderte. Doch die Ermittlungen geraten ins Stocken, als ihr Ehemann spurlos verschwindet. Parallel dazu kämpft das Ermittlerduo mit einem weiteren Fall, in dem ein gefährlicher Stalker sein Unwesen treibt. Mascha gelingt es schließlich, die Dateien auf einer mysteriösen CD zu entschlüsseln – und plötzlich nehmen beide Fälle eine völlig neue Wendung.

Meine Meinung

Ich hab das Buch als Hörbuch "gelesen". Da ich weder die Autorin noch die Engelhardt-und-Krieger-Reihe kannte, war ich neugierig, ob der Einstieg mit dem fünften Band gelingt. Tatsächlich kommt man gut und schnell in die Geschichte hinein, was sowohl der klaren Erzählweise als auch den kurzen Rückblicken zu verdanken ist. Dennoch hatte ich oft das Gefühl, dass mir das Verständnis für einige Zusammenhänge fehlte – vermutlich, weil ich die vorherigen Bände nicht kenne.

Die Geschichte wird aus mehreren Perspektiven erzählt, was mir gut gefallen hat, da es den Charakteren mehr Tiefe verleiht und die Handlung dynamisch gestaltet. Besonders spannend fand ich die schnellen Szenenwechsel und die verschiedenen Schauplätze, die die Ermittlungen lebendig halten, auch wenn sie in manchen Momenten etwas vor sich hin dümpeln.

Allerdings empfand ich die Vielzahl an Handlungssträngen als etwas überladen. Neben den Ermittlungen zu den Skeletten auf dem Darß spielt auch ein Stalker-Fall eine wichtige Rolle. Zwar sorgen beide Stränge für Spannung und Tempo, doch hätte ich mir eine klarere Fokussierung gewünscht. Gerade, weil einer der Fälle gegen Ende nicht vollständig aufgeklärt wird, hinterlässt das Hörbuch einige offene Fragen, die mich etwas unbefriedigt zurückgelassen haben. Für eine Reihe mag das üblich sein, aber ich persönlich bevorzuge in sich abgeschlossene Bände.

Das Hörbuch wird durch die Wahl des Sprechers, Oliver Siebeck aufgewertet. Seine klare Stimme und die Fähigkeit, unterschiedliche Charaktere stimmlich zu differenzieren, tragen maßgeblich zur Atmosphäre bei. Trotzdem konnte das nicht ganz über meine Frustration hinweghelfen, dass einige Aspekte des Falls unaufgelöst bleiben.

Fazit

„Der Sturm: Verachtet“ ist ein spannender Thriller mit vielen Wendungen, der besonders durch seine atmosphärische Dichte und die wechselnden Perspektiven punktet. Die Vielzahl an Handlungssträngen und das offene Ende haben mir jedoch etwas von der Freude genommen. Für Fans der Reihe sicherlich ein weiteres Highlight, für Neueinsteiger aber stellenweise schwer greifbar. 3 von 5 Sternen.

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Veröffentlicht am 19.11.2024

KEIN Einzelfall: Das System hinter der Polizeigewalt – und wie wir dagegen vorgehen können

Alles nur Einzelfälle?
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Mohamed Amjahid beleuchtet im Buch „Alles nur Einzelfälle?" die systemischen Probleme hinter Polizeigewalt und räumt mit dem Mythos der „Einzelfälle“ auf. Der Autor, geboren 1988, ist ein politischer Journalist ...

Mohamed Amjahid beleuchtet im Buch „Alles nur Einzelfälle?" die systemischen Probleme hinter Polizeigewalt und räumt mit dem Mythos der „Einzelfälle“ auf. Der Autor, geboren 1988, ist ein politischer Journalist und Buchautor, der für seine präzisen und mutigen Analysen bekannt ist. Mit Werken wie „Unter Weißen“ und „Der weiße Fleck“ hat er bereits viel Aufmerksamkeit erhalten. Als preisgekrönter Autor zeigt er auch hier wieder, dass er schwierige Themen nicht scheut. Im neusten Buch beleuchtet er ein hochaktuelles und brisantes Thema: Polizeigewalt und deren systematische Verwurzelung in der deutschen Sicherheitsarchitektur. Anhand repräsentativer Studien, investigativer Recherchen und persönlicher Erfahrungen deckt er auf, wie tief Rassismus, Machtmissbrauch und rechtsextreme Netzwerke in der Polizei verankert sind.

Worum geht's genau?

Das Buch untersucht die Strukturen und Mechanismen, die hinter Polizeigewalt stehen. Amjahid analysiert Racial Profiling, Machtmissbrauch, rechtsextreme Netzwerke und tödliche Polizeigewalt. Dabei macht er deutlich, wie tief diese Probleme in der Sicherheitsarchitektur Deutschlands verankert sind. Durch fundierte Recherchen, persönliche Erlebnisse und internationale Vergleiche zeigt er, dass es sich keinesfalls um isolierte „Einzelfälle“ handelt. Er beleuchtet auch, wie Vertuschung funktioniert und welche Schritte notwendig wären, um das System zu reformieren.

Meine Meinung

Ich bin ein großer Fan von Mohamed Amjahid, schätze seien gut recherchierten und sprachlich nahbaren Bücher und habe bereits „Let’s talk about sex, Habibi“ sowie „Unter Weißen“ mit Begeisterung gelesen. Daher habe ich sehnsüchtig auf dieses Buch gewartet – und ich wurde nicht enttäuscht. Angesichts des Umfangs des Buches (352 Seiten) und des Rechercheaufwands, der damit verbunden sein muss, bin ich beeindruckt, dass der Autor dieses Buch nur zwei Jahre nach seinem letzten veröffentlicht hat. Das umfangreiche Literaturverzeichnis, das nur über einen QR-Code abrufbar ist und gar nicht im Buch abgedruckt wurde (dann hätte es wahrscheinlich doppelt so viele Seiten), zeigt, wie tief der Autor in das Thema eingetaucht ist.

Was den Inhalt betrifft, bin ich begeistert von der umfassenden Beleuchtung des Themas. Der Autor beginnt bei der Ausbildung von Polizeibeamt:innen und zeigt, wie schwierig es ist, qualifizierte Kandidat:innen zu rekrutieren aber auch welche Folgen es haben kann, wenn eben die Anforderungen heruntergeschraubt und so auch unqualifizierte Personen den Polizeidienst antreten können. Er erklärt nachvollziehbar, wie das System der Polizeigewalt entsteht und sich nach außen absichert. Viele Themen, wie etwa Racial Profiling, waren mir zwar bekannt, aber andere Aspekte haben mich sehr überrascht – etwa das mangelnde Bewusstsein der Polizei im Umgang mit psychisch erkrankten Menschen und die oft katastrophalen Folgen, die daraus resultieren. Die Liste der Namen von Menschen, die durch Polizeigewalt gestorben sind am Ende des Buches macht die Tragweite des Problems greifbar und erinnert daran, dass es hier um reale Menschenleben geht.

Trotz der vielen ernsten und belastenden Themen schafft es der Autor, immer wieder eine Prise Humor einzubringen, etwa wenn er beschreibt, welche „Tricks“ er im Zug anwendet, um nicht aufgrund von Racial Profiling kontrolliert zu werden. Ich denke, dass dieser Humor notwendig ist, um das Buch emotional durchzuhalten, ohne überwältigt zu werden.

Ein weiteres Highlight ist das letzte Kapitel. Hier zeigt der Autor nicht nur, was bereits getan wird, um das System zu verändern, sondern gibt auch konkrete Beispiele für erfolgreich eingesetzte Maßnahmen wie Vorurteilstrainings, Bodycams oder Deeskalationstaktiken. Besonders hilfreich fand ich den praktischen Leitfaden, wie man als Zeuge/Zeugin von Polizeigewalt handeln kann. Das gibt dann doch etwas Hoffnung angesichts der sonst scheinbar aussichtslosen Situation, bei der man auch oft das Gefühl hat, man kann eh nur "den Kopf in den Sand stecken".

Last but not least möchte ich dem Autor meinen Dank und meine Bewunderung aussprechen. Als rassifizierte Person, die selbst Gewalt erfahren könnte und schon hat (auch darauf geht er im Buch ein), hat er trotzdem Mut gefunden, ein solch wichtiges Buch zu schreiben. Dass er trotz dieser Gefahren so ein wichtiges Buch geschrieben hat, verdient größten Respekt.

Was ich abschließend sagen möchte: Wenn ihr dieses Jahr nur ein Sachbuch lesen wollt – dann lasst es dieses sein. Aber sorgt für gutes Licht, denn die Schriftart ist kleiner als üblich ;) !

Fazit

Mohamed Amjahid gelingt es mit „Alles nur Einzelfälle?“ , ein schwieriges und emotional aufwühlendes Thema sachlich, umfassend und doch zugänglich darzustellen. Die fundierte Recherche und die Vielzahl an Perspektiven machen das Buch zu einem unverzichtbaren Beitrag in der Debatte um Polizeigewalt. Trotz des kleinen Abstrichs (dichte und kleine Schrift) vergebe ich 5 von 5 Sternen, weil die inhaltliche Qualität und der Mut, dieses Buch zu schreiben, einfach herausragend sind. Eine klare Leseempfehlung!

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Veröffentlicht am 19.11.2024

Kristina Lunz’ Plädoyer für Menschlichkeit und politische Haltung

Empathie und Widerstand
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"Empathie und Widerstand" ist ein Buch, das dazu anregen möchte, in schwierigen Zeiten Haltung zu zeigen und Wandel mit Menschlichkeit und Standhaftigkeit zu gestalten. Kristina Lunz, Mitgründerin des ...

"Empathie und Widerstand" ist ein Buch, das dazu anregen möchte, in schwierigen Zeiten Haltung zu zeigen und Wandel mit Menschlichkeit und Standhaftigkeit zu gestalten. Kristina Lunz, Mitgründerin des Centre for Feminist Foreign Policy (CFFP), hat sich durch ihre vielfältigen Tätigkeiten als Aktivistin, Autorin und Unternehmerin einen Namen gemacht. Mit beeindruckendem Lebenslauf und klarem Engagement ist sie eine der einflussreichsten jungen Stimmen für feministische Außenpolitik und soziale Gerechtigkeit.

Worum geht's genau?

Das Buch ist eine Mischung aus persönlicher Reflexion, Ratgeber und Aufruf zum Handeln. In einer einleitenden Passage erläutert Lunz ihre Motivation und Perspektive, aus der sie schreibt. Danach widmet sie sich den beiden zentralen Themen des Buches: Empathie und Widerstand. Sie beschreibt, wie wichtig es ist, Mitgefühl zu entwickeln und gleichzeitig zu wissen, wann man Widerstand leisten muss, um Wandel zu schaffen. Ihre Argumente untermauert sie mit zahlreichen Beispielen aus ihrer eigenen politischen Arbeit und Erfahrungen, die sie in verschiedenen kulturellen und sozialen Kontexten gesammelt hat. Dabei legt sie einen starken Fokus auf Menschlichkeit, Kompromissfähigkeit und die Bedeutung von Schwesterlichkeit („Sisterhood“) im aktivistischen Kontext.

Meine Meinung

"Empathie und Widerstand" war das erste Buch von Kristina Lunz, das ich gelesen habe, obwohl sie mir schon länger durch Social Media und Beiträge wie ihren Text im Essay-Sammelband "Unlearn Patriarchy" bekannt war. Meine Erwartungen waren hoch, da ich ihre Arbeit schätze – und ich wurde nicht enttäuscht.

Das Buch liest sich sehr flüssig, und ihr Sprachstil ist klar und verständlich, selbst für Menschen, die sich noch nicht intensiv mit den angesprochenen Themen beschäftigt haben. Fremdwörter oder komplexere Begriffe werden direkt im Text erklärt, was den Zugang erleichtert. Mit nur 160 Seiten ist das Buch kompakt und gut zu bewältigen, ohne dass es an Substanz fehlt. Besonders die einleitenden Kapitel, in denen Lunz ihre Motivation für das Buch erläutert, haben mir gefallen. Es gibt dem Buch eine klare Richtung und vermittelt ihre Perspektive als Autorin deutlich.

Die Gliederung in die Themen Empathie und Widerstand ist sinnvoll, und ihre Praxisbeispiele nachvollziehbar und hilfreich zur besseren Einordnung. Sie fordert ihre Leser:innen dazu auf, immer wieder neu abzuwägen, wann Mitgefühl der richtige Ansatz ist und wann es Zeit wird, Widerstand zu leisten. Ihre Reflexionen über die Herausforderungen politischer Arbeit, die oft mit schwierigen Kompromissen verbunden ist, sind besonders wertvoll. Sie zeigt, wie wichtig es ist, Grautöne auszuhalten und dabei nie aus den Augen zu verlieren, was uns alle verbindet: Das Mensch-Sein mit all den Rechten und Pflichten, die dazugehören (Menschenrechte).

Ein Aspekt, der mich besonders überzeugt hat, ist ihre Betonung von Sisterhood und der Raum, den sie in ihrem Buch anderen Autorinnen und Aktivistinnen bietet. Dieser solidarische Ansatz zieht sich wie ein roter Faden durch das Buch und gibt ihm zusätzliche Tiefe.

Allerdings gab es auch einige Schwächen. Es gab zahlreiche Wiederholungen, die das Lesen an manchen Stellen ein wenig monoton machten. Zudem hätte ich mir gewünscht, dass manche Punkte pointierter ausgearbeitet wären. Das Buch wirkt insgesamt eher wie ein persönlicher Ratgeber als ein Sachbuch, weshalb ich mir mehr Fakten und analytische Tiefe erwartet hätte. Nichtsdestotrotz kann ich es auf jeden Fall empfehlen und bin jetzt auch neugierig auf ihr erstes Buch "Die Zukunft der Außenpolitik", das ich auf jeden Fall noch lesen werde.

Fazit

"Empathie und Widerstand" ist ein inspirierendes und wichtiges Buch, das mit klarer Sprache und lebendigen Beispielen dazu anregt, Menschlichkeit und Standhaftigkeit in schwierigen Zeiten zu verbinden. Zwar bleibt es stellenweise etwas oberflächlich, doch der persönliche Ansatz und die authentische Perspektive machen es lesenswert. 4 von 5 Sternen.

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Veröffentlicht am 17.11.2024

Bücher, die Leben verändern – ein Porträtband mit Potenzial

Über Lebensbücher
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"Über Lebensbücher" ist eine Sammlung von Porträts, in denen 17 Frauen über die Literatur sprechen, die ihr Leben geprägt und in schwierigen Zeiten begleitet hat. Die Autorin Uschi Korda, Journalistin ...

"Über Lebensbücher" ist eine Sammlung von Porträts, in denen 17 Frauen über die Literatur sprechen, die ihr Leben geprägt und in schwierigen Zeiten begleitet hat. Die Autorin Uschi Korda, Journalistin und ehemalige Chefredakteurin von Servus in Stadt & Land, ist bekannt für ihre vielseitigen Reportagen und Interviews. In diesem Buch beleuchtet sie die transformative Kraft von Büchern durch die Perspektive unterschiedlicher Frauen, die sie befragt hat.

Worum geht's genau?

Das Buch widmet sich der Frage, welche Bücher Frauen in entscheidenden Momenten ihres Lebens geholfen haben. Die porträtierten Frauen, darunter Schauspielerinnen, Wissenschaftlerinnen, Künstlerinnen und Buchhändlerinnen, teilen ihre persönlichen Erfahrungen mit Literatur, die sie inspiriert oder unterstützt hat. Dabei geht es um Bücher, die in Krisen Mut machten, bei wichtigen Entscheidungen halfen oder die Sicht auf die Welt nachhaltig veränderten. Der Fokus liegt auf der individuellen Verbindung zwischen Leser:innen und Werk, untermalt von einem klar erkennbaren Bezug zur österreichischen Kultur- und Literaturszene.

Meine Meinung

Ich habe das Buch im Rahmen einer Leserunde gelesen und war zunächst von der grafischen Gestaltung begeistert. Es ist optisch ansprechend und lädt dazu ein, sich mit den Lebens- und Leseerfahrungen der porträtierten Frauen auseinanderzusetzen. Besonders gefallen hat mir die Vielfalt der Frauen – und meine Highlights waren die Texte rund um die Museumsdirektorin Barbara Staudinger und die Schauspielerin Proschat Madani. Hier zeigt sich die Stärke des Buches: Es bietet Einblicke in sehr unterschiedliche Lebenswelten und Erfahrungen.

Allerdings blieb das Buch für meinen Geschmack inhaltlich oft zu oberflächlich. Viele der porträtierten Frauen und ihre „Überlebensbücher“ konnte ich nach dem Lesen kaum in Erinnerung behalten, da die Texte oft nur an der Oberfläche kratzten und auch in der Menge untergehen. Stattdessen hätte ich es bevorzugt, weniger Frauen ausführlicher vorzustellen, um tiefere Einblicke in ihre Persönlichkeiten und die Bedeutung der besprochenen Bücher zu gewinnen.

Auch ein einleitendes Kapitel zur Idee hinter der Textreihe hätte dem Buch gutgetan. Es fehlte eine klare Erklärung der Motivation und Zielsetzung, was den Einstieg etwas holprig machte. Zudem war der starke Österreich-Bezug spürbar: Wiederholt wird auf die Werke von Ingeborg Bachmann verwiesen, die in mindestens drei Kapiteln als prägend erwähnt wird.

Der Schreibstil von Uschi Korda überzeugt jedoch durchweg. Ihre Tonalität ist zugänglich und elegant, was das Lesen angenehm macht. Wer sich für die Verbindung von Frauen, Literatur und Lebensgeschichten interessiert, könnte an diesem Buch Freude finden. Besonders empfehlenswert ist es für Leser:innen, die bereits eine Affinität zur österreichischen (Frauen-)Literaturszene haben. Wem das Buch gefallen hat, dem würde ich auch "Unter Frauen. Geschichten vom Lesen und Verehren" ans Herz legen.

Fazit

"Über Lebensbücher" ist ein optisch und stilistisch gelungenes Buch, das interessante Ansätze bietet, aber inhaltlich oft an der Oberfläche bleibt. Mit einem stärkeren Fokus auf die Tiefe der Porträts hätte es deutlich mehr Potenzial entfalten können. Dennoch ist es ein schönes Werk für zwischendurch, das literarische Inspiration liefert. 3 von 5 Sternen.

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Veröffentlicht am 17.11.2024

Die Postkarte: Ein literarisches Mahnmal gegen das Vergessen

Die Postkarte
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Das Besondere dieser Katastrophe beruht auf dem Paradox ihres zugleich schleichenden und plötzlichen Eintretens. Man blickt zurück und fragt sich, warum man nicht früher reagiert hat, als man noch alle ...

Das Besondere dieser Katastrophe beruht auf dem Paradox ihres zugleich schleichenden und plötzlichen Eintretens. Man blickt zurück und fragt sich, warum man nicht früher reagiert hat, als man noch alle Zeit der Welt besaß. - Buchzitat, S. 102/103
Ich darf sie nicht vergessen, sonst gibt es niemanden mehr, der sich daran erinnert, dass sie gelebt haben. - Buchzitat, S. 536
"Die Postkarte" von Anne Berest ist eine eindringliche Familiengeschichte, die den Holocaust, Antisemitismus und Identitätssuche thematisiert. Die französische Autorin, bekannt für Werke wie "Traurig bin ich schon lange nicht mehr" und "How to be a Parisian", verbindet hier persönliche Recherche und literarische Erzählkunst. Ihr Roman wurde nicht nur ein Bestseller in Frankreich, sondern steht auch auf der Shortlist zahlreicher Literaturpreise.

Worum geht’s genau?

Im Januar 2003 findet die Mutter von Anne Berest eine Postkarte mit vier Namen – denjenigen von Angehörigen, die in Auschwitz ermordet wurden. Dieses verstörende Dokument weckt Annes Interesse an der Vergangenheit ihrer Familie, den Rabinovitchs, und den Wurzeln ihres jüdischen Erbes. Ihre intensive Recherche beginnt, als ihre eigene Tochter in der Schule Antisemitismus erfährt. Der Roman erzählt sowohl die tragische Geschichte der Familie im Holocaust als auch Annes Spurensuche in der Gegenwart. Er zeigt eindrücklich, wie die Schrecken der Vergangenheit und die Fragen nach Identität und Normalität bis heute nachwirken.

Meine Meinung

Ursprünglich hätte ich dieses Buch, vor allem wegen des Klappentextes und seines Umfangs von über 500 Seiten, nicht gelesen. Doch eine Empfehlung in einem Buchcafé hat mich neugierig gemacht – und ich wurde nicht enttäuscht. Es ist ein Werk, das durch seine Aktualität besticht: In einer Zeit, in der Antisemitismus und Rechtspopulismus wieder auf dem Vormarsch sind, ist "Die Postkarte" nicht nur literarisch, sondern auch gesellschaftlich bedeutsam.

Das Buch teilt sich in vier Abschnitte, die in ihrer Länge variieren, was ich im Aufbau manchmal nicht nachvollziehbar fand, da die Längen der einzelnen Abschnitte stark variierten. Besonders aber die erste Hälfte des gesamten Buches hat mich begeistert: Die eindrucksvolle Schilderung der Lebenssituation der Rabinovitchs vor und während des Holocausts ist packend und emotional tiefgehend. Anne Berest gelingt es, die Zuspitzung der familiären und politischen Lage beklemmend darzustellen. Der zweite Teil, in dem sie ihre eigene Spurensuche beschreibt, war anfangs spannend, verlor für mich jedoch gegen Ende an Zugkraft.

Die Mischung aus autobiografischen und fiktiven Elementen bleibt für die Leser:innen unklar, was mich persönlich nicht gestört hat – im Gegenteil, es unterstreicht die komplexe Verbindung von Geschichte und persönlichem Erleben. Die wechselnden Zeitebenen zwischen Vergangenheit und Gegenwart sind geschickt verwoben und machen deutlich, wie Antisemitismus bis heute nachwirkt. Gerade die Passagen, die Annes Gegenwart beschreiben, mahnen, dass wir unsere Augen vor der Realität nicht verschließen dürfen.

Stilistisch war "Die Postkarte" genau nach meinem Geschmack. Anne Berests Sprache ist lebendig und bildhaft, ihre Erzählweise eine gelungene Mischung aus journalistischer Präzision und literarischem Feingefühl. Gegen Ende des Buches hatte ich fast die Befürchtung, dass wir nicht mehr erfahren, wer die Postkarte geschickt hat - aber keine Angst - das Geheimnis wird gelüftet

Fazit

"Die Postkarte" ist ein eindrucksvoller Roman, der Geschichte und Gegenwart miteinander verknüpft und wichtige Themen wie Antisemitismus und Identität behandelt. Obwohl der zweite Teil an Dynamik verliert, bleibt das Buch insgesamt ein fesselndes und relevantes Werk. 4,5 von 5 Sternen.

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