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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 30.05.2019

Was wirklich zählt

Der Himmel ist nicht weit
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Catherine Ryan Hyde schreibt erfolgreich gefühlvolle Romane mit Niveau. Der Himmel ist nicht weit gehört auch dazu.
Eine Anwältin aus der Stadt beschließt ihren Beruf aufzugeben und aufs Land zu ziehen. ...

Catherine Ryan Hyde schreibt erfolgreich gefühlvolle Romane mit Niveau. Der Himmel ist nicht weit gehört auch dazu.
Eine Anwältin aus der Stadt beschließt ihren Beruf aufzugeben und aufs Land zu ziehen. In ihrem Landhaus sind aber eine junge Mutter (Pattie) und ihre 5jährige Tochter Willa und Rosie bringt es nicht über sich, sie rauszuschmeißen.
Dann tauchen auch noch andere Leute auf, die auf ihrem Land kampieren. Ein junger Ex-Soldat, ein achtzigjähriger Mann und dann auch noch ein altes Pferd namens Ernst.

Schließlich besucht auch noch ihr erwachsener Sohn sie, von dem sie sich entfremdet hatte.

Wie langsam aus dieser Gesellschaft eine Familie wird, ist anrührend zu lesen.

Es gibt auch viele amüsante Passagen, z.B. mit Ernst, der auch gerne mal die Scheibenwischer von Rosies teurem Auto frisst.
Die Autorin vergibt aber auch Chance. Wie sich Rosies Beziehung zu ihrem Sohn bessert wird ausführlich beschrieben, dafür gibt es kaum noch Szenen zwischen Rosie und Pattie und Willa.
Ich habe den Roman gerne gelesen, aber es bleibt ein Bedauern darüber, dass manche Potenziale verschenkt wurden. Dennoch ist es ein angenehm zu lesender, gut unterhaltender Roman.

Veröffentlicht am 28.05.2019

Mehr als 50 Gräber

Die Nickel Boys
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Die Nickel Boys ist der neue Roman des vielfach preisgekrönten US-amerikanischen Schriftstellers Colson Whitehead, der hiermit ein wichtige Thema der Zeitgeschichte des zwanzigsten Jahrhunderts aufnimmt. ...

Die Nickel Boys ist der neue Roman des vielfach preisgekrönten US-amerikanischen Schriftstellers Colson Whitehead, der hiermit ein wichtige Thema der Zeitgeschichte des zwanzigsten Jahrhunderts aufnimmt.
1962 ist eine besondere Zeit für die afroamerikanischen Menschen. Martin Luther King beeinflusste sie. Auch der junge Elwood Curtis ist von ihm beeindruckt. Aber der alltägliche Rassismus ist überall spürbar, Rasentrennung ist noch nicht angeschafft.

Elwood ist ein guter Schüler, aber durch einen Zufall kommt er schuldlos in die Jugendreformschule der Nickel Akademie. Ein Ort, in der Misshandlungen an der Tagesordnung sind. Eine rassistische Hölle, in der es vorkommt, dass manche Kids für immer verschwinden.
Mehr als 50 nicht gekennzeichnete Gräber werden nach Schließung der Anstalt gefunden.

Die Nickel-Boys hat nicht ganz die Wucht von Underground Railroad, aber er hat auch ein wichtiges Thema und mit dem sensiblen Elwood, der unvorbereitet in diese abartige Umgebung kommt, eine funktionierende Hauptfigur. Er ist klug, aber hilflos. Man kann ihn gut verstehen und die passende Sprache des Romans ermöglicht es, sich mit ihm zu identifizieren.
Der Roman schafft es gut, zu zeigen, was die Situation bei den Betroffenen auslöst und wie es sie prägt. Das ergibt sich zum Beispiel auch in den Diskussionen zwischen Elwood und seinem ebenfalls einsitzenden Freund Turner. Ist es wichtiger einfach nur zu überleben, egal wie oder ist es genauso wichtig, seine Anständigkeit nicht zu verlieren, um sich selbst nicht zu verlieren.

Mich hat das Buch so beeindruckt, das ich gleich noch ein älteres Buch (John Henry Days) von Colson Whitehead bestellt habe.

Die Hörbuchausgabe wird von Torben Kessler gelesen, der vor kurzen schon sehr mit Das Verschwinden der Stephanie Mailer von Joel Dicker überzeugt hatte und für mich momentan zu den Top-Sprechern anspruchsvoller Unterhaltungsliteratur gehört.

Veröffentlicht am 27.05.2019

augenzwinkernd erzählt

Das Glück ist ein Vogerl
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Der augenzwinkernde Buchtitel Das Glück ist ein Vogerl deutet schon an, dass es sich um einen vergnüglichen Roman handelt. Es ist der Debütroman der Drehbuchautorin Ingrid Kaltenegger. Schauplatz ist in ...

Der augenzwinkernde Buchtitel Das Glück ist ein Vogerl deutet schon an, dass es sich um einen vergnüglichen Roman handelt. Es ist der Debütroman der Drehbuchautorin Ingrid Kaltenegger. Schauplatz ist in Österreich, das spürt man als Leser bei den Dialogen stark.
Zwar würde ich das Buch nicht als besonders wichtig oder anspruchsvoll einstufen, aber es ist gute Unterhaltung.

Aufgrund des parodistischen Ansatzes verwundert es nicht, dass es sich bei den handelnden Figuren um Stereotypen handelt.
Franz, der frustrierte Lehrer, der mit 48 Jahren immer noch einer vergebenen Musikerkarriere nachtrauert.
Seine Frau Linn, die mit der Ehe unzufrieden ist und Hilfe von einem Lebenstrainer erhofft.
Dann die gemeinsame Tochter, natürlich dauerpubertierend und entsprechend schlecht drauf.
Und der alte Physiker Egon, der schusselig ist und einen Autounfall nicht überlebt.
Franz ist der letzte, den Egon vor seinem Tod sah. Grund genug künftig Franz als Geist zu begleiten, auf der Mission, die Liebe seines Lebens wiederzutreffen.
Entsprechend chaotisch und witzig geht die Handlung weiter.

Ein amüsanter Roman!

Veröffentlicht am 25.05.2019

Lebensabschnitt, literarisch betrachtet

Was das Leben kostet
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Deborah Levy schreibt in diesem Memoir-Buch autofictional. Also ist die Icherzählerin jemand, der die Eckdaten der Autorin teilt und sogar ihre Bücher schreibt und doch nicht ganz sie ist. So erhält Levy ...

Deborah Levy schreibt in diesem Memoir-Buch autofictional. Also ist die Icherzählerin jemand, der die Eckdaten der Autorin teilt und sogar ihre Bücher schreibt und doch nicht ganz sie ist. So erhält Levy die Möglichkeit, sich selbst und ihre Emotionen zu analysieren
Diese Form beherrscht Deborah Levy gut und Prosa und Essay vermengen sich im Text.
Die Icherzählerin schreibt stark reflektierend und zeigt den Alltag nach ihrer Trennung. Sie muss für sich und ihre Töchter ein neues Zuhause schaffen und einen Platz für s Schreiben finden und nicht zuletzt ausreichend Geld verdienen.

Die Überlegungen sind häufig philosophischer Natur, manches bezieht sich auf Simone de Beauvoir, Marguertite Duras oder sogar Martin Heidegger.

In der zweiten Hälfte des Buches liegt der Schwerpunkt auf den Erinnerungen an die verstorbene Mutter.

Der relativ kurze, aber stark verdichtete Text wurde aus dem Englischen von Barbara Schaden übersetzt, gefühlsmäßig sehr gut, würde ich sagen.

Veröffentlicht am 24.05.2019

Eine New Yorker Ikone

"Ich würde so etwas nie ohne Lippenstift lesen."
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Ich würde so etwas nie ohne Lippenstift lesen ist ein witziger Titel, der an eine andere Persönlichkeit erinnert, die scharfzüngige Dorothy Parker.
Die Journalistin und Schriftstellerin Maeve Brennan ...

Ich würde so etwas nie ohne Lippenstift lesen ist ein witziger Titel, der an eine andere Persönlichkeit erinnert, die scharfzüngige Dorothy Parker.
Die Journalistin und Schriftstellerin Maeve Brennan (1917–1993) war praktisch ihre Nachfolgerin. Sie war Redakteurin beim New Yorker und u.a. mit Trumans Capote bekannt.
Sie war „todschick, selbstbewusst, berufstätig und eine feste Größe in einer männerdominierten Öffentlichkeit“.
Auch für ein Mode- und Gesellschaftsmagazin schrieb sie, daher spielt auch die Welt der Mode eine Rolle in diesem Buch. Die emanzipierte Brennan war offensichtlich auch äußerlich eine Stilikone und „vielleicht“ das äußerliche Vorbild für die Hauptfigur von Frühstück bei Tiffany.

Ein Buch über Maeve Brennan ist aber vor allen auch eins über New York, insbesondere Manhattan, und auch über ihre irischen Wurzeln. Sie war 17 als sie in die USA kam. Ihre Karriere beim New Yorker und mit ihren literarischen Texten war bemerkenswert, bis sie später aufgrund Krankheit in Vergessenheit geriet.
Die Abschnitte über Brennans Arbeit als Literaturkritikerin und Kolumnistin fand ich amüsant. Die kritisierten Autoren waren das wahrscheinlich nicht, denn Brennan hatte eine scharfe Zunge und einen geschliffenen, glasklaren Verstand.
Aber auch die Passagen, in denen es um Maeve Brennans eigene Literatur geht, sind lesenswert.
Michaela Karl gelang eine interessante Biografie, bei der sie die Besonderheiten der Persönlichkeit Maeve Brennans herausarbeitete und besondere Momente festhielt.