Krabat gehört zu meinen absoluten Lieblingsbüchern unter dem weiten weiten Himmel. Leider hat das fantastische Werk durch seine "Misshandlung" als Schullektüre einen sehr schlechten Ruf. Obwohl ich diese Meinung nicht teile, kann ich verstehen, warum dieser Ruf dennoch existiert. Das Problem ist weitestgehend die Tatsache, dass Krabat als Lektüre schlicht und ergreifend beinahe "zu Tode" interpretiert wurde. Ich bin durchaus der Ansicht, dass Preussler die Leserschaft auf bestimmte Dinge aufmerksam machen wollte, aber ich habe an Schultafeln auch schon vieles stehen sehen, was wirklich wenig mit der Geschichte an sich zu tun hatte. Was die Sache zusätzlich noch erschwert ist, dass man (ich sag das jetzt mal so) eine bestimmte Art von Leser sein muss, um das Buch in allen Zügen genießen zu können. Was ich damit sagen will, ist folgendes: Es ist ein wunderbares Buch; aber nicht für jeden Leser geeignet, auch, wenn es durchaus an alle gerichtet ist.
Ich bin selbst zum ersten Mal über Krabat als Schullektüre gestoßen in dem Jahr, in dem Otfried Preussler gestorben ist. Obwohl wir das Buch nur kurz angerissen haben (wofür ich wirklich dankbar bin), hat es mich bereits nach dem ersten Kapitel nicht mehr losgelassen. Die große Schwierigkeit besteht bei dem Buch aber für jemanden, dem das nicht so geht. Wenn man nicht dazu bereit ist, das Buch, seine Charaktere und seine Geschichte verstehen zu wollen, grenzt es tatsächlich eher an eine skurrile Horrorgeschichte als an ein Jugendbuch. Zwar gibt es diese Randaspekte durchaus -es ist eben kein Buch für Feiglinge-, aber sie sind nicht Hauptbestandteil des Werkes. Das ist etwas, das man beim Lesen immer im Hinterkopf bewahren sollte.
Nun aber ein wenig mehr zum Buch selbst. Wenn man denn zur Leserschaft gehört, wird man das eigentliche Thema des Buches relativ schnell erkennen. Im Kern ist Krabat eine Geschichte über Mut, Selbstbewusstsein und die Auswirkung von Macht auf Menschen. Dabei ist vor allem der Mut ein besonderes Thema. Mut zeigt sich hier nicht, wie in so vielen anderen Geschichten durch Leichtsinn, sondern durch Krabats innere Charakterstärke und der damit verbundenen Fähigkeit, die eigene Angst zu überwinden.
Dabei ist unser Protagonist Krabat zu Beginn ironischerweise der ängstlichste von allen. Mehr oder weniger freiwillig gerät er in ein Netz aus Magie und dunklen Mächten, dem gegenüber er zunächst selbst ziemlich ratlos steht. Im Laufe der Geschichte, die sich über einen Zeitrahmen von drei Jahren spannt, passt er sich zunehmend an dieses neue System an, um ihm nicht selbst zum Opfer zu fallen. Diesen Part spielt er zu seinem Pech leider etwas zu gut. Im weiteren Verlauf verliert er nämlich einen großen Teil seiner kindlichen Naivität, was ihn zuerst besser stellt als seine Stubengefährten Tonda und Michal. Er ist klüger als beide. Leider macht ihn der Kontakt mit den dunklen Mächten viel ehrgeiziger als gut für ihn wäre, weshalb er die Gefahr, die ihm droht erst sehr spät erkennt. Als er sich endlich dazu entschließt, dem grausamen System die Stirn zu bieten ist es beinahe ZU spät. Nur mit Unterstützung von unerwarteter Seite hat er überhaupt eine Chance. Im entscheidenden Moment schafft er es allerdings seinen ganzen Mut zusammen zu nehmen und auf Kosten seiner eigenen Kräfte das Ende herbeizuführen. Letztendlich gelingt ihm dies aber nur durch die positive Kraft der Liebe und nicht durch seine eigene dunkle Magie.
Diese Entwicklung, macht Krabat für mich zu einem der besten Jugendbücher, die ich in meinem Leben lesen durfte. Im Endeffekt ist die Geschichte zwar ähnlich zu denen der heutigen Jugendliteratur, ist aber historisch und vom Handlungshintergrund her so absolut genial und einzigartig verpackt, dass es nichts vergleichbares gibt. Von der Denkweise ist das Buch eines der modernsten und fortschrittlichsten, die ich kenne, obwohl es doch schon ein gewisses Alter hat.
Einen halben Stern Abzug muss ich leider geben, weil mir persönlich das Ende viel zu kurz ist. An sich ist es zwar ausreichend, um der Geschichte einen Schluss zu geben, aber ich würde mir trotzdem wünschen, es wäre nicht so knapp formuliert...
Danke für die Aufmerksamkeit
Jamie Sterling