Cover-Bild Das Lied des Propheten
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20,99
inkl. MwSt
  • Verlag: Klett-Cotta
  • Themenbereich: Belletristik - Belletristik: zeitgenössisch
  • Genre: Romane & Erzählungen / Sonstige Romane & Erzählungen
  • Ersterscheinung: 13.07.2024
  • ISBN: 9783608123272
Paul Lynch

Das Lied des Propheten

Roman
Eike Schönfeld (Übersetzer)

»Wenn es so etwas wie ein zentrales Buch für unsere Zeit gibt, dann ist es dieses. Brilliant und Eindringlich« The Observer
An einem regennassen Abend in Dublin öffnet die Wissenschaftlerin und vierfache Mutter Eilish Stack ihre Haustür und steht zwei Beamten der neu gegründeten irischen Geheimpolizei gegenüber. Sie sind gekommen, um ihren Mann Larry, einen bekannten Gewerkschafter, zu verhören. Kurz nach dieser Begegnung verschwindet Larry, und sehr schnell beginnen die Dinge in Eilishs Welt aus dem Ruder zu laufen.
Irland befindet sich in der Gewalt einer Regierung, die auf dem Weg in die Tyrannei ist. Eilish findet sich in der alptraumhaften Logik einer kollabierenden Gesellschaft wieder, angegriffen von unsichtbaren Kräften, die sich ihrer Kontrolle entziehen. Sie ist gezwungen, alles zu tun, um ihre Familie zu schützen und alle zusammenzuhalten. Wie soll sie ihren Kindern erklären, was passiert ist, wenn sie nach dem Vater fragen? Wie wird ihr eigener zunehmend dementer Vater auf die gravierenden Veränderungen seines Alltags reagieren? Und wie weit wird Eilish selbst gehen, um sich und ihre Familie zu retten? »Das Lied des Propheten« ist ein atemloses Porträt einer Familie am Rande der Katastrophe, das stilistisch und emotional seinesgleichen sucht. Paul Lynchs meisterhafter Roman ist das Buch der Stunde – und ein Appell, die entstehenden autoritären Regime der Gegenwart zu bekämpfen.
»Einen Triumph des emotionalen Erzählens, mutig und anregend« Booker Prize Jury
»Ein wichtiges und unvergessliches Leseerlebnis.« The Guardian
»Einer der erschütterndsten und provokativsten Romane, die ich seit langem gelesen habe.« Scotsman
»Paul Lynch ist einer der meistgefeierten irischen Schriftsteller seiner Generation und ›Das Lied des Propheten‹ ist Irlands ›1984‹.« Telegraph
»Ein Meisterwerk« Big Issue

»Erschreckend plausibel« Irish Times

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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 10.07.2024

Bleibt inhaltlich hinter den Erwartungen zurück, sprachlich gekünstelt

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In einem Podcast hatte ich eher zufällig von der englischen Original-Ausgabe von „Das Lied des Propheten“ gehört. Da ich ein Faible für Dystopien habe, war ich sofort neugierig, und auch die Auszeichnung ...

In einem Podcast hatte ich eher zufällig von der englischen Original-Ausgabe von „Das Lied des Propheten“ gehört. Da ich ein Faible für Dystopien habe, war ich sofort neugierig, und auch die Auszeichnung mit dem Booker Prize 2023 hat meine Erwartungen entsprechend hoch gesteckt.

Nach der Lektüre bleibe ich nun mit gemischten Gefühlen zurück.
Die Thematik ist hochaktuell, extreme Parteien gewinnen an Zulauf und das kostbare Gut der Demokratie und der freiheitlichen Grundrechte ist auch in Europa in Gefahr. Paul Lynchs in Irland angesiedelter Roman wirkt daher erschreckend realistisch.

Zentrale Figur ist die Mittvierzigerin Eilish, promovierte Mikrobiologin, Ehefrau des Lehrers und Gewerkschaftsführers Larry und Mutter von Ben (ca. 1), Bailey (12), Molly (14) und Mark (16). In Irland wurden aufgrund nicht näher bezeichneter politischer Umstände die Grundrechte per Notverordnung eingeschränkt und die Gewerkschaften vom neu installierten Geheimdienst massiv unter Druck gesetzt. Nach einer gewerkschaftlich organisierten Demonstration kehrt Larry eines Tages nicht mehr nach Hause zurück. Eilish sieht sich mit der Ungewissheit um ihren Mann und die Sicherheit ihrer Kinder konfrontiert, hinzu kommt die Sorge um ihren demenzkranken Vater. Die Lage spitzt sich zu, die Medien werden gleichgeschaltet, Posten in der Wirtschaft, dem öffentlichen Dienst und im Bildungswesen regimetreu besetzt, es kommt zu Ausschreitungen zwischen dem Militär und Rebellengruppen. In einer Welt, in der plötzlich alles auseinanderbricht, versucht Eilish verzweifelt, ihre Familie zusammenzuhalten.

Paul Lynch legt den Fokus klar auf Eilish und ihre Emotionen und Gedanken. Die politischen und ideologischen Hintergründe bleiben im Dunkeln, auch die gesellschaftlichen Umbrüche, die internationalen Reaktionen, Taktik und Formierung der Rebellengruppen, die Möglichkeiten der Überwachung bleiben vage. Hierdurch wirkt der Roman einerseits universell, andererseits auch etwas beliebig. Ich hätte mir hier an manchen Stellen eine etwas stärkere Ausgestaltung gewünscht.

Sehr anschaulich zeigt Lynch hingegen, wie schwer es für die Menschen ist, ihre gewohnte Umgebung und ihr bisheriges Leben samt sozialen Zusammenhängen, Beruf und Haus zurückzulassen. Von außen betrachtet fällt es oft leicht, zur Flucht zu drängen, doch für die Betroffenen selbst ist die Entscheidung unsagbar schwierig und wird lange, manchmal zu lange hinausgezögert. In diesem Zusammenhang ist mir ein Satz im Buch ganz besonders im Gedächtnis geblieben, gesprochen von Eilishs Schwester in Kanada: „Die Geschichte ist eine stumme Liste derer, die nicht wussten, wann sie gehen müssen.“

Etwas befremdlich fand ich Paul Lynchs Schreibstil, und es gelang mir bis zum Schluss nicht, damit wirklich warm zu werden. Er verzichtet komplett auf Abschnitte/Absätze und in der direkten Rede auf Anführungszeichen. Dies soll wohl ein gewisses Tempo erzeugen, bewirkte bei mir jedoch das Gegenteil. Viele Passagen musste ich mehrfach lesen, um in Dialogen die Textanteile den jeweiligen Sprecher/innen korrekt zuzuordnen. Durch die fehlenden Absätze findet man sich zudem immer wieder unvermittelt in einer neuen Situation wieder, die man erst einmal zeitlich und räumlich einordnen muss.

Lynch nutzt teils ungewöhnliche Sprachbilder ( „(…) und ist die Lüge erst erkannt, bleibt sie aus dem Mund gewachsen wie eine tot züngelnde Giftblume.“) und verknüpft Motive aus der Natur mit Eilishs Empfinden: „Sie hört einen langen, seufzenden Atemzug, dann statische Stille gleich einem Regendunkel, das fühlbar ist, ein Regen, der aus dem Dunkel fällt und sie alle wäscht, der dunkle Regen, der in den Mund ihres Sohnes fällt.“ (Kapitel 4, Telefonat zwischen Eilish und ihrem Sohn). Hier muss ich gestehen, dass mir der Sprachstil nicht entgegen kam. Wollte Lynch hierdurch Eilishs Denken und Fühlen besonders intensiv und nachdrücklich beschreiben, so erreichte es bei mir leider nicht den gewünschten Effekt. Ich empfand die Bilder als konstruiert und künstlich und blieb daher emotional eher auf Distanz zu Eilish. An manchen Stellen wirkte das Buch auch grammatikalisch nicht stimmig („Der Geldautomat am Ende der Straße zeigt auf dem Display einen Briefkasten aus geborstenem Licht, ein Schild im Fenster des Lädchens mit Edding sagt:“) oder sprachlich schief (etwa wenn „Amtsbezeichnungen“ mit „Insignien“ synonym verwendet werden, obwohl letztere Amtsabzeichen oder Hoheitssymbole sind). Hier habe ich mich des Öfteren gefragt, ob dies bereits im englischen Original so formuliert ist, da mit Eike Schönfeld ein äußerst renommierter Übersetzer am Werk war.

Die Geschichte wird anfangs sehr detailliert erzählt und nicmmt nur allmählich Fahrt auf, gewinnt vor allem im letzten Drittel an Dynamik, um dann, wenn es wirklich packend wird, Einzelheiten zu überspringen und relativ abrupt zu enden. An einigen Stellen erschien mir die Handlung in sich etwas unrund, etwa wenn der Autor unbedingt Parallelen zu Geflüchteten in Schlauchbooten ziehen möchte, die hier doch etwas aufgesetzt wirken.

Insgesamt bin ich hin- und hergerissen, wie ich „Das Lied des Propheten“ einordnen soll. Ich möchte dieses Buch so gerne mögen, und hadere doch mit dem gekünstelt-poetischen Sprachstil und manchen Unstimmigkeiten. Leider erreicht es für mich weder die sprachliche und konzeptionelle Wucht noch die enorme Weitsicht von Dystopie-Klassikern wie „1984“.

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