Hexenjagd im Paradies
Als in der Vorstadtidylle die Gerüchteküche zu brodeln beginnt, verwandelt sich das vermeintliche Paradies innerhalb kürzester Zeit in einen Ort aus Misstrauen und Anfeindung, gipfelnd in einer von Hass ...
Als in der Vorstadtidylle die Gerüchteküche zu brodeln beginnt, verwandelt sich das vermeintliche Paradies innerhalb kürzester Zeit in einen Ort aus Misstrauen und Anfeindung, gipfelnd in einer von Hass getriebenen Hexenjagd. Dabei ist es vor allem das Gefühl des eigenen Versagens, des "wie konnten wir das nicht ahnen". Gutgemeinte Überlegungen und angeregte Diskussionen schlagen um in Hasstiraden, vor allem auf digitaler Ebene, wo es leichtfällt die Hemmungen fallen zu lassen und Anschuldigungen zu verbreiten.
Und so passiert da, wo eigentlich gar nichts passiert, das Unglaubliche: nette Nachbarn werden zu Hexenjägern, die Schuld liegt bald nicht mehr beim vermeintlichen Täter, sondern bei den besorgten Bürger:innen, die doch nur ihr Zuhause schützen wollen. Es verkehren sich die Rollen von Opfer und Täter in absurder Weise, und wer am Anfang am lautesten protestiert hat, ist sich am Ende gar nicht mehr sicher was da eigentlich war.
Kopfschüttelnd las ich, wie sich die Dinge in Fischbach auf absurdeste, aber nie unglaubwürdige Weise entwickelten, wie einzelne Momente der Unachtsamkeit, der unbedachten Worte, der Missverständnisse im Chaos gipfelten und das Paradies stürzten.
Besonders faszinierend war die Entwicklung der Charaktere, die sich immer mehr verstrickten und am Ende wenig mit den netten Nachbarn und Freunden zu tun hatten, die man anfangs kennengelernt hatte. Wollte man anfangs selbst gerne in einem Ort wie Fischbach leben, der gefährlichen und anonymen Großstadt abschwören, so schien das am Ende gar nicht mehr erstrebenswert - jeder beobachtet und weiß alles über jeden und die vertraute Nähe führt zu Neid und Missgunst.
Fazit: ein gelungenes Kammerspiel um Misstrauen, zweite Chancen, Schuld und Vergebung - aber doch bitte nicht in unserem Ort.