Eine exzellent recherchierte Reportage über den 2. Weltkrieg
„Versteckt vor aller Augen“ von Pieter van Os habe ich schon vor längerer Zeit gelesen, häppchenweise und in kleinen Abschnitten, doch erst jetzt habe ich Worte für eine Rezension gefunden. Denn die Überlebensgeschichte ...
„Versteckt vor aller Augen“ von Pieter van Os habe ich schon vor längerer Zeit gelesen, häppchenweise und in kleinen Abschnitten, doch erst jetzt habe ich Worte für eine Rezension gefunden. Denn die Überlebensgeschichte von Mala ist nichts, was man einfach mal so weg liest, es ist kein Roman. Es ist eher eine exzellent recherchierte Reportage über den 2. Weltkrieg, die die volle Konzentration und Aufmerksamkeit des Lesers erfordert.
Anhand von Malas Erinnerungen, Reisen zu wichtigen Stationen aus ihrem Leben, Gesprächen mit betroffenen Personen und weiterführenden Informationen aus Archiven und Sachbüchern zeichnet Pieter van Os Malas beeindruckende Geschichte nach.
Dabei legt der Autor sein Augenmerk hauptsächlich auf seine Recherchearbeit, was Malas Schicksal etwas in den Hintergrund drängt, dafür aber viele andere Schicksale und Fakten zutage bringt. Dadurch habe ich unheimlich viel Neues und sehr Interessantes über den 2. Weltkrieg gelernt, es hat das Lesen aber auch mühsam gemacht. Teilweise fühlte ich mich von den Fakten etwas erschlagen und ich hätte mir mehr „Mala“ gewünscht.
Wenn man sich aber von Malas Überlebensgeschichte löst und das Buch als das sieht, was es ist, dann wird man es gern und mit großem Interesse lesen.
Denn in „Versteckt vor aller Augen“ erfährt man nicht nur, was im Zweiten Weltkrieg alles passiert ist, man lernt “Krieg“ zu verstehen. Soweit man so etwas Absurdes überhaupt verstehen kann. In keinem Buch vorher habe ich so viel über das Gedankengut, die Hintergründe und den geschichtlichen Zusammenhang eines Krieges erfahren.
Und mir wurde klar, dass es kein Gut und Böse in einem Krieg gibt, keinen Schuldigen und keinen Unschuldigen, es gibt nur jemanden, der der Auslöser war. Oft unter einer fadenscheinigen Rechtfertigung wie Religion oder Ortsanspruch. Ist ein Krieg erst einmal angefangen, bedroht, verfolgt und tötet jeder jeden auf die gleiche grausame Weise, unabhängig davon zu welcher Bevölkerungsgruppe er gehört oder in welchem Land er wohnt. Ein Krieg macht aus "unschuldigen" Menschen "Schuldige" und aus "guten" Menschen "Böse". Die Gründe dafür mögen verschieden sein, einige aus moralischer Sicht eher zu verstehen, einige eher zu verurteilen. Aber alle Gründe lassen Menschen zu Monstern werden. Das hat mir dieses Buch ganz klar gezeigt. Es klagt niemanden an, es gibt niemanden die alleinige Schuld, außer dem Krieg selber.
Zwei Zitate aus dem Buch möchte ich euch an dieser Stelle gerne zeigen, die (hoffentlich) zum Nachdenken anregen.
~ „Ich habe mich oft gefragt“, sagte Mala eines Tages, “wenn es umgekehrt gewesen wäre, wenn die Deutschen alle Katholiken hätten umbringen wollen und nicht die Juden, was hätten die Juden dann gemacht? Hätten sie den Deutschen gesagt, wo sich die Katholiken versteckt hielten? Hätten die Juden die Katholiken genauso verraten, wie unzählige Katholiken Juden verraten haben? (...)“ ~
~ In einem Satz gesagt, erst wenn der oder die Andere sich erfolgreich als eine der Unseren darstellen kann, darf sie mit einer gewissen Menschlichkeit, einem gewissen Mitgefühl rechnen. ~
Gerade in der jetzigen Situation würde ich mir wünschen, dass viele Menschen dieses Buch mit Verstand und Herz lesen, so wie auch viele andere gute Bücher zum 2. Weltkrieg. Vielleicht wird dann der allseits bekannte Spruch endlich einmal war.
Stellt euch vor irgendein Idiot sagt, es ist Krieg. Und KEINER geht hin...
Es könnte doch so einfach sein!