Ein Platz in der Welt
Was passiert, wenn ein Mensch entwurzelt wird? Genau damit muss Walerian klarkommen. Benannt nach einem Beruhigungsmittel, hat sich seine Mutter in seinem ersten Lebensjahrzehnt nicht groß um ihn gekümmert. ...
Was passiert, wenn ein Mensch entwurzelt wird? Genau damit muss Walerian klarkommen. Benannt nach einem Beruhigungsmittel, hat sich seine Mutter in seinem ersten Lebensjahrzehnt nicht groß um ihn gekümmert. Er wächst im ländlichen Polen auf, doch dann entreißt ihn seine Mutter seinem bisherigen Leben. Sie nimmt den 12jähren mit nach Wien, wo er auch wieder auf sich selbst gestellt ist. In einem fremden Land, mit einer unverständlichen Sprache und fremder Mentalität.
Doch nach unentschlossenen Schulschwänzerjahren, wieder allein gelassen von der Mutter sucht er seinen Weg in ein eigentlich kleinbürgerliches Leben. Dabei meistert er viele skurrile Situation, die mich manchmal von weitem an einen modernen Schwejk erinnerten. Sicher auch durch die ganz besondere Wiener Mentalität, mit der Walerian sich erst anfreunden muss.
Wie immer gelingt es Radek Knapp mit wenigen, aber pointierten Worten eine ganze Welt zu erschaffen. Wie ein Wurzelloser eine neue Heimat findet, das erzählt er mit einer ironischen, augenzwinkernden Distanz. Der Autor tritt ganz hinter seinen Protagonisten zurück und hat lässt Walerian schnell ganz lebendig und echt werden.
Natürlich kann man das Buch auch ganz aktuell und zeitkritisch lesen, aber da die Geschichte schon einige Jahrzehnte früher angesiedelt ist, bleibt es jedem selbst überlassen, was er zwischen den Zeilen liest und aus diesem schmalen Bändchen mitnimmt.
Seit „Herrn Kukas Empfehlungen“ lese ich Radek gern und bin auch dieses Mal wieder begeistert.