Rick Yancey hat es vor Ewigkeiten und gefühlt mehr geschafft mich wieder an Dystopien glauben zu lassen. Als ich letztes Jahr Die 5. Welle las, war ich einfach geflashed! Ich fand diesen besonderen, sehr intelligenten, kühnen aber auch sehr spannenden und cineastischen Schreibstil großartig! Ich war von Cassie, als jungen Menschen, der sich allein durch die Pampa schlagen musste, um zu ihrem Bruder zu gelangen, beeindruckt. Ich war von der zarten Liebesgeschichte zwischen ihr und Evan Walker hin und hergerissen und das ganze Spektakel um die fünf Wellen und die Anderen hat das alles perfekt abgerundet.
Dann kam der obligatorische Mittelteil einer Reihe, der schwächer, irgendwie komischer und einfach anders war als der erste Band. Es ist schon traurig, aber ich erwarte bei Reihen mittlerweile echt wenig von dem zweiten bzw. mittleren Teil. Da findet oftmals eine Talfahrt statt, an die ich mich, wie gesagt, schon gewöhnt habe. Vielleicht liegt das an den Erwartungen vom ersten Band, vielleicht, weil der Mittelteil nie wirklich so das Glanzstück eines Romans oder einer Reihe ist, da Anfang und Ende oftmals die ausschlaggebenden Punkte einer Geschichte sind und dem Leser eher im Gedächtnis bleiben. Oder es liegt einfach daran, dass der Autor einfach Scheiße gebaut hat. Okay, manchmal liegt es auch an den Übersetzungen.
Der dritte und damit letzte Teil dieser Reihe von Rick Yancey, geläufig unter dem Titel Der letzte Stern, hat mich wieder ein wenig zwiegespalten. Ich hab das Buch extra mit Bea von Story of Bea lesen wollen, weil sie ein Yancey-Fan ist. Ihre Betrachtung und Reaktionen auf den Schreibstil von diesem Autoren haben mich auf gewisse Art und Weise fasziniert. Und zugegeben, ich wollte ein bisschen – nach meinem eher mittelmäßigen Eindruck vom zweiten Band Das unendliche Meer – mitgerissen werden. Aspekte entdecken, die mir in einem Solo beim Lesen vielleicht entgehen würden. Leider hat sich diese anfangs gestartete Leserunde etwas auseinanderentwickelt, wegen zeitlichen Gründen. Deswegen habe ich ab einen Punkt allein weiterlesen müssen. Das war so gegen Mitte des Buches. Und ab da verlor das Buch ein wenig seinen Glanz.
Doch von vorne.
Nachdem ich wie bereits erwähnt nur so mittelmäßige Erwartungen hatte, dank dem eher mauen zweiten Teil, war ich wirklich für alles offen. Hauptsache der Teil von Ringer würde nicht mehr so mammuthaft den größten Teil des Buches einnehmen. Das war nämlich einer der Punkte, die mich im letzten Band gestört hatten.
Nun gut. Hier kann ich Entwarnung geben. Ringer bekommt zwar ihre Parts in Der letzte Stern, keinen unwesentlichen, aber auch keinen, der mich großartig gestört hätte. Vielmehr hatte ich den Eindruck, dass sich Ringer wirklich so entwickelt, dass ich was mit ihr als Person anfangen konnte. Und dazwischen sind aber alle anderen, bemerkenswerterweise, untergegangen in der Entwicklung.
Das Buch schließt storymäßig natürlich wieder sehr zeitnah an das Ende vom vorherigen Band an. Wenn ihr also das Buch lesen möchtet, schaut euch zur Gedächtnisstütze den letzten Band nochmal an. Das hätte ich nämlich mal machen sollen. Denn ich hatte anfangs tatsächlich mal wieder die berühmten Schwierigkeiten reinzukommen, weil ich einfach nicht mehr genau wusste, was da alles passiert war. Jedenfalls nicht mehr im Detail. Ihr ahnt, da waren dicke Fragezeichen überm Kopp am Start und eine verwirrte Rebecca, die den Anschluss und Wink erstmal nicht gerafft hat.
Doch auch wenn man solche Momente hat, Rick Yancey macht das mit seinem Schreibstil einfach wett. Um es salopp zu sagen: Er hat’s druff! Mir haben besonders gut diese Akzente gefallen die er mit gewissen Szenen einbaut. Sie haben manchmal wie Schnittszenen aus Filmen gewirkt und dann macht es Kopf einfach BOOOM! und du hast Bild für Bild einzeln und zackig im Kopf. Das ist wirklich etwas, was ich bisher noch nicht so oft, großartig und auch intensiv erlebt habe. Weswegen das ein dickes Plus auf der Liste verdient.
Auch wenn ich noch ein paar Sachen habe, die ich kritisieren möchte, fange ich mit den guten Sachen an. Angefangen mit der Spannung und mit dem Reichtum an Action. Als Leser wird einem wirklich nicht sonderlich langweilig, denn Yancey bietet seinen Lesern im finalen Teil viele Szenen, in denen es wirklich aufs Ganze geht. In denen man merkt, wie ausgelaugt die Figuren Cassie, Zombie, Ringer oder Evan sind. Wie oft alle dem Tod von der Schippe springen, wie knapp es immer wieder ist, dass ihnen nicht alles um die Ohren fliegt.
Was mich aber besonders positiv überrascht hat und wahrscheinlich dem Buch irgendwie auch den Arsch rettet, ist, dass Yancey es mal wieder schafft, die Menschheit in seinen Facetten zu erkennen und diese nackig aufs Tablett zu legen. Er zaubert sentimentale, fast schon magische Momente indem er uns unsere Sterblichkeit, Verwundbarkeit und auch Idiotie vor Augen hält. Er zeigt auf, was Menschen zu Menschen macht, wie fragil dieses Bewusstsein für Empathie und Zivilisation ist, wie tief das Tier in uns schlummert und wie wir dieses, durch unseren Idealismus, der Suche nach Frieden und Harmonie, verleugnen. Und wie gefährlich eben das sein kann. Solche Gedanken und seien sie noch so subtil oder offensichtlich im Text untergebracht beeindrucken mich und heiße ich mit einem fetten Hallelujah willkommen.
Jetzt kommen wir aber zu den Punkten, die mir weniger gut gefallen haben. Hier komm ich nicht umhin u. U. etwas zu spoilern. Also wer das nicht lesen mag: Ab zum Fazit!
Es geht z. B. darum, wie es sich Rick Yancey in diesem Teil auch sehr einfach macht. Ich weiß nicht, ob es daran liegt, dass er das Buch schrieb, als die 5. Welle schon als Film produziert wurde und deswegen so ein Auge für cineastische Dramatik und Vorhersehbarkeit entwickelt hat, aber eben genau das habe ich in Der letzte Stern gefunden. Gegen Ende musste ich hier und da einfach wirklich arg mit den Augen rollen, weil es so stereotyp Richtung konstruierte Dramatik für das alles vernichtende Finale ging.
Irgendwann hab ich mich sogar gefragt, ob ich aus Versehen das Script zu „Independence Day“ in den Händen halte. Was ja auch ein Kompliment sein kann, wenn man bedenkt, dass das ein echt geiler Film ist. Aber naja… das kennt man schon. Und es ist auch irgendwie so unkreativ. Wir finden da unnötigen Heldentum wieder, dramatische Szenen mit dem intergalaktischen Liebespaar und ein Yeah-Yeah-Episch-in-die-Ferne-Guck-Blick wieder mit Rauszoom-Faktor, der das alles so schön weichzeichnet für die Zukunft. Ende.
Fazit
So gut das Buch auch an seinen gewissen Stellen ist, ist es eben auch an manchen Stellen eher unkreativ. Konstruiert. Hollywood-Streifen-Mäßig. Ich bin mir nicht sicher, ob ich das wirklich mag. Aber richtig scheiße finden tu es auch nicht. Was also bleibt, ist wieder so ein Mittelding. Ich würde lügen, wenn ich sagen würde, ich hätte keinen Spaß beim Lesen gehabt. Es macht Spaß. Es ist spannungs- und wendungsreich. Aber eben auch vorhersehbar und simpel und nicht so großartig wie einst der erste Teil. Das macht dann der Schreibstil von Rick Yancey auch nicht wieder gut und deswegen ist es ein Must-Read für die Fans und Leser der Reihe. Doch ehrlich gesagt ist es auch kein Buch, was ich für mein Leben unbedingt gelesen haben muss.