Anspruchsvoll anders
Das Buch hat mich vollkommen überrascht, denn die meisten High Fantasy Romane siedeln sich ja in einer eher mittelalterlichen Welt an - und obwohl es schon einen leichten Flair dieser Atmosphäre hat, spielt ...
Das Buch hat mich vollkommen überrascht, denn die meisten High Fantasy Romane siedeln sich ja in einer eher mittelalterlichen Welt an - und obwohl es schon einen leichten Flair dieser Atmosphäre hat, spielt es in einer Stadt, in der es durchaus fortschrittliche Techniken wie Elektrizität, Telefone, Züge und Autos gibt.
Der Schauplatz ist die Stadt Bulikov, die noch immer sehr unter der saypurischen Invasion zu leiden hat. Den Bewohnern wurde durch die Eroberer jegliche Götteranbetung untersagt, sämtliche Vergangenheit und Zugriff auf geschichtliche Überlieferungen verwehrt. Das führt natürlich zu unterschwelligen aber auch öffentlichen Rebellionen und das Zusammenwachsen der Bevölkerung gestaltet sich als so gut wie unmöglich.
"Nationen haben keine Moral", zitiert Shara ihre Tante, "nur Interessen." S. 187
So kommt es anscheinend auch zu dem Mord an dem berühmten Historiker, der die Botschafterin Shara Thivani auf den Plan ruft. Als Kulturattachée unterwegs hat sie aber einen ganz anderen Hintergrund, der vorerst allerdings noch geheim bleiben soll. Mit ihr zusammen reist ein grober Hüne aus den Nordlanden, Sigrud, der sie vor allem durch seine schlagkräftige Seite unterstützt.
Ich mochte beide Figuren sehr, denn sie sind ungewöhnlich, denn die Klischees die sie bedienen, sind doch eher untypisch in ihrer Umsetzung und ergänzen sich perfekt.
Der Autor schreibt hier im Präsens, woran ich mich erst ein bisschen gewöhnen musste, obwohl das ja in Büchern nicht selten vorkommt. Vor allem aber ist es anspruchsvoll geschrieben und es sind viele Namen und Bezeichnungen von Figuren, Städten und Titel, die man sich verinnerlichen muss. Überhaupt geht es viel um politische Interessen und Gruppierungen, die sehr gut aktuelle Themen widerspiegeln.
Das muss man mögen, aber ich fand es fesselnd geschrieben vor allem auch durch den Mix aus der Ermittlung in dem Mordfall, der Aufdeckung über die Hintergründe des Landes über die alten Götter und ihrer Magie und auch der Charaktere, deren Geheimnisse nur nach und nach ans Licht kommen.
Der Titel mit den tausend Treppen hat mich etwas irritiert, denn ich hatte mir das anders vorgestellt und mir eher viele Verfolgungsjagden oder auch Entdeckungen vorgestellt, die damit zusammenhängen. Es gibt zwar einen Zusammenhang, aber eben anders, als man denkt. Was ja auch durchaus positiv zu sehen ist.
Auch die Magie, die eher eine zurückhaltende Rolle spielt, hat mich fasziniert. Sie ist gekoppelt an die vielen Gottheiten, die früher in einer Art Symbiose mit den Menschen auf dem Kontinent und somit auch in Bulikov existiert haben, doch ihre Vernichtung durch den Kaj vor 75 Jahren hat das Land in tiefe Zerrissenheit gestürzt - wortwörtlich. Die Erklärungen hier sind verblüffend und eindrucksvoll und mit vielen interessanten Ideen gespickt.
Diese beziehen sich auch auf den Glauben und die damit verbundene Lebensweise in der Gesellschaft. Hier findet man viele Paralleln zu uns und Momente, die zum Nachdenken anregen.
"Das kann man nicht vergleichen. Wir entstammen unterschiedlichen Ländern."
"Ich habe noch nie ein Land gesehen. Immer nur den Erdboden unter meinen Füßen." S. 237
Mich hat es jedenfalls sehr begeistert, auch wenn ich anfangs öfters mal etwas angestrengt lesen musste, weil der Autor einen sehr herausfordernden Stil an den Tag legt und man sich in diese Welt erst einfinden muss. Trotzdem war ich immer gepackt und neugierig wie es weitergeht, denn es gibt eine Menge Entwicklungen und Fragen, denen man auf den Grund gehen will.
Ich freu mich jetzt jedenfalls schon sehr auf die Fortsetzung :)