Verlorene Seelen
Keine 150 Seiten ist "Gespräche auf dem Meeresgrund" von Root Leeb lang, doch die Erzählung enthält eine Menge Nachdenkenswertes, umso mehr, als wenig geschieht. Irgendwo auf dem Meeresgrund, ich verorte ...
Keine 150 Seiten ist "Gespräche auf dem Meeresgrund" von Root Leeb lang, doch die Erzählung enthält eine Menge Nachdenkenswertes, umso mehr, als wenig geschieht. Irgendwo auf dem Meeresgrund, ich verorte es am ehesten im Mittelmeer,werden drei namenlose, buchstäblich in Auflösung begriffene Existenzen aufeinander zugetrieben. Ist das der letzte Funken Leben verlorener Seelen? Die Hintergründe bleiben vage, Erinnerungssplitter, vielleicht aber auch nur Phantasien. Vage bleiben zunächst auch die Protagonisten: Der Eine, der Andere, die Dritte - eher Typen als Individuen,
So steht der Eine für die vielen Tausenden, denen das Meer zum nassen Grab geworden ist auf der Suche nach einer besseren Zukunft, während der Andere das gute Leben schon hatte, auf einer Ferienyacht über Bord ging. Und die Dritte - war sie ein Opfer politischer und sexueller Gewalt und Verfolgung, oder waren es ihre Ängste und Phantasien, die in ihren Gedanken gespiegelt werden?
Ein wenig erinnern die Gespräche an die fünf Phasen des Sterbens, denn vor allem der Andere hält sich noch ganz an dem Gedanken fest, dass es für ihn noch ein Leben gibt, dass er nicht tot ist, sondern in irgendeinem Zwischenstadion, dass Rettung kommen wird und alles wieder wird wie zuvor. Dagegen ist bei dem Einen die Akzeptanz dessen, was er nun ist, spürbar. Verwirrung und Wut, Ängste und Hoffnungen - in dem Nirgendwo zwischen Existenz und Auflösung werden auch die Gespräche existentiell, kreisen um Persönliches, um die Vergangenheit, um Konflikte und Konfrontationen und erst nach und nach wird aus allgemeinem individuelles Schicksal.
Die Welt, in der Raum und Zeit für die Protagonisten aufgehoben scheinen, spiegelt sich auch in der Sprache wider, die teilweise dahinrollt wie die Gezeiten, mal nachdenklich, mal dahinplätschernd, mal nachhallend. Die Illustrationen der Autorin ergänzen das maritime Ambiente. Manchmal verwirren die "Gespräche", oft regen sie zum Nachdenken an. Kein Buch mal eben für Zwischendurch, sondern eines, für das man sich trotz des knappen Umfangs genügend Zeit nehmen sollte.