Das Buch „Ohne ein einziges Wort“ von Rosie Walsh ist eines dieser Bücher, die mich mit ihrem hübschen Cover angelockt haben. Zuerst einmal mag ich blau und dann wirkte es so verträumt, spielerisch und romantisch. Daher war ich neugierig, was sich hinter diesem hübschen Cover verbirgt und kann zu Beginn schon mal sagen, dass die Vergissmeinnicht hervorragend zu der Geschichte passen, denn auch in dieser geht es um Vergessen und nicht vergessen werden und allem, was sich dazwischen an Dramatik ereignet.
Das Buch handelt von Sarah, die in Amerika lebt, aber auf Heimaturlaub in England ist. Dort lernt sie Eddie kennen, es macht sofort „klick“ und sie verbringen sieben wundervolle Tage miteinander. Dann geht Eddie in einen lang geplanten Urlaub und verspricht sich zu melden. Doch das tut er nicht. Sarah wartet tagelang vergeblich auf ein Lebenszeichen. Dass er sie nur ausgenutzt haben könnte, kommt nicht in Frage. Da war eine Verbindung zwischen ihnen, es war mehr als nur zwangloser Spaß.
„Es war, als seien wir füreinander geschaffen, als seien wir von Geburt an füreinander bestimmt gewesen, und jemand hätte so lange geschubst und geschoben und geplant und gemauschelt, bis wir uns endlich vor sechs Tagen „zufällig“ begegneten.“
Ihm muss etwas zugestoßen sein, davon ist Sarah überzeugt und gibt alles, um herauszufinden, was passiert ist. Was sie schließlich herausfindet, verändert alles.
Die Geschichte ist in drei Teile gegliedert, wovon die ersten beiden aus der Ich-Perspektive von Sarah erzählt werden, der letzte von Eddie. Dazwischen sind immer wieder kleine Briefe eingestreut.
Der Sprachstil ist wunderbar blumig, mit vielen Vergleichen und Beschreibungen, die mich tief in die beschriebenen Landschaften und Geschehnisse haben eintauchen lassen.
„Die Luft war dick wie geronnene Milch und schien sich an den Rändern zu kräuseln. Spannung lag darin. Wie ein Raubvogel, kurz bevor er niederstößt.“
Mich hat diese zum Teil poetisch anmutende Sprache fasziniert und die Vergleiche immer wieder begeistert. Allerdings sind manche Ereignisse auch zu detailliert beschrieben bzw. in die Länge gezogen worden. Gerade der erste Teil des Buches wurde mir irgendwann zu lang. Die Suche nach den Gründen für Eddies Schweigen wurde sehr lang ausgedehnt und dazwischen wurden immer wieder Rückblicke auf die gemeinsam erlebten Tage eingebaut, die sie in wunderbarer Harmonie und ohne Aufregung miteinander verbracht haben. Dadurch erfährt man zwar, warum Sarah und Eddie sich so gerne gemocht haben, aber es passiert nicht wirklich etwas. Irgendwann wurde es mir zu viel und ich dachte nur noch, wann gibt Sarah ihre Suche endlich auf? Wann passiert irgendetwas anderes?
Und genau in dem Moment passierte etwas. Eine unerwartete Wendung, mit der ich absolut nicht gerechnet hatte. Allerdings hatte ich da schon fast fünfzig Prozent des Buches gelesen.
Diese Wendung ist jedoch eine der Besonderheiten des Buches für mich. Die Autorin spielt mit unseren Erwartungen, der Art, wie wir voreilig anhand kleiner Fitzelchen Schlüsse ziehen. Das hat mir sehr gut gefallen und mich auch überrascht, sowie dem Roman neuen Schwung gegeben und mich zum Weiterlesen motiviert.
Die Autorin nimmt sich viel Zeit für die Gefühle und Gedanken der Protagonisten, weshalb ich ihre Handlungen gut nachvollziehen, ihren Schmerz fühlen und hervorragend in die Thematik eintauchen konnte.
Die Thematik ist sehr traurig und aufwühlend, so wie das ganze Bauch. Die Protagonisten und auch die Nebencharaktere, die sehr liebenswürdig und sympathisch rüber kommen, haben alle ein mehr oder weniger großes Päckchen zu tragen und kämpfen mit ihren eigenen Dramen. So handelt das Buch vom Verlust geliebter Menschen, einem unerfüllten Kinderwunsch, innerer Zerrissenheit, Scheidung, Depressionen, Selbstmordversuchen und Mobbing. Bei letzterem hat mir gut gefallen, dass aufgezeigt wurde, wie lange solche Erlebnisse nachhallen können. Sarah und vor allem ihr bester Freund Tommy mussten in ihrer Kindheit und Jugend eine Menge über sich ergehen lassen und das wirkt nach, selbst jetzt, wo sie beide fast vierzig Jahre alt sind. Manche Dinge vergisst man eben nicht.
Die traurige Grundstimmung des Buches hat mich manchmal etwas runtergezogen, da für mich die leichten oder witzigen Momente gefehlt haben. Es wird eigentlich von einer traurigen Sache nach der anderen erzählt und Sarahs Gedanken sind ebenfalls häufig verzweifelt. Wer nach einem Stimmungsaufheller sucht, ist hier definitiv schlecht beraten.
Einzig der kleine Rudi, der Sohn ihrer Freundin Jo, sorgt in kurzen Momenten für einen Schmunzler, wie es Kinder eben oft tun.
Gut fand ich allerdings, wie aufopferungsvoll sich Sarahs Freunde um sie kümmern und sie ebenfalls versucht, für diese da zu sein. Man spürt die Freundschaft und Verbundenheit zwischen den Charakteren, was für mich eines der wenigen nicht-traurigen Dinge der Geschichte war und ein kleiner Lichtstreifen am Horizont.
Bei diesem Buch fällt es mir wirklich schwer, eine Bewertung in Form von Sternen/Punkten abzugeben. Denn manche Teile des Buches haben mir unglaublich gut gefallen und andere wieder nicht so sehr. An manchen Stellen hätte ich das Buch am liebsten gar nicht mehr aus der Hand gelegt, an anderen Stellen wiederum musste ich mich durchbeißen. Die Thematik des Buches, die eine ganz andere ist, als man anhand des Klappentextes vermuten könnte, hat mir gut gefallen und ich fand es schön, dass sie mal ganz anders aufgegriffen wurde, als ich es bisher gelesen habe. Auch die überraschenden Wendungen und der Sprachstil haben mir außerordentlich gut gefallen. Daher pendle ich zwischen drei und vier Sternen, entscheide mich letztendlich für vier Sterne, da mich das Buch im Nachhinein noch beschäftigt hat und die Charaktere so lebensnah sind. Alle haben Ecken und Kanten, Macken und Dellen und wurschteln sich irgendwie durchs Leben, was ich sehr sympathisch und eben realistisch fand.