Die wahre Bestimmung
Schon als Kind war Keiko anders, sie nahm es schon damals allzu wörtlich. Fand sie einen toten Vogel, dachte sie, er könne zum Verzehr geeignet sein, während ihre Schwester das Tierchen ehrenvoll bestatten ...
Schon als Kind war Keiko anders, sie nahm es schon damals allzu wörtlich. Fand sie einen toten Vogel, dachte sie, er könne zum Verzehr geeignet sein, während ihre Schwester das Tierchen ehrenvoll bestatten wollte. Und so zieht es sich durch ihre Kindheit und Jugend. Ihr Studium schafft Keiko zwar mit Ach und Krach, aber einer richtigen Anstellung fühlt sie sich nicht gewachsen. Ihr Aushilfsjob in einem Convenience Store einem sogenannten Konbini ist wie eine Offenbarung. Endlich hat sie ein Vorbild im Verhalten ihrer Kollegen und ein Handbuch, endlich fällt sie nicht mehr auf.
Doch in diesem berührenden kleinen Roman bleibt es nicht lange bei dem angenehmen Leben im Konbini. Mit Mitte dreißig hat Keiko ihre Aushilfsstellung immer noch inne und wieder fällt sie auf. Normale junge Frauen haben in dem Alter eine ordentliche Arbeit, Hobbys, eine Familie. Keiko beginnt zu überlegen, wie sie ihre Situation verbessern könnte. Vielleicht bietet der neue Mitarbeiter, der ihr irgendwie ähnlich zu sein scheint, die Rettung.
In diesem kurzen Hörbuch/Büchlein steckt eine ganze Menge. Wie engstirnig ist die Gesellschaft - und das ist hier sicherlich nicht viel anders als in Japan - wenn sie eine junge Frau wie Keiko nicht einfach so sein lassen kann wie sie ist. Augenscheinlich hat Keiko eine Art autistische Störung, die sie zwar ganz gut funktionieren lässt, sie aber doch von denen unterscheidet, die sich als normal bezeichnen. Gut kann man Keikos Erleichterung nachempfinden als sie endlich im Konbini angekommen ist und ihre Bestimmung gefunden zu haben scheint. Warum verlangt ihre Familie von ihr, normal zu werden. Warum lassen ihr die Kollegen nicht einfach ihren Job? Wie traurig, dass sie darüber nachdenken muss, etwas an ihrem Leben zu ändern, um nicht mehr aufzufallen. Und mit ihrem männlichen Gegenpart findet sie tatsächlich einen, neben dem sie wie ein Ausbund an Normalität wirkt. Am Ende befreit sich Keiko von allen Konventionen und geht mit Freude und Erleichterung ihrer waren Bestimmung nach.
Ein gefühlvoller kleiner Roman, der einem vor Augen hält, dass Menschen grundsätzlich so genommen werden sollten wie sie sind.