Wenn von Ländern mit einem "Fluch der Ressourcen" die Rede ist, steht die Demokratische Republik Kongo in der Regel ganz oben auf der Liste: Das Land verfügt über einige der begehrtesten Rohstoffe weltweit, könnte danach eigentlich überaus wohlhabend sein. Statt dessen lebt der größte Teil der Bewohner am Existenzminimum und die Ressourcen werden zu Bedingungen abgebaut, die menschen- und umweltfeindlich sind. Die Profite stecken andere ein - eine kleine lokale Elite, meist gleichbedeutenden mit den Regierenden und ihren Freunden, und ausländische Unternehmen.
In seinem Buch "Blutrotes Kobalt" befasst sich der amerikanische Forscher Siddarth Kara mit den Bedingungen, in denen im kongolesischen Kupfergürtel Kobalt abgebaut wird, der Rohstoff, ohne den bei modernen Smartphones, Laptops und Elektroautos bzw deren Batterien nichts geht. Nirgends auf der Welt gibt es so große Vorräte wie dort, verwendet werden sie von Weltunternehmen, die sich ethische Ansprüche auf die Fahnen geschrieben haben. Wie lässt sich das mit Kinderarbeit, Lohndumping und Arbeitsbedingungen vereinbaren, die jeglichen Arbeitsschutzvorschriften in Europa oder Nordamerika widersprechen?
Kara will aufklären über die Menschen, die den Preis zahlen für die Gier auf ein jährlich neues Handy. Mehrere Jahre hintereinander fuhr er in die oft entlegenen Abbaugebiete, versuchte mit Minenbetreibern, Händlern und vor allem Bergarbeitern zu sprechen. Besonders geht es ihm dabei um Lieferketten, um die Ausbeutung der sogenannten handwerklichen Bergleute und die nach wie vor übliche Kinderarbeit.
Der Autor beschreibt Korruption auf allen Ebenen, schildert Menschen, die Angst haben, mit ihm zu reden, er trifft Jugendliche, die nach Unfällen verkrüppelt sind, beschreibt Ausbeutung und Missbrauch, sexuelle Übergriffe auf Frauen und Mädchen, die im Bergbau arbeiten, die Zerstörung der Umwelt und die gesundheitlichen Auswirkungen auf die oft ohne Schutzausrüstung arbeitenden Menschen.
Allerdings: Die meisten der "handwerklichen" Bergarbeiter sind eigentlich illegal, sie sind nicht bei den Konzernen angestellt, arbeiten auf eigene Faust. Arbeitsschutzgesetze oder das Verbot von Kinderarbeit verpuffen da. Ihre Koltanerträge gelangen dennoch in die Lieferkette und die Bergarbeiter erhalten buchstäblich einen Hungerlohn.
Dort, wo Bergarbeiter, gerade auch Kinder und Jugendliche, von Soldaten oder Milizen als Arbeitssklaven in die Koltanförderung geschickt werden, verstehe ich Karas Empörung. Aber teilweise zeigt er die Blauäugigkeit eines Amerikaners angesichts der Armut im Kongo und anderen afrikanischen Ländern. Die Verhältnisse verstören - aber ihm scheint nicht klar zu sein, dass die Menschen einfach keine Alternative haben.
Die "illegalen" Bergleute, die im Familienverband nach Koltan schürfen, sehen darin ihre Chance, ein kleines bißchen von dem Boom um das blaue Metall abzubekommen. Ansonsten bleibt ihnen die Plackerei auf einem kleinen Stück Land. Klar, Kinder sollten zur Schule gehen und nicht in Minen schuften müssen. Angesichts der Armut nützen Verbote von Kinderarbeit aber wenig - schon gar nicht bei Kindern, die verwaist sind und irgendwie überleben müssen. Da wäre den Betroffenen eher geholfen, wenn sie eine andere Arbeit bekommen könnten, die nicht ihr Gesundheit und ihr Leben gefährdet.
Kara geht auch auf die koloniale Vergangenheit ein, als der Kongo das persönliche Eigentum des belgischen Königs war, das "Herz der Finsternis" im gleichnamigen Roman von Joseph Conrad. Heute sind es vor allem die Chinesen, die im Kupfergürtel die Rohstoffe ausbeuten. Gar nicht erwähnt wird die Lage im Ostkongo, wo die örtlichen Warlords vom Koltanabbau profitieren und das seltene Metall die seit 30 Jahren andauernde Gewalt noch weiter anfacht.
Durch Wiederholungen erhält das Buch einige unnötige Längen - möglicherweise wurden hier mehrere Aufsätze zu einem Buch zusammengefügt. Wer sich auch mit ethischen Fragen von Konsum beschäftigt, sollte an diesem Buch nicht vorbeigehen.