Ein mutiger Kampf gegen gesellschaftliche Konventionen
Silke Böschen widmet auch ihren zweiten Roman über die Träume nach Freiheit einer jungen Frau im Deutschland des 19. Jahrhunderts: Florence de Meli. Jung, hübsch, charmant, offen, freundlich, lebensfroh ...
Silke Böschen widmet auch ihren zweiten Roman über die Träume nach Freiheit einer jungen Frau im Deutschland des 19. Jahrhunderts: Florence de Meli. Jung, hübsch, charmant, offen, freundlich, lebensfroh zählt durch die Heirat mit ihrem recht betuchten, allerdings auch deutlich älteren Ehemann zur gehobenen Gesellschaftsschicht Dresdens. Sie liebt und genießt Einladungen und bereichert mit ihrer unverfälschten und fröhlichen Art jede Veranstaltung. Obwohl noch recht jung, ist sie bereits Mutter von zwei Kindern, die sie heiß und innig liebt, bereitet ihr die damals herrschende Erziehungsmethode gerade des ersten männlichen Nachkommen und potentiellen Erben durch ihren Ehemann großen Kummer. Dies nicht der einzige Konfliktpunkt in der Ehe zwischen Florence und Henri, da es dessen Mutter Antoinette, fest verhaftet und verwurzelt in der im 19. Jahrhundert geltenden Erwartungshaltung an verheiratete (junge) Frauen, gelingt ihren negativen Einfluss auf ihren Sohn mehr und mehr auszubauen. Und letztendlich dazu führt, dass auf ihr Betreiben die junge Florence nicht nur entmündigt, sondern gleichzeitig auch in eine Nervenheilanstalt eingewiesen wird. Dass Florence nicht aufgibt, ihr die Flucht nicht nur aus dieser Anstalt sondern bis nach Amerika gelingt und von diesem sicheren Aufenthaltsort dann den gerichtlichen Kampf um eine Scheidung und das Sorgerecht für ihre Kinder aufnimmt: ein ungemein spannender und fesselnder, aber auch ein berührender mit sehr viel Einfühlungsvermögen geschriebener Roman, der zudem auf Tatsachen beruht und gerade vor diesem Hintergrund mehrfach Fassungslosigkeit beim Lesen erzeugt.
Dank hervorragender, detailreicher und umfangreichen Recherchen, die von der Autorin im Nachwort ihres Romans sehr aufschlussreich erklärt werden, berührt die (reale) Geschichte um Florence de Meli auf ganz besondere Weise. Einmal mehr gelingt es der Autorin, die Stellung von Frauen im 19. Jahrhundert auf eine besonders eindrückliche Weise darzustellen. Die bereits bekannte Gedankenwelt und gelebte Erwartungshaltung gerade von Mitgliedern der gehobenen Gesellschaftsschicht mit Hilfe dieses Einzelschicksals auf eindrückliche Weise mit Leben zu erfüllen und gleichsam daran teilhaben zu können – eine überaus gelungene Darstellung, in der zudem sehr gekonnt und überzeugend Fakten und Fiktion zu einem stimmigen Gesamtbild zusammengefügt wurden. Eine interessanter und wichtiger Beitrag über eine Frau, die es wagte, den Kampf gegen Familie und Gesellschaft aufzunehmen.