Moiken zwischen den Fronten
1913 Sylt. Nachdem sie gerade erfahren hat, dass ihr Ehemann Peter auf See ums Leben kam, muss Moiken Jacobsen mit ihrer 15-jährigen Tochter Emma auch noch ihr Zuhause in Keitum räumen, das Eigentum ihrer ...
1913 Sylt. Nachdem sie gerade erfahren hat, dass ihr Ehemann Peter auf See ums Leben kam, muss Moiken Jacobsen mit ihrer 15-jährigen Tochter Emma auch noch ihr Zuhause in Keitum räumen, das Eigentum ihrer ungeliebten Schwiegermutter ist, die die beiden so schnell wie möglich loswerden will. Moiken findet mit Emma in Westerland im Hotel “Strandvilla” schnell eine neue Unterkunft und eine Anstellung als Konditorin, denn der Eigentümer Theodor von Lengenfeldt hat ein Auge auf die junge Witwe geworfen und möchte sie in seiner Nähe wissen. Als Moiken durch Zufall auf ihre alte Jugendliebe Boy Lassen trifft, der als Inselfotograf arbeitet und zugleich Emmas Vater ist, sitzt sie zwischen zwei Stühlen, denn Theodor bietet ihr Sicherheit und die Möglichkeit, ihren Traum von einem eigenen Strandcafé zu verwirklichen. Aber Boy weckt alte Gefühle in ihr, die sie nicht ignorieren kann. Trotzdem lässt sich Moiken auf eine Ehe mit Theodor ein und lernt ihren Ehemann bald von einer Seite kennen, die ihr gar nicht gefällt. Derweil verlässt Boy enttäuscht die Insel, um in Berlin einen Neuanfang zu wagen. Emma will ebenfalls mit ihm gehen, doch Moiken macht ihr einen Strich durch die Rechnung…
Mit “Die Strandvilla” entführt die Autorin Sina Beerwald den Leser auf die Nordseeinsel Sylt, wo er vor historischem Hintergrund das damalige Leben kennenlernt. Der flüssig-leichte und bildhafte Schreibstil nimmt den Leser schnell mit in die Vergangenheit, wo er sich an der Seite von Moiken wiederfindet, die sich mit ihrer Tochter durch einige Schicksalsschläge hindurchlavieren muss. Gekonnt verwebt die Autorin die Zeit kurz vor dem Ausbruch des ersten Weltkrieges mit ihrer Geschichte und lässt dem Leser einiges an Informationen zukommen, wie die damalige politische Situation war und wie es zum Ausbruch gekommen ist. Ebenso erfährt der Leser einiges über die Bewohner der Insel sowie deren Besucher, die sich dort verlustigen. Mit gekonnt gemalten Landschaftsbeschreibungen lässt Beerwald beim Leser farbenfrohe Bilder im Kopf entstehen, so findet man sich mal am Badestrand wieder, mal in der Küche der “Strandvilla” oder auf einem Ausritt nach Keitum, wobei man fast im Schnee versinkt. Die Rolle der Frau zur damaligen Zeit wird in dieser Geschichte ebenfalls gut hervorgehoben, denn Frauen sollten das Aushängeschild des Mannes sein, aber keinen eigenen Beruf ausüben.
Die Charaktere sind lebhaft und glaubwürdig gezeichnet, mit ihren individuellen Eigenschaften wirken sie authentisch. Moiken ist eine Frau ihrer Zeit, recht unterkühlt zeigt sie ihre Leidenschaft nur beim Backen. Ansonsten wirkt sie eher kalt, vor allem ihrer Tochter Emma gegenüber. Emma ist ein Teenager, der sich ausprobieren möchte. Gleichzeitig vermisst sie Wärme und Gefühle von Seiten ihrer Mutter. Sie wirkt oftmals stur und aufmüpfig, doch eigentlich buhlt sie bei ihrer Mutter um ein offenes Ohr und Verständnis. Theodor ist ein aufgeblasener Möchtegern, der sich alles so hinbiegt, wie er es gern hätte. Julius ist ein feiner Kerl, der in seinem hohen Alter immer hilfsbereit und freundlich ist. Aber auch Henriette, Bernhard, Boy oder die Gräfin von Schöneck haben wichtige Rollen in dieser Geschichte und machen sie abwechslungsreich.
“Die Strandvilla” ist ein unterhaltsamer historischer Roman, der ein Sittengemälde darstellt kurz vor Ausbruch des ersten Weltkrieges. Ganz nett zu lesen, wenn man keine großen Gefühle erwartet.