Die verschwundenen Kinder
Im Dreißigjährigen Krieg (1618-48) ließen nach Schätzungen ca. 40% der Landbevölkerung ihr Leben. Und so fiebern wir mit dem kleinen Waisenjungen Martin mit, der in dieser brutalen und rücksichtslosen ...
Im Dreißigjährigen Krieg (1618-48) ließen nach Schätzungen ca. 40% der Landbevölkerung ihr Leben. Und so fiebern wir mit dem kleinen Waisenjungen Martin mit, der in dieser brutalen und rücksichtslosen Zeit auf sich alleine gestellt ist. Obwohl nicht ganz, denn sein schwarzer Hahn sitzt ihm immer auf der Schulter und die beiden beschützen sich gegenseitig. Etwas Geheimnisvolles haftet Martin an. Er ist schlau, schlauer als alle anderen Dorfbewohner und damit prädestiniert, der Held dieser kleinen Geschichte zu werden. Er will ein entführtes Mädchen wiederfinden, das der schwarze Reiter mitgenommen hat, denn ein "gerettetes Leben ist alle Leben" (S. 89). Und so begibt er sich auf die klassische Heldenreise, muss märchenhafte Abenteuer bestehen und kämpft ums Überleben.
So eine warmherzige Figur ist dieser kleine Junge, inmitten all des Elends und des Todes. Mit einer einfachen, klaren Sprache, die wirklich sehr an Märchen erinnert, entführt die Autorin in diese Welt vor 400 Jahren. Die ungeschminkte Schilderung hat mich an "1793" von Niklas Natt och Dag erinnert, in dem für mich erstmals in einem Roman so schonungslos über Dreck, Elend, Schmerz etc. geschrieben wurde.
Ich habe den Roman fast atemlos in einem Stück gelesen. Er hat mich sofort gepackt, weil die Story so ungewöhnlich, märchenhaft und rätselhaft ist. Die Figuren und vor allem das Setting sind in ihrer sparsamen Beschreibung lebendig geworden. Ich kann absolut verstehen, dass dieser Roman so gelobt wurde. Ich tut es hiermit auch!