Wohin willst du, Zeitreisemädchen?
Susanne Wittpennigs aktuelle Neuerscheinung schließt direkt an den ersten Band dieser Buchreihe an. Der Leser wird gleich zu Beginn mit der furchtbaren Tatsache konfrontiert, dass der Versuch, Lisas zweites „ältere Ich“ namens Lisa Whitfield in die Zukunft zurückzuschicken, schiefgelaufen ist. Anstelle der fünfundvierzigjährigen Lisa Whitfield landet nämlich nun versehentlich die sechzehnjährige Lisa Leonor Lambridge im Jahr 2018. Ihre Freunde warten am 14. Februar 1990 vergeblich auf den Teenager – Lisa kehrt nicht wie erwartet zurück und bleibt neunundzwanzig Jahre lang verschollen. Doc Silverman und sein Sohn Zac sind entsetzt, Lisas bester Freund Momo, der sie kurz vor ihrem Verschwinden so schwer enttäuscht hatte, ist am Verzweifeln. Seinen seelischen Schmerz ertränkt er in Alkohol – eine Verhaltensweise, die ihm ab sofort zur zweiten Natur wird.
Die sechzehnjährige Lisa taucht im Jahr 2018 auf und wird von den gealterten Ausgaben des Dr. Levi Gideon Silverman und seines Sohnes Zac Zimmerman bereits erwartet. Die Technologie haben sich zwischenzeitlich rasant geändert. Lisa darf eine neue und moderne Variante des Time-Transmitters bewundern, der Zacs Lebenswerk darstellt, und wird mit der fremden, aufregenden Welt des Internet konfrontiert. Obgleich sie in ihrer Schulzeit im Jahr 1990 stets als fortschrittlicher und technisch begeisterter Teenager galt, mutiert sie im Jahr 2018 zum verschrobenen „Retro-Girl“, das weder ein Smartphone bedienen kann, noch um die Bedeutung von apps oder sozialen Plattformen weiß. Die beiden Wissenschaftler haben die Jahre bis zur berechneten Ankunft von Lisa genutzt und planen, sie so rasch wie möglich zurück in die Vergangenheit zu schicken. Der einzige Unsicherheitsfaktor in dem perfekt ausgearbeiteten Plan ist die Ungewissheit über den Verbleib des bösen Professor Ash, der mit aller Macht versucht, in den Besitz der Zeitmaschine zu gelangen. Die Monate bis zu ihrem geplanten Aufbruch verbringt Lisa als Austauschschülerin in ihrer alten Schule – und erlebt so einige Überraschungen. Als sie auch noch Informationen über ihre große Liebe Momo erlangt, wünscht sie sich nichts sehnlicher, als nur ein einziges Mal wieder in Momos Armen liegen zu dürfen. Doch der weise Doc Silverman warnt das junge Mädchen davor, die Zukunft zu beeinflussen, er meint: „Die Zeitlinie kann vieles reparieren, aber nicht dein Herz.“ Und Lisa merkt sehr bald, wie recht der alte Wissenschaftler damit hat. Denn ihr Herz macht Lisa die Entscheidung zwischen den beiden Welten letztendlich so unsagbar schwer.
Der zweite Band dieser interessanten Jugendbuchreihe um das Zeitreisemädchen Lisa ist genauso spannend, unterhaltsam und fesselnd wie dessen Vorgänger und ich war sofort wieder mitten im Geschehen. Der einnehmende und lockere Schreibstil, die angenehme Schriftgröße und der großzügige Zeilenabstand trugen neben dem hoch interessanten Inhalt ebenfalls dazu bei, das Lesen zu einem Vergnügen zu machen. Die Sprache ist der jugendlichen Zielgruppe angepasst, und angesichts der Tatsache, dass Hüte und Brillen bei Susanne Wittpennig nicht aufgesetzt oder abgenommen, sondern „an- und ausgezogen“ werden, legt mir die Vermutung nahe, dass es sich hierbei um Redewendungen aus einer Dialektsprache handelt. Der Spannungsbogen war angesichts der Thematik groß, wurde durch drohende Übergriffe des Antagonisten Archibald Ash noch zusätzlich erhöht und steigerte sich am Ende zu einem grandiosen Finale - ein Finale, das eine aufregende Fortsetzung der Geschichte im nächsten Band verspricht.
Die Autorin beschäftigt sich auch in diesem zweiten Band um die alltäglichen Sorgen und Probleme des Erwachsenwerdens und vergleicht die technischen Entwicklungen, die Modetrends und das Verhalten der Jugendlichen zwischen 1990 und 2018. Da ich etwa im Alter der Protagonistin bin, war dieses Buch nicht nur für die Jugendliche Zielgruppe, sondern auch für mich eine sehr bereichernde Lektüre. Durch das „Retro-Girl“ Lee wurden viele Erinnerungen wie beispielsweise das mühsame Aufnehmen von Liedern aus dem Radio auf Kassettenrecorder und viele bestimmte Hits aus dieser Zeit geweckt. Ich musste über den Frisurentrend „Vokuhila“ schmunzeln und hatte die im Buch erwähnten Mickey Mouse T-Shirts oder die pinkfarbenen Leggins und Haarbänder wieder lebhaft vor Augen. Dem Hauptthema „Zeitreise“ sowie den Auswirkungen der Beeinflussung von Vergangenheit und Zukunft wird natürlich die meiste Aufmerksamkeit zuteil, und so manche Ausführungen der beiden Wissenschaftler hinsichtlich eines Zeitparadaxon forderten volle Konzentration.
Die handelnden Personen waren sehr gut ausgearbeitet und ich freute mich darüber, einigen von ihnen aus dem ersten Band in Form ihres „älteren Ichs“ wiederbegegnen zu dürfen.
Fazit: „Time Travel Girl 2018“ war genau wie der Vorgängerband ein sehr überzeugendes, spannendes Jugendbuch mit einer interessanten Thematik, das mich ausgezeichnet unterhalten hat. Ich kann dieses Buch uneingeschränkt weiterempfehlen, möchte jedoch zum besseren Verständnis vorab jedem die Lektüre des ersten Bandes ans Herz legen.
Ich bin bereits sehr gespannt auf die Fortsetzung dieser Geschichte!