Hin und wieder hat man das Glück, ein Buch zu lesen, welches den eigenen Horizont, das eigene Bewusstsein so sehr erweitert, dass man im Anschluss die Welt mit anderen Augen sieht. "Ich gab ihm mein Wort" ist so ein Buch. - Ein brillantes, mitreißendes Südstaaten-Meisterwerk, das einen ehrfürchtig, tief bewegt und zuversichtlich zurücklässt.
Tennessee, November 1864. Seit einigen Jahren fordert der blutige Sezessionskrieg zwischen den Armeen der Nordstaaten (Union) und Südstaaten (Konföderation) erbarmungslos immer mehr Opfer, Amerika gleicht einem einzigen Schlachtfeld. Einer der Hauptgründe für den militärischen Konflikt ist die Uneinigkeit über Frage der Sklavenhaltung – die Südstaaten wollen die Abschaffung der Sklaverei um jeden Preis verhindern. In diese bedeutungsschwere Zeit, welche die Zukunft der nachfolgenden Generationen prägen wird und den Grundstein legt zu den Vereinigten Staaten von Amerika, wie wir sie heute kennen, entführt Bestsellerautorin Tamera Alexander ihre Leser.
Bereits das in angenehmen Blautönen gehaltene Cover strotz vor Südstaaten-Flair. Ich habe im Nachhinein erfahren, dass die abgebildete Villa tatsächlich die im Roman erwähnte Plantage ist. Eine hübsche Frau, gemäß der damaligen Mode gekleidet, blickt besorgt zum Horizont. Sofort möchte man mehr erfahren – wer ist die Dame, wie ist ihr Leben mit diesem herrschaftlichen Anwesen verbunden und wieso wirkt sie so nachdenklich?
Kurz vor Ende des Krieges kommt es nahe der Carnton Plantage in Franklin, Tennessee, wo die junge Lizzie Clouston bei der McGavock-Familie als Hauslehrerin für deren zwei Kinder angestellt ist, zum Desaster: eine der grausamsten und für den Süden verlustreichsten Schlachten des Amerikanischen Bürgerkrieges wütet direkt vor den Augen der entsetzten Plantagenbewohner. Innerhalb weniger Stunden gleicht die vornehme Südstaaten-Villa einem überfüllten Lazarett, in dem die verwundeten Soldaten mit dem Tod ringen. Mit notdürftigen Mitteln werden lebensrettende Operationen durchgeführt, die Schmerzensschreie der Verletzten hallen durch die Nacht. Anstatt der beschaulichen, ländlichen Idylle, die bisher ihr Leben ausgemacht hatte, nachzutrauern und in eine Schockstarre zu verfallen, wachsen die McGavocks, Lizzie und Haussklavin Tempy über sich hinaus – sie assistieren den Ärzten bei Amputationen, umsorgen die Soldaten und werden für ihre bedingungslose Hilfsbereitschaft und Güte für immer unvergessen bleiben. Eine zarte Liebesgeschichte ist in die Wirren des Krieges eingeflochten worden – nur so viel sei verraten: private Gefühle und Gedanken werden mit gleicher Intensität behandelt wie die dramatischen historischen Ereignisse. Ergreifende Schicksale in Zeiten des Umbruchs: neue Prioritäten bahnen sich ihren Weg, eine neue Gesellschaftsordnung rüttelt an alten Konventionen.
Diese wahre Geschichte, in der nahezu alle (!) Hauptcharaktere, einschließlich der zwei Hauptfiguren Lizzie und Roland, auf echten Personen basieren, hat mich staunen lassen über die Kraft des Glaubens und der Hoffnung, über die Warmherzigkeit und Selbstlosigkeit, mit der Menschen sich auch in Zeiten des Grauens noch zu begegnen vermögen. Man kann nicht umhin, tiefes Mitgefühl für die jungen Männer zu empfinden und sie für ihren Mut zu respektieren. Trotz der detaillierten und überaus bildreichen Schilderungen des Krieges, die für manch zartbesaitete Gemüter eventuell schwer zu verdauen sein könnten, überwiegt ein positiver, lebensbejahender Eindruck – Loyalität und Ehrlichkeit, Liebe, Gerechtigkeit und Zuversicht werden zelebriert und machen das Buch zu einem unvergleichlichen Leseerlebnis, das noch lange bei mir nachgewirkt hat.
Die beeindruckende Recherchearbeit der Autorin hat mich restlos begeistert, selten habe ich solch ein reales, durch und durch authentisches Werk gelesen. Auf ihrer Homepage (www.tameraalexander.com) finden die Leser interessante Hintergrundinformationen, inklusive Fotos der Plantage und der im Buch vorkommenden Charaktere. Tatsächlich sind nur sehr wenige fiktive Elemente in der Story enthalten und ich kann Tamera Alexander nicht genug beglückwünschen zu diesem gelungen Werk, welches dem Begriff Sezessionskrieg ein Gesicht gibt und die betreffenden Personen entsprechend würdigt.
Oftmals erleben Romanfiguren in Werken dieses Genres radikale Kehrtwenden in ihren persönlichen Einstellungen, um sich entsprechend in die Handlung einzufügen – hier ist dies dankbarerweise nicht der Fall. Stattdessen erleben die Leser, wie Charaktere nach und nach ihr bisheriges Denken in Frage stellen, ein Wechselbad der Gefühle erleben, wachsen. Die unglaublich tiefgründig ausgearbeiteten Figuren wirken auch deshalb so glaubwürdig, da ihre (realen) Nachkommen mittels Erzählungen und Zurverfügungstellung von historischen Briefen der Autorin ermöglicht haben, die beschriebenen Charaktere tatsächlich ein Stück weit 'kennenzulernen'.
Fazit: Ein literarisches Werk der Superlative, das ich allen Fans von historischen Romanen mit starken Frauenfiguren wärmstens empfehlen kann! Was für ein umwerfendes Buch, welch eine wichtige Botschaft - den Glauben an Gott nicht aufzugeben - und was für eine berührende wahre Geschichte, die es verdient, erzählt zu werden. BRAVO! Ich kann es nicht erwarten, weitere Werke von Tamera Alexander zu lesen!