Einen Einzeltäter kannst du besiegen. Aber dein eigenes Dezernat besiegen, das ist etwas ganz anderes.
Bei Tana Frenchs „Gefrorener Schrei“ handelt es sich um den sechsten Band ihrer Reihe rund um das Dubliner Morddezernat, Dublin-Murder-Squad. Das Buch ist im Dezember 2016 bei Fischer Scherz erschienen ...
Bei Tana Frenchs „Gefrorener Schrei“ handelt es sich um den sechsten Band ihrer Reihe rund um das Dubliner Morddezernat, Dublin-Murder-Squad. Das Buch ist im Dezember 2016 bei Fischer Scherz erschienen und umfasst 653 Seiten.
Am Ende ihrer Nachtschicht erhält das Ermittlerpaar Antoinette Conway und Stephen Moran einen neuen Fall, der ihnen von ihrem Chef, O’Kelly, höchstpersönlich zugeteilt wird: Die junge, hübsche Aislinn Murray wurde tot in ihrem Haus aufgefunden, der Tisch für ein romantisches Dinner gedeckt. Was anfangs wie eine einfache Beziehungstat anmutet, entpuppt sich nach und nach als vielschichtiger und komplizierter. Was erschwerend hinzukommt: Antoinette hat das Gefühl, als wolle jemand ihre Ermittlungsarbeiten torpedieren. Wem kann sie noch trauen?
Der Roman ist, trotz einiger langatmiger Stellen gerade zu Beginn, von Anfang bis Ende spannend zu lesen. Der Plot ist vielschichtig und hintergründig konstruiert; auch wenn ich ziemlich rasch ahnte, worauf der Fall und seine Lösung hinauslaufen werden, war es äußerst interessant, die Zusammenhänge am Ende zu ergründen und mitzuverfolgen.
Das Buch ist durchzogen von aktuellen Themen wie Mobbing (am Arbeitsplatz), Glaubhaftigkeit der Polizei, Kritik an den Medien und Stalking.
Gerade der erste Punkt regt sehr zum Nachdenken an. Die Protagonistin selbst sieht sich im Laufe der Ermittlungen mit ihrer eigenen Vergangenheit konfrontiert, von Feinden umgeben, sich selbst über weite Strecken als Opfer und traut nicht einmal ihrem Partner mehr. Dass am Ende, ohne dass alles „Friede, Freude, Eierkuchen“ ist, diese Ansichten zum Teil ins rechte Licht gerückt werden, verleiht der Handlung Authentizität. Es ist doch nicht alles so, wie es auf den ersten Blick scheint, die Welt ist eben schwer zu durchschauen. Dieses besagt auch die Auflösung des Falls: Manchmal ist es einfach nötig, den einengenden Tunnelblick zu verlassen und sich auf neue Perspektiven sowie Möglichkeiten einzulassen.
Dass French ihr Handwerk auch sprachlich beherrscht, zeigt das breite Spektrum ihres Stils. Die Ich-Perspektive im Präsens erleichtert die Identifikation mit Antoinette, man hat während des Lesens fast das Gefühl, als plaudere sie mit den Leserinnen und die Sprache ist daher eher umgangssprachlich, an einigen Stellen fast schon vulgär, sprich authentisch. Auf der anderen Seite gibt es, wenn die Autorin z.B. das Dezernat ausmalt, Stellen poetischer Beschreibungen: „Der Soko-Raum wirkt unsicher und bedroht, ein Schiff auf unruhiger See …“. Liest man wiederum die Vernehmungen durch die Kommissarin und ihren Kollegen, Breslin, hat man das Gefühl, live dabei zu sein, muss an einigen Stellen sogar schmunzeln.
Tana French präsentiert mit „Gefrorener Schrei“ einen spannenden, vielschichtigen und psychologisch interessanten Roman, der Leserinnen und Leser in seinen Bann zieht. Gepaart mit der sprachlichen Leistung ist es ein Buch, an dem alle Liebhaberinnen spannungsgeladener Literatur ihre wahre Freude haben werden. Von mir gibt es eine uneingeschränkte Leseempfehlung.