Dass wir Menschen, oder besser gesagt die Riesenkonzerne dieser Welt, die sich einer gnadenlosen Gewinnmaximierung verschrieben haben, mit der willfährigen Unterstützung oder unter Instrumentalisierung der großen Politik, die, wenn man genauer hinsieht, die gleichen Ziele verfolgt, unverantwortlichen Raubbau mit dem betreiben, was uns unser blauer Planet so großzügig schenkt, ist allseits bekannt. Wissenschaftler, Naturschützer, Umweltaktivisten etc. warnen seit Jahrzehnten, Klimakonferenzen werden unter großem Tamtam abgehalten, es wird diskutiert, nach Lösungsmöglichkeiten gesucht – und dennoch hat man nicht das Gefühl, der Lösung des die gesamte Menschheit und deren Überleben in der Zukunft angehenden Problems wirklich nähergekommen zu sein. Wenn man als Indikator beispielsweise nur die drei letzten Weltklimagipfel – COP 25 in Madrid 2019, COP 26 in Glasgow 2021, COP 27 in Scharm asch-Schaich 2022 – nimmt, dann fällt sofort auf, sofern man diese aufmerksam verfolgt hat, dass die Zahlen sich kaum oder gar nicht voneinander unterscheiden, dass die Forderungen gleichzeitig mit den Warnungen vor den Folgen bei Nichterfüllung sich gebetsmühlenartig wiederholen.
Außer Spesen – und dazu noch äußerst umweltschädlichen! - nichts gewesen? Inzwischen schmelzen die Gletscher nämlich munter weiter, verheerende Stürme mehren sich, die Temperaturen steigen ungehindert – und die großen Konzerne setzen, weiterhin sanktioniert von verantwortungslosen Politikern, ihr Zerstörungswerk fort, um sich die Taschen zu füllen, bis sie platzen! Oder überlaufen, um nach diesen Eingangsbetrachtungen endlich die Brücke zu schlagen zu dem hier zu besprechenden Buch 'Die Welt am Abgrund', dem dritten Band der Reihe 'Hüter des Klimas'. Genau so ist das hier nämlich: die Ozeane laufen über! Riesige Tsunamis haben sich an den Küsten des lateinamerikanischen Kontinents, auf dem die Geschichte spielt, ausgetobt (aber, obschon explizit nicht erwähnt, vermutlich nicht nur da, denken wir nur einmal zurück an die unglaubliche Reichweite des Tsunamis vom 26. Dezember 2004!), die großen Metropolen genauso wie die Städtchen bis hin zu den kleinsten Siedlungen an der Küste überflutet, mit sich gerissen in die ohnehin schon verseuchten Fluten der immer größer werdenden Weltmeere und Millionen von Menschen und Tieren den Tod gebracht. Die Welt steht buchstäblich am Abgrund! Kann man sie überhaupt noch retten?
Wäre dies eine reale Geschichte, dann müsste man spätestens jetzt jede Hoffnung begraben, denn die Überflutung der Küsten ist nur der Anfang. Sie hat eine Zündschnur entfacht, die sich weiter und immer weiter hineinfrisst in die Kontinente, die auch riesige, Jahrmillionen alte Gebirge, deren schützende Schneedecke längst nicht mehr da ist, kollabieren und das Leben an ihren Hängen und zu ihren Füßen auslöschen lässt. Eine wahre Apokalypse also! Das Ende der Welt steht unmittelbar bevor, niemand kann es aufhalten, denn so mächtige Lawinen sind nun einmal nicht zu stoppen, und nichts und niemand wird am Schluss übrigbleiben.
Doch haben wir es hier zu unser aller Glück mit einer Fantasy Erzählung zu tun – und in solchen Geschichten ist alles möglich, wiewohl die Hoffnung auf eine finale Rettung unendlich gering ist, ein winziger Funke nur, der am Ende dieses dritten Bandes bereits erloschen scheint, denn die große Widersacherin, das Monster Helena, die selbsternannte Hitzekönigin, die in den Hochöfen eines der Konzerne, die sich die komplette Zerstörung des südamerikanischen Regenwaldes zur Aufgabe gemacht haben, und die Erde mit tosender Hitze und mit Feuersbrünsten überzieht, hat die Schwanenprinzessin Fiona getötet, die von der Eisprinzessin Stella vom Planeten Urania auf die Erde gesandt wurde, um den Eiskristall des Eiskaisers Harald einem ihr unbekannten Mädchen zu übergeben, das als einziges Wesen auserwählt ist, damit die Welt zu retten, sprich, wieder ihre Balance herzustellen, Sommer und Winter, Sonne und Schnee, Hitze und Kälte miteinander ins Gleichgewicht zu bringen.
Nun, trösten wir uns vorerst damit, dass die leidgeprüfte Fiona nicht das erste Mal für tot und besiegt gehalten wurde – und dennoch immer dem ihr von Helena bestimmten Schicksal entkommen ist! Doch diesmal reicht aller Optimismus nicht aus, um sich auszumalen, wie sie denn die Ölpest, in der sie, so sieht es aus, ihr tapferes Leben ausgehaucht hat, jemals überleben kann. Aber – kann eine Autorin so herzlos sein, ihre liebenswerteste, bezauberndste, ganz und gar reine Protagonistin, der Hoffnungsstrahl per se, sterben zu lassen? Tja, um diese Frage zu beantworten, müssen die Leser sich bis zum Erscheinen des vierten Bandes gedulden...
Doch halt – da gibt es noch etwas, das den Funken der Hoffnung am Glimmen hält! Es ist nämlich das Gewissen des Herrn Pereira, Geschäftsführer des Stahlwerks South American Steel, das erwacht, als der bisherige Handlanger des Bösen, der Zerstörung, gezwungen werden soll, die Ureinwohner eines letzten Restchens heilen Urwalds niederzuschießen, um auch noch dieses winzige Paradies zu zerstören. Herr Pereira, zeitlebens Duckmäuser und Opportunist, entwickelt ungeahnten Mut und schreit bei einer Kundgebung des korrupten Präsidenten, der federführender Zerstörer seiner eigenen Heimat ist, seine Anklagen in die Welt hinaus, auf dass alle sie vernehmen – was ihm erwartungsgemäß nicht gut bekommt, womit aber ein Anfang gemacht wurde! Nichts nämlich fürchten Diktatoren so sehr wie negative Presse, oder, um es positiv auszudrücken, die Wahrheit, laut und furchtlos verkündet....
Man sieht, die Autorin hat mit ihrer Klimahüter-Reihe viel mehr als nur die übliche Fantasy zu einem die Guten dieser Welt bewegenden Thema ersonnen. Sie hat gleichsam eine Parabel geschrieben über die traurige Realität, diese aber mit schrecklicher, über die Maßen verstörender Konsequenz bis zum Ende gedacht. Und so wie die realen Hoffnungen auf den weltweit lauter werdenden Stimmen der Umweltbewussten, vorwiegend junger Menschen, denn ihnen gehört die Zukunft, ruhen, so lässt sie sie schwer lasten auf einer kleinen Handvoll Unentwegter, die so schwach und unbedeutend erscheinen im Vergleich zu den Mächtigen dieser Welt, doch in ihrer Reinheit und Uneigennützigkeit um so vieles kraftvoller sind – wenn es ihnen denn gelingt, direkt in die Herzen all der gepeinigten, ihrer Hoffnungen, ja ihres Rechts auf Leben beraubten Übriggebliebenen vorzustoßen! Seien wir gespannt darauf, ob und welchen Weg Valérie Guillaume aus ihrer Endzeitvision finden wird!