Alles für die Familie?
Von ihrer wohlhabenden und gewalttätigen Familie hat sich Ilaria Fazzinga schon vor langer Zeit losgesagt. Die 82-Jährige nennt sich nun Honey und hat auch ihren Nachnamen etwas abgeändert. Doch nun ist ...
Von ihrer wohlhabenden und gewalttätigen Familie hat sich Ilaria Fazzinga schon vor langer Zeit losgesagt. Die 82-Jährige nennt sich nun Honey und hat auch ihren Nachnamen etwas abgeändert. Doch nun ist sie zurück in New Jersey, ihrer alten Heimat, und begegnet unfreiwillig ihrer Verwandtschaft wieder. Das bringt einige Komplikationen mit sich…
„Honey“ ist ein Roman von Victor Lodato.
Die Struktur des Romans ist sinnvoll und klar durchdacht: Er besteht aus sechs Teilen und insgesamt rund 60 Kapiteln mit kreativen Überschriften. Erzählt wird die Geschichte aus der Sicht von Honey. Die Haupthandlung spielt in New Jersey und erstreckt sich über viele Monate.
Der sehr detaillierte Schreibstil lässt mich zwiegespalten zurück. Einerseits haben mir die Wortneuschöpfungen und originellen Metaphern gefallen. Auch die lebensnahen Dialoge empfinde ich als sehr gelungen. Andererseits sind manche Sprachbilder ein wenig schief, einige Beschreibungen wie die von Blumenbeeten, Kunstwerken und Zutaten von Gerichten zu ausführlich geraten.
Die größte Stärke des Romans ist seine Protagonistin, Honey. Dass eine mehr als 80-jährige Person, noch dazu eine Frau im Mittelpunkt einer Geschichte steht, ist ebenso ungewöhnlich wie begrüßenswert. Noch dazu ist Honey ein überaus interessanter und charmanter Charakter: kinderlos, unabhängig, vermögend, unorthodox, schillernd, selbstbewusst, mit einer erfolgreichen Karriere in der Vergangenheit und einer dubiosen, italienischstämmigen Familie im Hintergrund. Größtenteils ist die Darstellung ihres Charakters realitätsnah und klischeefrei. Ihre authentischen Gedanken und Gefühle lassen sich sehr gut nachvollziehen. Nur an wenigen Stellen offenbart sich der männliche Blick des Erzählers.
Aus inhaltlicher Sicht handelt es sich in erster Linie um ein Portrait. Es geht vor allem um Traumata, nämlich die schrecklichen Erlebnisse während ihrer Kindheit und Jugend, die Honey noch immer nicht gänzlich verarbeitet hat. Auch die Fragen, was die Familie darf und welche Opfer für sie gebracht werden, werden beleuchtet. Darüber hinaus kommen weitere Probleme ins Spiel, die ich an dieser Stelle nicht vornehmen will. Nicht unerwähnt lassen möchte ich, dass auch aktuelle gesellschaftlich relevante Themen wie beispielsweise die Transgeschlechtlichkeit aufgegriffen werden.
Auf den mehr als 450 Seiten finden sich etliche lebenskluge Passagen. Darüber hinaus hat mich die vielschichtige Geschichte mehrfach bewegen, zum Teil sogar amüsieren können. Allerdings bleibt die Handlung recht überschaubar. Sie kommt zudem nur sehr langsam in Fahrt. Dies liegt auch an einigen Redundanzen und macht den Roman immer wieder ein wenig langatmig.
Das auffällige Cover ist ein Hingucker. Er sagt mir ebenso sehr zu wie der prägnante Titel, der 1:1 aus dem amerikanischen Englisch übertragen wurde.
Mein Fazit:
Mit „Honey“ hat Victor Lodato einen Roman geschrieben, der mich wegen seiner Ausführlichkeit leider nicht ganz überzeugen konnte. Dennoch alles in allem eine unterhaltsame und lesenswerte Geschichte.