"Ein anderer Takt" ist eine Übersetzung und Neuveröffentlichung des bereits 1962 unter dem Titel "A Different Drummer" von William Melvin Kelley erschienenen Romans. Ich habe diesen Roman dennoch als sehr interessant und aktuell auch für die heutige modernere Zeit empfunden.
In einem sehr ausführlichen Vorwort wird zum einen erklärt, wie es zu dieser Neuveröffentlichung kam, zum anderen wird das Leben und das Werk des Autors gewürdigt. Als Nachwort wurde der Tochter des Autors ebenfalls Platz eingeräumt, um über ihren Vater zu sprechen. Beide Abhandlungen gefallen mir außerordentlich gut. Gerade weil "Ein anderer Takt" schon vor vielen Jahren erschienen ist und im Leben von William Melvin Kelley seit diesem Debüt-Roman vieles passiert ist und weitere Werke hinzugekommen sind, ist es schön darüber einen ergänzenden Überblick zu erhalten.
Gleich zu Beginn des Buches findet sich ein sehr schönes, tiefgründiges Zitat von Henry David Thoreau, an welches der Titel angelehnt ist und das eine gute Einstimmung im den Roman bietet. Der Einstieg erfordert einen offenen, vorurteilsfreien Leser, der bereit ist sich an den früheren Sprachgebrauch zu gewöhnen und sich durch eine doch sehr abenteuerliche Geschichte zu kämpfen, die Mister Harper seinem Publikum vor dem Lebensmittelgeschäft erzählt. Ab da habe ich den Roman jedoch mit wachsender Begeisterung gelesen. Der Schreibstil ist insgesamt sehr flüssig und chronologisch. Geschrieben wird aus Sicht der 'Weißen, wie sie über Schwarze denken' . Es ist eine Perspektive, die nicht so häufig verwendet wird und deshalb einige interessante Denkanstöße liefert.
Vor dem Hintergrund der Massenabwanderung der farbigen Bevölkerung aus den Südstaaten in den Norden wird in den einzelnen Kapiteln, die meist einen Namen als Überschrift tragen, erzählt, wie die jeweilige Beziehung zu Tucker Caliban, dem Auslöser für die Bewegung, war und welche Erfahrungen miteinander gemacht wurden. Manche Passagen waren amüsant, andere tragisch, andere sehr emotional. Erschreckend ist, welche Überlegenheit einige nur aufgrund ihrer Hautfarbe empfinden, wie sie andere Menschen herabsetzen, als minderwertig abstempeln und sie als bloßes Eigentum sehen. Etwas was auch heute leider noch in Teilen wiederzufinden ist und deshalb nichts an seiner Aktualität verloren hat.
Einige der Dialoge im dem Roman waren besonders tiefgehend, schon fast mitreißend und haben einen bleibenden Eindruck bei mir hinterlassen.
"Ein anderer Takt" von William Melvin Kelley ist ein interessantes zeitgenössisches Werk, das den Horizont erweitert und dessen Wiederentdeckung sich gelohnt hat. Es erfordert jedoch einen offenen, voruteilsfreien Leser, da die Ausdrucksweise zu paralysieren vermag.