Langatmig und schlecht gelöst
Es ging leichter als gedacht. Das Mädchen ist mitgekommen, ohne dir Probleme zu machen. Du hast sie entdeckt, als sie gerade aus der Schule kam, ganz allein. Suchend blickte sie sich um, aber da war niemand ...
Es ging leichter als gedacht. Das Mädchen ist mitgekommen, ohne dir Probleme zu machen. Du hast sie entdeckt, als sie gerade aus der Schule kam, ganz allein. Suchend blickte sie sich um, aber da war niemand - weit und breit keine Spur von ihren Eltern. wer tut sowas? Welcher verantwortlungslose Mensch setzt ein fünfjähriges Kind einer so gefährlichen Situation aus? Es ist erschütternd. Das ist es wirklich.
Aber es ist gut für dich.
Nicht so gut für die Kleine. Und ganz sicher nicht so gut für ihre armen Eltern, die Trauer und Selbsthass schon bald zerfressen werden.
Aber gut für dich.
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INHALT:
Julia ist eine vielbeschäftigte Rechtsanwältin, die Familie und Karriere nicht ganz unter einen Hut bekommt. Das wird erneut deutlich, als sie ihre fünfjährige Tochter Anna von der Schule abholen soll, aus einem Meeting aber nicht rechtzeitig herauskommt - und daher eine halbe Stunde zu spät da ist. Und in dieser halben Stunde ist Anna verschwunden. Eine fieberhafte Suche beginnt, in deren Verlauf die Ehe zwischen Julia und ihrem Mann noch mehr zu bröckeln beginnt als sowieso schon, und die Presse eine Hetzjagd auf die "Rabenmutter" startet. Was niemand weiß: Die Entführung des kleinen Mädchens ist erst der Anfang...
MEINE MEINUNG:
Alex Lake zieht ihren vom Inhalt her prinzipiell recht konventionellen Thriller durchaus einmal anders auf: Es dreht sich zwar vieles um die Entführung der Tochter und die Suche nach ihr - Dreh- und Angelpunkt der Geschichte ist jedoch, dass der Entführer es eigentlich nicht auf das Mädchen abgesehen hat, sondern auf die Mutter. Neben deren Perspektive gibt es so noch Kapitel aus der Sicht des Täters, die langsam den Plan enthüllen. Das Problem an der Sache ist nur, dass der Verlag im Klappentext die wichtigste Wendung bereits spoilert und so von der Spannung nur noch wenig übrig bleibt.
Die Mutter Julia ist eine ziemlich unausstehliche Protagonistin. Zwar liebt sie ihr Kind aufrichtig und ihre Schuldgefühle sind nachvollziehbar - ansonsten aber ist sie egoistisch und verwöhnt, was sich auch nicht ändert. Sie will immer nur das Beste, ein einfaches Leben reicht ihr nicht, sie muss höher und weiter, sowohl in der Karriere als auch in der Ehe. Kein Wunder also, dass sich ihr Mann Brian ihr gegenüber äußerst unfreundlich verhält. Er ist im Gegensatz zu ihr jemand ohne Ehrgeiz - was permanent wiederholt wird -, der sich vollkommen in seinem Elend suhlt. Eine so verblüffend schwache Männerfigur ist zwar interessant, führt aber leider nicht zur Identifikation. Sonstige Figuren sind austauschbar und wirken meistens wie Randfiguren: Die nicht wirklich tatkräftige Polizistin in dem Fall, Brians nur kurz auftauchender Bruder, seine kalte und besserwisserische Mutter. Niemand entlockt einem auch nur den Hauch von Sympathie - was ich bei einer Geschichte, bei der man mitfiebern soll, problematisch finde.
Möglicherweise liegt das aber auch am endlosen Gerede und der Handlung, die über die ersten 200 Seiten einfach nicht voran kommt. Wer den Klappentext kennt, für den geschieht hier nichts Neues, weswegen schlicht Langeweile aufkommt. Ohne wirkliche neue Erkenntnisse ist ein Thriller kein Thriller, sondern maximal ein Drama, und darauf war ich nicht eingestellt. Als dann die versprochene Wendung allerdings kommt, wird es tatsächlich auch nicht besser - weil sich der versierte Leser bereits zusammen gereimt hat, wer hinter allem steckt. Motiv und Ziel wirken komplett an den Haaren herbei gezogen, ja, ich fand das "wahre Gesicht" der Person geradezu lächerlich. Das ist schade im Anbetracht dessen, dass eine Entführungsgeschichte hier einmal ein ganz anderes Prinzip verfolgt. Nur hat dieses eben überhaupt nicht funktioniert.
FAZIT:
"Es beginnt am siebten Tag" könnte einem besser gefallen, wenn man den Klappentext nicht kennt - denn dieser nimmt die Hälfte der Geschichte vornweg. So war ich jedenfalls permanent gelangweilt, was durch die anstrengenden Charaktere nur noch verstärkt wurde. Dass ich außerdem den relativ unlogisch handelnden Täter sehr früh erraten habe, hat dann auch den letzten Rest Interesse erstickt. Da mag ich nicht mehr als 2 Punkte vergeben.