Feiner, historischer Krimi, der das viktorianische Zeitalter authentisch wirkend aufleben lässt
London, 1881:
Obwohl es sich Leo Stanhope vorgenommen hat, nach den turbulenten und lebensgefährlichen Abenteuern vor nicht all zu langer Zeit, ein möglichst solides und langweiliges Leben zu führen, ...
London, 1881:
Obwohl es sich Leo Stanhope vorgenommen hat, nach den turbulenten und lebensgefährlichen Abenteuern vor nicht all zu langer Zeit, ein möglichst solides und langweiliges Leben zu führen, scheint ihm ausgerechnet dieser Wunsch nicht erfüllt zu werden.
Ein ungutes Gefühl beschleicht ihn, als er abermals auf das Polizeirevier gebeten wird. Und wieder rückt Leo in den Fokus der Gesetzeshüter, bei einem schweren Verbrechen. Eine Frau und Mutter zweier Kinder wurde ermordet und verscharrt aufgefunden. Und sie trug einen Zettel bei sich, mit Leos Namen und Anschrift darauf.
Obwohl Leo behauptet, die Frau nicht zu kennen, scheint ihm der leitende Detective nicht wirklich Glauben zu schenken. Und in der Tat war Leo der Frau und ihren Kindern bereits einmal begegnet. Kurz vor ihrem Tod hatte sie die Apotheke seines besten Freundes Alfie aufgesucht und einer Prüfung unterzogen. Sie wollte herausfinden, ob er ein ehrlicher Mensch ist, doch ihre Gründe dafür legte sie niemals dar.
Zu allem Überfluss begegnet Leo einem Mann aus seiner Vergangenheit, der ihn noch als die Pfarrerstochter Charlotte kannte. Und John Thackery, Spross eines reichen Fabrikbesitzers, macht Leo dann auch unmissverständlich klar, dass er sein gefährliches Geheimnis nur bewahrt, wenn Leo ihm im Gegenzug ein Alibi für die Nacht verschafft, in dem die Frau getötet wurde.
Leo lässt sich zwar darauf ein, doch gleichzeitig ist ihm klar, dass er seinen Kopf lediglich aus der Schlinge ziehen kann, wenn er selbst zur Tat schreitet und in dem Mord an der Frau ermittelt. Wer hatte ein Motiv, die Frau zu ermorden und warum nur will jemand ihre Kinder entführen?
Nachdem ich vom Einstiegsband der Leo Stanhope Reihe, „Das Haus in der Half Moon Street“, nicht ganz überzeugt war, weil der Band, trotz des formidablen historischen Flairs das der Roman verströmte, doch einige Längen aufwies und Leos innere Zerrissenheit, ob seiner Transsexualität, etwas zu sehr ausgewalzt wurde, wollte ich dem Autor und seiner Reihe gerne noch eine zweite Chance geben, denn man erwischt nur selten historische Romane, die die Zeitepoche so authentisch wirken lassen. Aber vor allem fand ich es spannend, dass Alex Reeve hier einmal Bürgerliche agieren lässt und deren Welt beschreibt. In „Der Mord in der Rose Street“, geht der Autor, am Rande auf die großen Nachteile der industriellen Entwicklung ein, die Fabrikbesitzer immer reicher machte und ihren Angestellten dafür mehr Leid und Armut brachte. Zwar wurde in England die erste Gewerkschaft in den 1860er Jahren gegründet (ab ca. 1830 schlossen sich erste Arbeitervereine zusammen), doch blieb es für einfache Arbeitnehmer schwierig, sich gegen ihre Arbeitgeber zu behaupten, wenn Not am Mann war)
Ich fand diese Hintergründe sehr informativ dargeboten, aber auch Leos Werdegang wurde diesmal viel interessanter erzählt, als im Vorgängerband.
Die Mordermittlung gestaltet sich für Leo zunächst mehr als rätselhaft. Dazu bringt ihn sein guter alter Bekannter, John Thackery, reichlich durcheinander.
Und es machte mir diesmal viel Spaß, Leo bei der Aufklärung des Falles lesetechnisch gesehen, über die Schulter zu schauen. Dazu kommt, dass Alex Reeve auch die bereits im ersten Band eingeführten Nebenfiguren wieder auftreten lässt und ihnen zusätzliche charakterliche Facetten auf den Leib geschrieben hat. Ebenfalls erfährt man mehr über Leos Vorleben, den Zwist mit seinem Vater, was ihn als Hauptfigur greifbarer macht.
Zugegeben, hochexplosive Spannung sucht man hier vergebens- es ist eher ein feiner historischer Krimi der ruhigeren Gangart, den man hier geboten bekommt. Dennoch ist er sehr lesenswert und ich habe ihn praktisch in einem Rutsch ausgelesen, weil ich ihn nicht weglegen mochte. Ich bin sehr froh, nicht gleich nach dem Auftaktband wieder ausgestiegen zu sein und vergebe für Schreibstil, historisches Flair, Romanfiguren und Kriminalfall diesmal die volle Punktzahl.
Kurz gefasst: Leo Stanhopes zweiter Fall- Feiner, historischer Krimi, der das viktorianische Zeitalter authentisch wirkend aufleben lässt.
Leo Stanhope Reihe:
1. Teil: Das Haus in der Half Moon Street
2. Teil: Der Mord in der Rose Street
3. Teil: The Butcher of Berner Street ( noch nicht übersetzt)
4. Teil: The Blood Flower (noch nicht übersetzt)