Karl kehrt zurück
Und zwar nach Leinsee, der Stätte, dem Ort seiner Herkunft. Dass das sein Zuhause ist, kann man so nicht sagen, es ist das Heim seiner Eltern, die Wirkungsstätte von Ada und August Stiegenhauer, DEM Künstlerpaar ...
Und zwar nach Leinsee, der Stätte, dem Ort seiner Herkunft. Dass das sein Zuhause ist, kann man so nicht sagen, es ist das Heim seiner Eltern, die Wirkungsstätte von Ada und August Stiegenhauer, DEM Künstlerpaar schlechthin, das gemeinsame Objekte schafft und so populär ist, dass sich Christo und Jeanne-Claude warm anziehen können (bzw. konnten). Und die beiden waren einander stets genug, ihr Sohn passte nicht hinein in diese symbiotische, geradezu magische Beziehung. Und so verbrachte er seine Jugendjahre im ungeliebten Internat und verließ das Elternhaus schnellstmöglich auf Nimmerwiedersehen.
Doch jetzt ist alles anders: Karl, unter Pseudonym inzwischen selbst als Künstler in Berlin erfolgreich, kehrt nach dem Erhalt einer tragischen Nachricht nach jahrelanger Abwesenheit zurück ins Elternhaus, das jetzt allerdings ohne Eltern ist: Ada ist aufgrund einen Hirntumors im Krankenhaus, die Chancen stehen so schlecht, dass sich August das Leben genommen hat, um nicht ohne seine geliebte Partnerin weitermachen zu müssen.
Karl fährt also mehr oder weniger zurück, um seine Eltern zu beerdigen. Doch nach Augusts Bestattung entwickeln sich die Dinge auf allen Ebenen anders mit dem Resultat, dass Karls Einstellung zu Familie, Leinsee, ja zu seiner Zukunft insgesamt sich grundlegend ändert. Nicht zuletzt aufgrund neuer Freundschaften, vor allem die der achtjährigen Tanja.
Der Leser begleitet Karl nun über viele Jahre, nimmt teil an seinem Leben und Wirken. Wobei er das Paket der Vergangenheit stets mit sich trägt.
Ein Roman, bei dem der Leser durchaus mit dem Protagonisten ins Hadern kommen kann - nicht so sehr mit seinen Überzeugungen wie mit seinen Handlungen, die oft, auch in späteren Jahren etwas vom Eifer der Jugend haben und in ihrer Wirkung und Nachhaltigkeit, die eigentlich auch Karl bewusst sein sollte, offenbar nicht klar durchdacht sind. Leser also, die sich gern mit der Hauptfigur identifizieren, sind hier eindeutig fehl am Platz.
Dafür ist das Buch für Leser, die gerne mal eine eher ungewöhnliche, in schöner, klarer und eindringlicher Sprache verfasste Geschichte lesen wollen, genau das Richtige. Ich hing ein bisschen dazwischen, da mich Karl doch wieder und wieder zu irritieren wusste, aber das hat mich eher nicht gestört, denn als Kölnerin weiß ich, dass jeder Jeck anders ist. Ein bisschen mehr Hintergrundinformation an der ein oder anderen Stelle hätte gut getan, finde ich! Aber trotz dieser Einwände habe ich dieses Buch quasi in einem Rutsch gelesen und auch genossen und gebe somit - wenn auch mit geringfügigen Einschränkungen - einen schönen Lesetipp weiter!