Paris lag ihr zu Füssen - wenigstens vom Balkon aus. Denn nicht alle waren begeistert von der fleissigen Schriftstellerin, die sich in Männerhosen kleidete.
Als Aurore Dudevand 1804 geboren, trennte sie sich 1831 von ihrem Mann Casimir und lebte fortan abwechselnd drei Monate in Paris und drei Monate in Nohant im Haus ihrer Grossmutter, welches jedoch Casimir für sich beanspruchte. Anno 1831 in Paris beginnt daher auch dieser Roman.
In Paris lebte Aurore auf, schrieb viel und verkehrte mit ihren Freunden aus ihrer Kindheit, sie nannten sich die Berrys. Sie arbeiteten fast alle bei Henri de Latouche, dem damaligen Herausgeber des Figaro. Zusammen mit Jules Sandeau, Aurores jüngerem Geliebten schreibt sie ihren ersten Roman unter dem Pseudonym J. Sand. Grosszügig wie sie war, war es Aurore egal, dass alle dachten, das Buch stamme allein von Jules. Doch der wollte das gar nicht, da Aurore das Meiste schrieb und er weder mit ihr mithalten noch alle ihre Ideen teilte. Für ihren zweiten Roman brauchte sie deshalb einen neuen Namen und entschied sich für den "Nom de plume", das Pseudonym George Sand. Fortan liess sie sich als George anreden.
Vielen war George Sand befremdlich - eine Frau, die ihr Geld mit Schreiben von Büchern verdient und in Hosen herum läuft; kommt dazu, dass ihre diversen Liebesbeziehungen oft Stadtgespräch waren.
Und genau darum geht es in "George Sand und die Sprache der Liebe" von Beate Rygiert. Der Roman greift acht Jahre aus Georges Leben auf, ihre Jahre von 1831 bis 1839, und schildert das aufregende Leben der unkonventionellen Autorin.
Wie sie sich um ihre Kinder Solange und Maurice kümmerte oder sich um sie sorgte, wenn sie nicht bei ihr waren. Wie George immer ans Schreiben dachte, ihre grosse Leidenschaft. Mir gefiel sehr, wie Beate Rygiert deutlich macht, dass Georg als Ernährerin der Familie, eben nicht nur Schreiben wollte, sondern auch stetig musste, um mit ihrem Lohn die Lebenskosten von ihr und den beiden Kindern zu decken. Dies im krassen Gegensatz zu ihren Freunden, die fast alle nur an sich selbst dachten. Alfred de Musset kam zum Beispiel gar nicht klar damit, dass George eine Vielschreiberin war, dass sie sich in Venedig strikt immer wieder hinsetzte und schrieb, anstatt das Leben zu geniessen.
Den Roman könnte man auch mit "Liebe in Zeiten der Cholera" überschreiben: Tuberkulose, Cholera und andere Krankheiten bedrohten das Leben aller, es ging ums Überleben; die einen hatten wahnsinnige Angst, andere versuchten einfach nur zu Überleben. Auch diese Situationen und die unterschiedlichen Haltungen brachte mir die Autorin nahe.
Vor Jahren habe ich Biografien über Frédéric Chopin und über George Sand gelesen, wie auch Sands "Ein Winter in Mallorca". Ich hatte nur noch Georges Faszination von Chopins Musik vor Augen, aber nicht mehr wie hart es für die kleine Familie auf der Insel war. Heute denken wir bei Mallorca an Strand, Sonne und nette Spanier, doch damals waren die Mallorquiner nicht sehr fremdenfreundlich. Eindrücklich, wie Beate Rygiert beschreibt, wie George sich um den kranken Chopin kümmerte und um alles andere, dabei aber auch immer noch schreibt und ihren Vertrag auch unter widrigen Umständen erfüllt.
Von der Autorin hatte ich bisher erst "Herzensräuber" gelesen. Ich war gespannt, wie sie den Sprung vom Unterhaltungs- zum Biografieroman schafft. Es ist ihr gut gelungen, denn von der ersten Seite an war ich gefesselt.
Beate Rygiert konnte mir Georges Leidenschaft für ihre Romane, ihre Ideen zur Gleichstellung der Frauen und auch die Sehnsucht nach einer tiefen, aber unkomplizierten Liebesbeziehung vermitteln.
Fazit: Interessanter und fesselnder Einblick ins aufregende Leben von George Sand, auf ihre Art eine Vorreiterin in Sachen Frauenrechte.
5 Punkte.