„Der lange Weg zu einem kleinen zornigen Planeten“ ist das Debüt der US-Amerikanerin Becky Chambers. Der Science-Fiction-Roman hat mich an der Seite der Crew von Captain Ashby Sanoso mit an Bord der„Wayfahrer“, einem in die Jahre gekommenen aber noch voll funktionsfähigen Tunnelerschiffs, genommen auf dem Weg durch das Weltall hin zu dem äußerlich abweisend wirkenden Planeten Hedra Ka. Das Cover lässt mich in das All schauen mit einer Vielzahl von Sternen, unbekannten Welten und Wesen. Der Lichtstreifen am Horizont, der sich von dem dunklen Raum abhebt, steht für mich symbolisch als Hoffnungsträger für die Zukunft, in die die Frau am unteren Bildrand aber auch wir selber blicken.
Rosemary Harper ist Mitte 20 und kommt vom Mars. Sie hat sich eine neue Identität besorgt und tritt nun ihre eine Stelle auf der „Wayfahrer“ als Verwaltungskraft an. Mit dem Tunnelerschiff stoßen Ashby Sanoso und seine Crew Wurmlöcher ins All um Verbindungen zwischen Galaxien zu schaffen. Die Mannschaft setzt sich nicht nur aus Menschen zusammen, sondern auch andere Lebensformen gehören dazu. Sie verständigen sich hauptsächlich auf Klip, aber jede Spezies hat auch ihre eigene Sprache, die manchmal nicht aus Wörtern oder Lauten sondern aus Gesten besteht. Der Captain ist stolz darüber, als er den großen Auftrag erhält einen Tunnel zu dem weit entfernten, unfreundlich wirkenden Planeten Hedra Ka stoßen zu dürfen. Die Anreise wird einige Zeit in Anspruch nehmen und so ist Rosemary mit den anderen Crewmitgliedern auf engem Raum eine sehr lange Zeit unterwegs.
Eigentlich hört sich die Zusammenfassung dieses Romans eher unspektakulär an: ein Raumschiff macht sich auf einen langen Weg zu einem unbekannten Planeten um dort einen Auftrag auszuführen. Was aber die Autorin aus diesem Stoff macht, ist ganz fein. Zunächst beschreibt sie die Mitglieder der Schiffsmannschaft, die sehr verschieden sind. Alle sind bestens für ihren Job ausgebildet und kommen aus den unterschiedlichsten Regionen des Weltalls. Während der Captain, der Treibstoffwart Corbin und die Techniker Kizzy und Jenks menschlicher Abstammung sind, wobei man hier noch nach deren Herkunft unterscheiden muss, gehören zur Crew außerdem die Pilotin Sissix, die zu den reptilienartigen Aandrisk gehört, der Grum Dr. Koch, der als Arzt und Koch fungiert, der Navigator Ohan, der als nachtaktives Sianatpaar beschrieben wird und die Künstliche Intelligenz (KI) Lovelace, kurz Lovey genannt.
Jede Spezies bringt aufgrund seiner Herkunft unterschiedliche Lebenserfahrungen und auch Ansichten mit, die oft kulturell bedingt sind. Es ist nicht immer einfach miteinander aus zu kommen und für jeden ein Wohlgefühl an Bord zu schaffen, beginnend bei der Raumtemperatur hin zu Kleidung und Essen. Becky Chambers thematisiert diese und andere Probleme und diskutiert sie mit viel Respekt für jede Lebensform. Die Lösung ist nicht immer die Beste, aber grundsätzlich die Fairste. Freundschaft, Verständnis und Hilfsbereitschaft stehen dabei im Vordergrund.
Im folgenden Verlauf nimmt die Crew auf ihrem langen Weg Kontakt zu weiteren Spezies auf, sei es um Ersatzteile und Essenszutaten zu beschaffen oder auch mal zum Vergnügen. Auch hier beweist die Autorin viel Einfühlungsvermögen, denn leider gibt es auch immer wieder Missverständnisse, die ausgeräumt werden müssen um den Bestand der Galaktischen Union, in dem die verschiedenen Spezies vereint sind, zu erhalten. Interessant sind auch die Gefühle, die die Lebewesen zueinander entwickeln. Beispielsweise gibt es eine Art, die ihr Geschlecht im Laufe des Lebens wechselt, bei einer anderen ist Liebe zwischen ständig wechselnden Partnern üblich und außerdem entwickelt ein Techniker eine ungewöhnlich anmutende zarte Bande zur KI an Bord.
Karin Will hatte es sicher nicht leicht, die Beschreibung all dieser außergewöhnlichen Spezies und ihrer Besonderheiten vor allem in der Verständigung ins Deutsche zu übersetzen. Es ist ihr sehr gut gelungen und ich konnte den Ausführungen problemlos folgen und sie mir gut vorstellen.
„Der lange Weg zu einem kleinen zornigen Planeten“ beschreibt dem Leser eine futuristische Welt. Jedoch zeigt die Autorin darin auch, wie ein respektvolles Zusammenleben in einer Multikulturellen-Gesellschaft möglich ist, ohne jedoch den Anspruch zu erheben, dass letztlich alle Probleme gelöst werden können und niemand Ärger macht.
Mit diesem Buch habe ich nach langer Zeit wieder einmal einen Science-Fiction-Roman gelesen. Ich hoffe nicht nur auf eine Fortsetzung des Romans, sondern auch darauf, dass wir fremden Kulturen so offen entgegentreten wie die Crew der Wayfahrer. Meine Leseempfehlung für alle Sci-Fi-Fans!