Eine zweite Chance für Arthur?
Arthur ist nach 26 Monaten Gefängnis wieder frei, doch wie soll es für ihn nun weitergehen? Wer gibt dem ruhigen Arthur eine zweite Chance? Er, der eigentlich immer für sich war, ruhig, besonnen, unauffällig ...
Arthur ist nach 26 Monaten Gefängnis wieder frei, doch wie soll es für ihn nun weitergehen? Wer gibt dem ruhigen Arthur eine zweite Chance? Er, der eigentlich immer für sich war, ruhig, besonnen, unauffällig aber intelligent und aufmerksam? Können Resozialisierungsprogramme ihm helfen einen eigenen Weg zu finden? Wie weit ist die Gesellschaft bereit Arthur eine zweite Chance zu geben?
"Dabei fällt Arthur auch ein, dass er mit seiner eigenen Hauptfigur eher schleppend vorankommt. Deren Entwurf geht bislang kaum darüber hinaus, dass er seinen Kaffee jetzt schwarz trinkt und sich ein Bewerbungsoutfit leisten will. Was - und das kann er Börd auf keinen Fall so sagen - vor allem darin liegt, dass das Schwarzsprechen und die Gespräche mit Börd viel mehr dazu beitragen, dass Arthur das Gefühl hat, sich selbst nahezukommen, näher als er sich bisher war. Weil Arthur sich aber nicht sicher ist, ob das nicht genau an Börds Therapieziel vorbeigeht, sagt er lieber nichts und tut so, als entwerfe er nach und nach so etwas wie einen Super - Arthur, der schon bald alle Geschäftsführer dazu bringen wird, ihm mit offenen Armen einen Praktikumsplatz anzubieten". (Seite 100)
Birgit Birnbacher ihr Schreibstil ist anders, kühl, manchmal mit viel Abstand und von Andeutungen gespickt die man als Leser selbst zu Ende denken muss. Es ist mal ein ganz anderes Lesevergnügen als man es eben so kennt, viele Dinge bleiben angedeutet, unausgesprochen und die Autorin konzentriert sich hier auf den Hauptprotagonisten Arthur.
Man muss also mit dieser Art des Schreibens sich anfreunden können und vor allem darauf eingehen können um dieses Buch genießen zu können. Mir persönlich hat diese Art sehr gut gefallen denn die Autorin überlässt es hier dem Leser selbst ob er Arthur verurteilt oder ihm eine zweite Chance geben möchte, der Leser muss und soll selbst ein Gefühl für die Situationen von Arthur erhalten und man überlegt sein eigenes Denken und Fühlen.
Auch folgt sie keiner Chronologie, nein, sie wirbelt die Zeiten und Begebenheiten durcheinander, also kein Buch um durch zu hasten, es braucht die Zeit die man sich nehmen sollte. Trotzdem bekommt man von vielem einen Einblick und merkt warum Arthur hier und da so zu handeln begonnen hat, dass er eigentlich vor keiner anderen Möglichkeit zur Wahl stand.
Arthur selbst fand ich sehr faszinierend. Er ist von Beginn an sehr ruhig, aber intelligent, er beobachtet und bekommt mehr mit als die meisten Leute denken. Er „tickt“ anders was vielen Leuten, auch seinem Stiefvater, ein Dorn im Auge ist, Arthur kann gar nicht „normal“ sein. Und Arthur möchte einfach nur dass die Leute um ihn herum glücklich sind, vergisst sich und seine Wünsche aber immer mehr, findet keinen eigenen Weg in sein eigenes Leben.
Die Mutter wurde vom Mann verlassen, sein Bruder Klaus und er ziehen mit der Mutter und dem Stiefvater nach Andalusien um ein Palliativzentrum, es geht aber nicht um die Wünsche der Kinder, sie werden beiden eher im Schatten gelassen, während Klaus ausbricht und wieder zurück nach Wien geht muss Arthur bei seinen Eltern bleiben und mit den Situationen die herrschen klar kommen. Man merkt schon hier wie Arthur kämpft, sich seine Gedanken macht und es etwas klarer erscheint warum alles so kam wie es nun mal kam.
Was bedeutet es sich eine zweite Chance erkämpfen zu wollen? Wie weit ist jeder bereit zu gehen, was ist okay, was sollte man besser bleiben lassen? Wie werden wir in der Gesellschaft wahrgenommen wenn wir nach neuen Möglichkeiten, einen eigenen Weg suchen? Und wäre man als Leser bereit Arthur eine zweite Chance zu geben? Würde man selbst, in Arthur seiner Situation, nach zweiten Chancen suchen und kämpfen oder aufgeben?
Viele Fragen die die Autorin, in meinen Augen, sehr gekonnt in ihrem ganzen Buch umgesetzt hat, aber wie gesagt, man muss diese Umsetzung an sich mögen, sich darauf einlassen und mitdenken. Wer davor nicht zurückschreckt wird ein sehr interessantes Leseerlebnis vorfinden.