"Eifelfrauen – Der Ruf der Nachtigall" ist der zweite Band der historischen Roman-Dilogie von Brigitte Riebe, der bei Rowohlt/Wunderlich erscheint.
Altenburg, 1945: Der Zweite Weltkrieg ist überstanden und die Bewohner des kleinen Eifeldorfes versuchen unter der Aufsicht der Besatzer wieder in den Alltag zurück zu finden. Auch Johanna Fuchs, die Künstlerin und ihre Töchter Klara und Mia sehen auf ihrem Bauernhof mit neuem Mut der Zukunft entgegen.
Beide Schwestern sind eng verbungen und unzertrennlich, dabei sind sie grundverschieden. Mia ist den Menschen zugewandt und ungezwungen, während Klara schüchtern und nachdenklich ist und nur in ihrer Musik lebendig wird und ungezwungen.
Im zweiten Eifelband lässt Brigitte Riebe ihre Leserinnen wieder in das Familienleben der Familie Fuchs eintauchen und bringt ganz nebenbei die historischen Ereignisse zur Sprache, die das Leben der Menschen zwischen 1945 und 1956 prägen und beeinflussen. Das Nachkriegsleben brachte mit dem Eiswinter, schlimmen Hungerjahren und den zerstörten Gebäuden und der Infrastruktur eine Zeit voller Schwierigkeiten mit sich, die den Bürgern zu schaffen machten. Aber ihr starker Lebenswille setzte einen enormen Wiederaufbau in Gang, der neue Lebensgrundlagen schuf und die Hoffnungen auf bessere Zeiten wachsen liess.
Für Mia und Klara bringt diese Zeit auch Veränderungen mit sich, sie entwickeln sich zu selbstbewussten Frauen, die ihre Chancen im Leben nutzen und darauf hoffen, ihre Träume leben zu können. Klaras gesangliches Talent veranlasst sie dazu, eine Gesangskarriere anzustreben, sie lernt den Tschechen Tenor Pavel Vévoda kennen, der ihr Unterricht gibt und sie ermutigt, weiter zu singen. Beide Schwestern verlieben sich in Pavel. Mia bekommt mit ihrem mathematischen Geschick die Möglichkeit der Mitarbeit in der Tabakfabrik ihres Onkels in Trier. Und auch in den aus dem Vorband bekannten Familien Schröder, Lanners und Nußbaum geht das Leben weiter, es gibt Liebschaften und Hochzeitspläne, Todesfälle und Geburten, ein Teil der Nußbaum emigriert und so finden einige Nebenschauplätze statt, die die Lebenswege und Neuausrichtung der Figuren aufzeigen.
Klara singt wie eine Nachtigall und nachdem sie sich zunächst dem Liedgut des Deutschen Schlagers widmet, bekommt sie als Opernsängerin Anerkennung und entwickelt neues Selbstbewusstsein. Durch ihre Auftritte an der Oper erleben wir einige Ausflüge in die Welt der klassischen Musik und bekommen die Bühnenbilder und verschiedene Outfits präsentiert.
Besonders interessant und mir größtenteils völlig unbekannt ist das erwähnte Brauchtum in dieser Gegend der Eifel, das in Festen und Traditionen weiter gepflegt wird. Gekonnt ist auch die historische Recherche und Einbindung der zeitlich relevanten Themen wie Besatzungszonen, Währungsreform und die juristische Verfolgung nationalsozialistischer Verbrechen, die den Roman zu einem anschaulichen Abbild der Zeitgeschichte machen.
Der Roman wird abwechselnd aus der Sicht von Mia und Klara erzählt, damit bekommt man einen guten Einblick in ihre Gefühlswelt. Die Ausarbeitung der Figuren ist Brigitte Riebe ebenfalls wunderbar gelungen, alle Personen werden mit lebensnahen Facetten ausgestattet und wirken authentisch und lebensecht. Man kann mit ihnen fühlen und nimmt an ihrem Alltagsleben teil, der Arbeit, Kultur, Kleidung und Essen und Trinken zeitgemäß wiedergibt.
Brigitte Riebes Erzählstil ist gewohnt einfühlsam, flüssig und bildhaft beschreibend, man kann diesem Roman wunderbar folgen. Lediglich im Mittelteil wird mir die Entwicklung der Nebenfiguren ein Stück weit umfangreich ausgeführt. Zum Ende hin wird aber wieder mehr der Fokus auf Klara und Mia gelegt und es kommt zu einem wunderbar harmonischen Abschluss der Dilogie.
"Der Ruf der Nachtigall" bietet Lesevergnügen mit einer bildhaft geschilderten und emotionalen Familiengeschichte vor dem Hintergrund des Leben in der Nachkriegszeit.