Cover-Bild Gittersee
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22,00
inkl. MwSt
  • Verlag: S. FISCHER
  • Themenbereich: Belletristik - Belletristik: zeitgenössisch
  • Genre: Romane & Erzählungen / Sonstige Romane & Erzählungen
  • Seitenzahl: 240
  • Ersterscheinung: 30.08.2023
  • ISBN: 9783103970883
Charlotte Gneuß

Gittersee

Roman | Ausgezeichnet mit dem »aspekte«-Literaturpreis und dem Jürgen Ponto-Preis 2023

1976, im Dresdner Vorort Gittersee: Karin ist 16, hütet ihre kleine Schwester und hilft der renitenten Großmutter im Haushalt, die ihrer Zeit als Blitzmädel hinterhertrauert. Karins Vater verzweifelt an der Reparatur seines Škodas wie an der des Familienlebens, und ihre Mutter würde am liebsten ein anderes Leben führen. Aufgehoben fühlt sich Karin bei ihrer Freundin Marie, dem einzigen Mädchen in der Klasse, das später nicht etwas machen, sondern etwas werden will: die erste Frau auf dem Mond. Und Karin ist verliebt: in ihren Freund Paul, der gerne Künstler wäre, aber im Schacht bei der Wismut arbeitet. Als Paul zu einem Ausflug aufbricht und nicht mehr zurückkommt, stehen eines Nachts zwei Uniformierte vor der Tür, und Karins Welt gerät aus den Fugen. 
In diesem eindringlichen Debütroman erzählt Charlotte Gneuß von einer Welt, die es nicht mehr gibt und von der Frage, ob Unschuld möglich ist.

Nominiert für den Deutschen Buchpreis 2023

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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 29.12.2023

Erwachsen werden in Gittersee

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Die Geschichte spielt 1976 in Gittersee, Ostdeutschland. Es geht um die 16jährige Karin, um das Erwachsenwerden in jener Zeit, an diesem Ort. Das Leben eines Teenagers ist per se nicht einfach, der Abnabelungsprozess ...

Die Geschichte spielt 1976 in Gittersee, Ostdeutschland. Es geht um die 16jährige Karin, um das Erwachsenwerden in jener Zeit, an diesem Ort. Das Leben eines Teenagers ist per se nicht einfach, der Abnabelungsprozess von den Eltern, die erste Liebe, die Erwartungen der Peergroup, der Gesellschaft. All diese Themen spielen in diesem Roman eine Rolle, werden angerissen, aber leider nicht tiefergehend beschrieben. Auch noch gewichtigere Herausforderungen, wie Verlust und Flucht treffen Karin.
Nur mich leider nicht. Dieser Debütroman hat, für mich, unheimliches Potential und bleibt doch hinter meinen Erwartungen zurück. Es mag am Schreibstil der Autorin liegen, der mir phasenweise zu verwirrend ist. Beispielsweise habe ich mich schwer getan die direkte Rede immer gleich zu erkennen, da sie formal nicht gekennzeichnet wird.
Aber auch dadurch, dass Karin wenig tatsächlichen Einblick in ihr Innenleben gewährt, bleibt sie mir und somit auch ihr Schicksal häufig fern. Es hat mich kaum berührt oder auch wirklich spüren lassen, wie das Leben für sie war. Außer die Beziehung zu ihrer kleinen Schwester, diese Liebe konnte ich greifen.
Das Ende des Romans dagegen hat mich überrascht, damit hatte ich nicht gerechnet und musste insofern den Prolog ein zweites Mal lesen.
Es ist definitiv kein schlechtes Buch, aber eins, das mich nicht erreichen konnte. Aber gebt ihm gerne eine Chance und schaut, wie Ihr es wahrnehmt.

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Veröffentlicht am 01.09.2023

Coming of Age in der DDR

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Die 16-jährige Karin lebt in Gittersee, einem Stadtteil von Dresden. Es ist das Jahr 1976, sie verbringt gern Zeit mit ihrem Freund Paul und ist unentschlossen, was sie nach ihrem bald anstehenden Abschluss ...

Die 16-jährige Karin lebt in Gittersee, einem Stadtteil von Dresden. Es ist das Jahr 1976, sie verbringt gern Zeit mit ihrem Freund Paul und ist unentschlossen, was sie nach ihrem bald anstehenden Abschluss tun soll, während ihre beste Freundin Marie ehrgeizige Pläne verfolgt. Ihr Leben gerät aus dem Tritt, als Paul von einem Ausflug nach Tschechien nicht zurückkehrt. Er soll Republikflucht begegangen haben, wovon sie jedoch nichts geahnt hat. Trotzdem muss sie immer wieder Befragungen über sich ergehen lassen. Dabei muss sie bald erkennen, dass ihr Verhalten in diesem Zusammenhang unweigerlich Konsequenzen nach sich zieht.

Der Roman beginnt mit einer sehr kurzen Szene, in der Rühle einen verunglückten Motorradfahrer findet. Danach übernimmt die Ich-Erzählerin Karin das Wort, die sich an ihren letzten Tag mit Paul erinnert. An diesem hat er sie beharrlich zu überreden versucht, mit ihm und seinem besten Freund Rühle übers Wochenende zum Sommersonnwendfest nach Tschechien zu fahren. Aufgrund ihrer familiären Verpflichtungen hat sie sich dagegen entschieden und sich auch nichts weiter dabei gedacht, als sie gesehen hat, mit welcher Menge Geld sich Paul auf den Weg macht.

Als Leserin erhielt ich Einblick in Katrins Leben im Familien- und Freundeskreis. Zu Hause hat sie für ihr Alter viele Verpflichtungen, denn sie kümmert sich gemeinsam mit ihrer Oma um die zweijährige Schwester, während ihre Eltern in Vollzeit arbeiten. Ihre Mutter hat Katrin im Teenageralter bekommen und tut sich schwer damit, für sie eine Mutterrolle auszufüllen. Katrins beste Freundin Marie träumt von einem gänzlich anderen Leben und vertraut ihr ein Geheimnis an. Doch Katrins Gedanken kreisen vor allem um Pauls Verschwinden, über das sie mehr zu erfahren versucht.

Beim Lesen fühlte ich mich schnell in die DDR der 70er hineinversetzt. Es ist ein Coming of Age-Roman, Katrin steht mit ihrem baldigen Abschluss am Scheideweg und muss sich entscheiden, welches Leben sie anstreben will. Das Erzähltempo ist langsam und intensiv, driftet für meinen Geschmack zwischenzeitlich aber zu sehr in Ereignislosigkeit ab. Pauls Verschwinden bleibt das zentrale Thema, das dafür sorgt, dass sich die Situation allmählich zuspitzt. Dabei hat die Autorin das Gefühl der Unsicherheit, wem man was erzählen kann und sollte, gelungen eingefangen. Eindringlich führt sie vor Augen, welche Konsequenzen es haben kann, Auskunft zu geben.

Erst ganz am Ende wird der Bogen zur rätselhaften Eingangsszene geschlagen. Dem voraus geht eine für Katrin ebenso wie für mich Augen öffnende Enthüllung, welche ein neues Licht auf die gesamte vorangegangene Handlung wirft und das Ausmaß an Manipulation deutlich macht, die hier im Spiel war. Für diesen starken Abschluss lohnt es sich, das Buch trotz einiger Längen zu beenden.