Eindringlich geschilderter, unter die Haut gehender Young Adult Roman über Trauerbewältigung und Liebe, der wahrhaftig wirkt. Für mich der beste Roman dieses Genres in 2015!
Lexie ist ein Mathegenie, doch leider lässt sich nicht jeder Schicksalsschlag im Leben durch einfache Formeln berechnen. Nachdem ihr geliebter jüngerer Bruder Tyler sich selbst das Leben nahm, ist sie ...
Lexie ist ein Mathegenie, doch leider lässt sich nicht jeder Schicksalsschlag im Leben durch einfache Formeln berechnen. Nachdem ihr geliebter jüngerer Bruder Tyler sich selbst das Leben nahm, ist sie gefangen in ihrer Trauer und praktisch wie gelähmt.
Selbst ihrer ersten großen Liebe, Steven, hat sie den Laufpass gegeben, weil sie mit der neuen Situation nicht klar kommt. Lexie zieht sich immer mehr zurück, bis ihre Mutter sie dazu überredet, einen Therapeuten aufzusuchen. Dieser rät ihr, das was sie bewegt, in eine Art Tagebuch zu schreiben und obwohl Lexie eigentlich weniger daran glaubt, dass ihr das helfen könnte, beginnt sie damit, ihre Gedanken- und Gefühlswelt aufs Papier zu bringen.
Derweil geht das Leben weiter, doch auch Lexies Mutter, die seit einiger Zeit von Lexies Vater geschieden ist, kommt sehr schwer mit dem Tod ihres Sohnes klar und belastet das Seelenleben ihrer Tochter daher umso mehr.
Als Lexie plötzlich auch noch beginnt, das Parfüm ihres verstorbenen Bruders in der Wohnung zu riechen und glaubt, seinen Geist gesehen zu haben, fürchtet sie langsam aber sicher den Verstand zu verlieren. Dann findet sie einen Brief, adressiert an Tylers Ex-Freundin. Zwar mag Lexie ihn nicht öffnen, doch sie zaudert ihn dem Mädchen zu überreichen. Könnten Tylers Zeilen womöglich den Grund für seinen Selbstmord beinhalten, denn einen richtigen Abschiedsbrief hinterließ er nicht?
Ich habe die Inhaltsangabe extra ein wenig vage gehalten, um nicht zuviel zu verraten. Wie ein roter Faden zieht sich die Frage, warum Tyler sich umbrachte, durchs Buch. Doch in erster Linie ist es ein sehr unter die Haut gehender Roman über Trauerbewältigung und Liebe.
Die Geschichte wird in „Ich-Form“ aus Lexies Sicht erzählt, so dass man sich beim Lesen besonders verbunden mit ihr fühlt. Ihre Gedanken und Gefühlswelten sind in Aufruhr, doch man kann auch sehr gut nachvollziehen wieso sie trotzdem so nüchtern handelt. Denn auch wenn sie nach außen hin den Nerd und Realistiker gibt, ist sie im Grunde ihres Herzens gefangen in ihrem Kummer und erstickt beinahe daran, weil sie sich keinem in ihrem engeren Bekanntenkreis anvertrauen mag. Ausgerechnet einer Freundin, die sie lange aus den Augen verloren hatte, gelingt es schließlich Lexie einige wichtige Denkansätze zu vermitteln, die wichtig sind zur Trauerbewältigung. Erst als sie wahrnimmt, dass auch andere Menschen Schicksalsschläge in ihrem Leben erdulden müssen, beginnt sie damit sich aufzuraffen und nach vorn zu schauen und nicht mehr in Schuldgefühlen zu verharren. Diese Entwicklung, wie auch die Darstellung der widerstrebenden Gefühle, die Lexie umtreiben, hat die Autorin sehr glaubwürdig dargebracht.
Überhaupt gibt es nur sehr wenige Romane, die mich in diesem Maße jemals so angerührt haben, wie „Die Unwahrscheinlichkeit des Glücks“. Es mag vielleicht ein altmodisch klingen sein, doch müsste ich diese Geschichte mit einem einzigen Wort beschreiben, würde mir als erstes „wahrhaftig“ in den Sinn kommen, denn auch wenn diese Story Fiktion ist, spürt man in jeder Faser seines Seins beim Lesen, dass die Autorin Lexies Gefühlswelt nur zu gut beschreiben vermag. Im Nachwort erfährt man zudem, dass auch Cynthia Hands Bruder sich im Alter von siebzehn Jahren das Leben nahm, was vieles erklärt.
Obwohl ich bislang mit dem Genre Young Adult eher auf dem Kriegsfuß stand, muss ich einräumen, dass es auch Ausnahmen gibt, die die Regel bestätigen. „Die Unwahrscheinlichkeit des Glücks“ gehört definitiv dazu. Denn hier findet man eine Romanheldin mit echtem Kummer und Leid vor und die Art und Weise, wie sie sich schließlich davon befreit und über sich hinauswächst berührt, macht Mut und wird ergreifend geschildert, so dass ich beim Lesen einige Tränen vergossen habe.
Aber es gibt auch die schönen, witzigen Momente; etwa wenn Lexie sich an Erlebnisse mit ihrem Bruder erinnert, etwa wie sie sich neckten und herumalberten. Und natürlich spielt auch die Liebegeschichte zu Steven eine Rolle. Zwar ist diese im Vergleich zum Hauptthema nicht allzu groß ausgefallen, sorgt aber, als man den Grund für Lexies Schlussmachen erfährt, für einen Schlüsselmoment.
Kurz gefasst: Eindringlich geschilderter, unter die Haut gehender Young Adult Roman über Trauerbewältigung und Liebe, der wahrhaftig wirkt. Für mich der beste Roman dieses Genres in 2015!