Partials – Aufbruch von Dan Wells ist ein Buch, das sich am Anfang etwas in die Länge zieht, weil die Handlung nur langsam in Fahrt kommt, sich dann im Verlauf der Geschichte aber immer weiter steigert und sich so schließlich zu einem doch noch sehr fesselnden Serienauftakt mausert. Nach dem schwierigen Einstieg, an dem der etwas gewöhnungsbedürftige Schreibstil nicht ganz unschuldig ist, gelingt es dem Autor die Spannung nach und nach zu steigern und spätestens ab dem Moment, in dem man endlich weiß, wo das alles eigentlich hinführen soll, beginnt man das Buch mehr und mehr zu genießen.
Die Zukunft, die Dan Wells darin kreiert hat ist alles andere als rosig, denn nach einem verheerenden Krieg und einer darauf folgenden schweren Epidemie gibt es kaum noch Menschen auf der Welt. Die wenigen Überlebenden, die immun gegen das Virus sind, haben sich auf Long Island versammelt und versuchen seit knapp einem Jahrzehnt ihre Welt Stück für Stück wieder aufzubauen. Allerdings haben sie ein großes Problem: Ihre Immunität überträgt sich nicht auf ihre Kinder, sodass bisher jedes Neugeborene innerhalb kürzester Zeit verstorben ist. Da ihre Forschungen seitdem zu keinem Heilmittel geführt haben – es gibt kaum noch genügend Wissenschaftler und es mangelt zudem an der notwendigen Technologie – besteht die ziemlich unmenschliche Lösung des regierenden Senats darin einfach möglichst viel Nachwuchs zu produzieren, anders kann man es leider nicht ausdrücken, in der vagen Hoffnung, dass irgendwann ein Baby ebenfalls immun sein und dadurch überleben wird. Sie verpflichten somit alle Frauen so oft wie nur möglich schwanger zu werden, wobei sie das Schwangerschaftsalter immer weiter herabsetzen, was in Verbindung mit den Tausendenden von toten Kindern inzwischen jedoch verständlicherweise zu einer großen Unzufriedenheit geführt hat. Ein Teil der Bevölkerung hat sich daher zusammen geschlossen und kämpft als „Stimme“ gegen den Senat und insbesondere das Zukunftsgesetz. Sie wehren sich gegen die zunehmende Kontrolle durch den Senat und ihr Militär, die Abwehr, und wollen den Bürgern wieder mehr persönliche Freiheiten geben. Vom Senat, der seine Macht natürlich nicht abgeben will, werden sie daher als Terroristen bezeichnet und verfolgt, obwohl sie eigentlich nur eine andere Meinung vertreten. Ihre Mittel sind zugegebenermaßen vielleicht nicht immer richtig, aber da der Senat keinerlei Widerspruch duldet, lässt er ihnen eigentlich keine andere Wahl.
Über den drohenden Bürgerkrieg zwischen den überlebenden Menschen haben viele von ihnen die im Grunde viel gefährlichere Bedrohung schon fast vergessen: die Partials. Sie wurden von Menschen als perfekte Soldaten erschaffen um einen Krieg für sie zu gewinnen, was sie sogar taten, haben sich danach jedoch gegen sie gewendet und waren ihnen auf Grund ihrer verbesserten Fähigkeiten haushoch überlegen. Während ihres Aufstandes kam es außerdem zum Ausbruch eines Virus, der schließlich fast die gesamte Menschheit vernichtete.
Die Partials kommen zwar von Anfang an zur Sprache, zu Beginn des Buches weiß man allerdings nur das über sie, was andere berichten oder was ihnen eingetrichtert wurde. Weil die Geschichte aus der Perspektive von Kira erzählt wird, die während es Krieges noch ein kleines Mädchen war und nie einen Partial zu Gesicht bekommen hat, weiß man also nur das, was ihr erzählt wurde. Die Partials werden von den meisten nicht als Menschen, nicht einmal als Personen betrachtet, sondern als Maschinen, als biologische Waffen ohne Gefühle, die außerdem das RM Virus freigesetzt und somit Millionen von Menschen getötet haben.
Kira hat diese Informationen nie in Frage gestellt, doch als sie schließlich Samm, einem echten Partial, begegnet und ihn näher kennen lernt, beschleichen sie Zweifel. Abgesehen davon, dass man sie rein äußerlich überhaupt nicht von den Menschen unterscheiden kann, sind sie sehr wohl in der Lage zu fühlen und womöglich nicht die Monster, für die man sie hält. Wenn das also gelogen war, wie viel Wahrheit steckt dann überhaupt in allen anderen Informationen?
Da die sechzehnjährige Kira noch nicht bereit ist schwanger zu werden und darüber hinaus nicht für den Rest ihres Lebens ein Kind nach dem nächsten zur Welt bringen will nur um es dann wie alle anderen Neugeborenen auf der Entbindungsstation, auf der sie arbeitet, sterben zu sehen, sieht sie den einzigen Weg die Menschheit wirklich zu retten in der Herstellung eines Heilmittels. Während der Senat nur die Gegenwart im Blick hat, denkt Kira an die Zukunft und ist bereit dafür etwas zu riskieren. Sie will die generelle Immunität der Partials erforschen und sich zunutze machen. Dazu müsste sie an einem von ihnen experimentieren, wofür sie allerdings erst einmal einen in die Finger kriegen muss, was vermutlich die schwierigste Aufgabe ist. Damit ist es aber längst noch nicht getan und ihre feste Entschlossenheit ein Heilmittel zu finden gerät ins Wanken als sich herausstellt, dass die Partials den Menschen so viel ähnlicher sind als gedacht, was sie in einen inneren Konflikt stürzt. Was ist sie wirklich alles bereit zu tun um die Menschheit zu retten? Sie selbst würde sich bereitwillig für das Überleben eines Kindes opfern, aber ist sie auch in der Lage und willens dafür zu töten?
Diese vielen Fragen regen den Leser nicht nur zum Nachdenken an, sondern sorgen zudem dafür, dass man in der zweiten Hälfte des Buches viel schneller voran kommt als in der ersten. Immer wieder wird Kira vor neue Herausforderungen gestellt und immer wieder werden ihr weitere Steine in den Weg gelegt, die sie irgendwie überwinden muss, obwohl das Ziel schon so nah schien. Zum Glück bekommt sie dabei wenigstens tatkräftige Unterstützung von ihren engsten Freunden, denn ohne deren Hilfe wäre sie vollkommen auf sich allein gestellt und hätte keine Chance ihre Ziele jemals zu erreichen. Nur leider müssen einige von ihnen dafür mit ihrem Leben bezahlen.
Im letzten Drittel gelingt es Dan Wells den Leser noch einmal mit einigen Wendungen zu überraschen, die man so nie erwartet hätte. Einige davon beantworten Fragen, die man sich im Laufe des Buches gestellt hat, andere werfen neue auf. Das Ende ist, ganz im Gegensatz zum Anfang, sehr temporeich und so spannend, dass der langatmige Start fast in Vergessenheit gerät. Obgleich man das Ende nicht als Cliffhanger bezeichnen kann, ist dieser Reihenauftakt keinesfalls in sich abgeschlossen und verlangt daher unbedingt nach einer Fortsetzung, die man auf jeden Fall ebenfalls lesen wird.
FAZIT
Partials – Aufbruch ist eine überaus interessante Dystopie, die am Anfang zwar ein wenig schwächelt, sich dann aber zu einem mitreißenden Serienauftakt entwickelt, der einen zu begeistern vermag. Im Verlauf der Handlung nimmt die Spannung schließlich kontinuierlich zu und schafft es so den Leser mehr und mehr zu fesseln. Die düstere Zukunftsvision von Dan Wells ist faszinierend und die vielen aufgeworfenen Fragen, die am Ende des ersten Teils noch nicht beantwortet wurden, sorgen dafür, dass man sich den zweiten Teil nicht entgehen lassen wird, da man Kira auf ihrem weiteren Weg begleiten und zusammen mit ihr die gesuchten Antworten finden will.