So geht herausragende Literatur!
War seine „Reise mit der gestohlenen Bibliothek“ noch eine eher sentimentale Roadnovel, mit der Whitehouse zeigte, dass er Zwischentöne erzeugen kann, beweist sein „Blumensammler“, dass David Whitehouse ...
War seine „Reise mit der gestohlenen Bibliothek“ noch eine eher sentimentale Roadnovel, mit der Whitehouse zeigte, dass er Zwischentöne erzeugen kann, beweist sein „Blumensammler“, dass David Whitehouse diese feinen Nuancen auch absolut dominieren kann. Dieses Werk positioniert ihn auf Linie mit Paulo Coelho und Gabriel García Márquez und lässt Whitehouse wie den Maestro der jungen Literaten Großbritanniens dastehen, der jetzt zweifelsohne unter dem Druck stehen wird, mit jedem weiteren Roman seinen Platz bei den Eliteschreibern verteidigen zu müssen.
Dabei ist „Der Blumensammler“ nicht elitär; die Geschichte würde sich auch einfach so nebenher weglesen lassen und ist zugleich doch eine hervorragende Lektüre, die man auch im Unterricht ab Klasse 10 aufwärts vorzüglich lesen und sezieren könnte ohne dass sich Schüler bei der Analyse langweilen müssten.
Es gibt Bilder, die äußerst irreal sind, kaum zu glaubende Momente, aber sieht man diese Aspekte eben als Bilder und Symbole an, kann man vielfach versteckte Bedeutungen erkennen. „Der Blumensammler“ spielt zuweilen sehr mit Sprache und an dieser Stelle sei ebenfalls auf die absolut gelungene Übersetzung Dorothee Merkels hingewiesen, der es gelang, zudem die sprachlichen Feinheiten zu übertragen und Satzfragmente, teils nur einzelne Wörter, so ins Deutsche zu übersetzen, dass auch hier das zwischen den Zeilen zu Lesende erkennbar bleibt. Ob es nun die „luftigen“ Metaphern und Begriffe sind, die eingangs zuhauf vorhanden sind und später mehr und mehr durch „Bodenständiges“ ersetzt werden, je mehr Handlung und vor Allem Protagonisten geerdet werden, oder der Fakt, dass die allerersten und die allerletzten Zeilen zusammengenommen die unterschiedlichen Seiten einer Waagschale ergeben, die im Verlaufe der Handlung nicht einfach ausbalanciert wird, sondern auch die Schwermut leicht werden lässt.
Fragt man sich eingangs noch, was der Mageninhalt des Wals mit einem New Yorker Putzmann zu tun hat, an dessen Leben Erinnerungsfetzen im Kopf eines Londoner Notruf-Telefonisten aufblitzen und wieso jener so an besagtem Leben teil hat, dessen „Inhaber“ ihm fremd ist, setzen sich diese einzelnen Puzzlestücke schon bald zu einem groben Bild zusammen. Man ahnt, nicht zuletzt wegen teils völlig unauffällig eingeworfener Details, bald Zusammenhänge ohne dass alles vorweggenommen werden würde. So gibt es auch Hinweise, die sich später als falsche Fährten oder zumindest lediglich als semikorrekt erweisen, und ohnehin ist die Geschichte so wunderbar poetisch erzählt, dass auch ich nun kaum von ihr lassen konnte und die letzte Seite mit Wehmut betrachtete, aber auch mit Begeisterung angesichts einer so wundervollen Erzählung.