Der aus Russland stammende alte und schwerkranke Behzod Yadegar (Zod) sitzt jeden Tag vor dem geselligen Café Leila im Glyzinienhof in Teheran, das seinen Eltern gehört, und wartet auf den Briefträger, denn er hofft auf einen Brief von seiner allesgeliebten Tochter Noor. Seit 30 Jahren lebt diese bereits in San Francisco, seitdem Zod sie dorthin gesandt hat, und führt dort inzwischen mit ihrem Ehemann, dem Herzchirurgen Nelson, und Tochter Lily ein erfülltes Leben. So schien es zumindest, denn an ihrem Hochzeitstag erfährt Noor, dass Nelson sie betrügt. Ihre Welt gerät ins Wanken, und Noor beschließt, mit ihrer Tochter Lily nach Teheran zu reisen, eine Stadt, die sie seit Ewigkeiten nicht mehr gesehen hat. Bisher hat Lily ihre Großeltern noch nie gesehen und soll diese nun endlich kennenlernen und mehr über ihre Wurzeln erfahren sowie etwas Persisch lernen. Was wird Noor in Teheran erwarten?
Donia Bijan hat mit ihrem Buch „Als die Tage nach Zimt schmeckten“ einen wunderschönen, farbenfrohen und gefühlvollen Roman vorgelegt, der den Leser die exotische und duftige Welt von Tausend und einer Nacht entführt und das ferne Persien kennenlernen lässt. Der Schreibstil ist flüssig, leicht und lässt auch einen gewissen Tiefgang nicht vermissen. Der Leser findet sich mit der ersten Seite in Teheran wieder, wo er unsichtbar mit Zod vor dem Café Leila auf den Postboten wartet, während man aus der Vergangenheit von Zods Familie und gleichzeitig auch den politischen Umbruch und der anschließenden Gewaltherrschaft erfährt, die die Stimmung in dem Land und unter den Menschen so sehr veränderte. Der Autorin gelingt es hervorragend, dem Leser einen Einblick in eine völlig andere und zum großen Teil auch dunkle Welt der Unterdrückung zu vermitteln und dabei gleichzeitig auch den Respekt für Zods weise Voraussicht zu wecken, seine Kinder in Sicherheit zu bringen, die nicht in einer gewalttätigen und frauenfeindlichen Welt leben sollen, während er allein zurückbleibt und den schrecklichen Tod seiner Frau verarbeiten muss. Dass beide Kinder allein in einem fremden Land erwachsen werden und sich einer ganz anderen Kultur stellen müssen, führt bei Noor und ihrem Bruder zu Identitätskrisen, denn sie müssen sich den Gegebenheiten anpassen, um in Frieden zu leben. Auch die kulinarischen Genüsse des Orients werden hier wunderbar beschrieben, so dass der Duft von Zimt und anderen Köstlichkeiten regelrecht die Nase zu kitzeln scheinen.
Die Charaktere sind sehr liebevoll ausgestaltet und besitzen neben individuellen Eigenschaften auch Herz und Authentizität. Zod ist ein alter Mann, der auf ein bewegtes Leben zurückschauen kann, dass von vielen Schicksalsschlägen geprägt wurde. In einem liebevollen Elternhaus aufgewachsen, doch bereits als Kind in ein völlig fremdes Land verbracht, muss er dies mit seinen eigenen Kindern ebenfalls tun, als sich die politische Lage so sehr verändert. Zod besitzt Mut, Herz und Stärke und eine Weisheit, die nur den Alten vorbehalten ist, die viel gesehen und erlebt haben. Er sehnt sich danach, noch einmal seine Tochter in die Arme zu schließen, bevor er stirbt. Noor ist eine Frau über 50, die schon als junge Frau stark sein musste, um in einem fremden Land zu überleben. Sie hat gerade eine herbe Enttäuschung einstecken müssen, die sie erst einmal verkraften muss. Nach 30 Jahren in die alte Heimat zu reisen erfordert Mut, denn sie weiß nicht, was sie erwartet. Lily ist ein pubertierender Teenager, der man es nie recht machen kann. Sie will nicht nach Persien und macht ihrer Mutter das Leben schwer. In Freiheit aufgewachsen ist die fremde Kultur ein Schock für sie, wo Frauen keine Rechte haben. Die weiteren Protagonisten tragen ebenfalls zur Intensität der Handlung bei.
„Als die Tage nach Zimt schmeckten“ ist eine tiefgründige, farbenfrohe und anrührende Familiengeschichte, die den Leser in eine exotische Welt entführt und mitten ins Herz trifft. Absolute Leseempfehlung für eine echte Entdeckung!