Liebe Daffy,
hast du auch so viel Spaß daran, moderne Märchen zu lesen? Mein heutiger Brief widmet sich Prince of Passion. Nicholas von Emma Chase, das dieses Jahr bei Kyss (by Rowohlt Polaris) erschienen ist. Das Original wurde 2016 unter dem Titel Royally Screwed veröffentlicht. Ich habe die deutsche Ausgabe gelesen, für dessen Übersetzung sich Sabine Längsfeld verantwortlich zeigt.
Bevor ich zum Inhalt komme, möchte ich beim „Äußerlichen“ bleiben. Hier macht Kyss nämlich seit Redwood Love einen phänomenalen Job. Die Bücher sind broschiert und in einer super guten Qualität, die das Leseerlebnis noch steigert. Das Cover ist sehr schlicht grau mit goldenen Ranken, Ich finde es wundervoll, dass die Liebesromane keine albernen Paare in halbnackten Verrenkungen zeigen; es sieht einfach hochwertiger aus. Was ich im Instagramfeed von Kyss gesehen habe, ist, dass die einzelnen Teile der Buchreihe (dazu später mehr) eindeutig mit der Anzahl an Kronen auf dem Buchrücken gekennzeichnet sind. Das ergibt sicher ein richtig tolles Bild im Bücherregal, wenn man alle drei Bände nebeneinander stehen sieht.
Worum geht es nun in diesem Buch? Wie der Untertitel schon verrät, handelt es sich um die Geschichte rund um den Thronfolger Nicholas. Nicholas lebt im fiktiven Wessco – einem Land, das zwischen England und Schottland verortet sein soll. Nicholas lebt mit seinem Bruder Henry bei seiner Großmutter, der Königin Wesscos. Die Eltern sind bei einem Unfall ums Leben gekommen, wodurch Nicholas nun auf Platz eins der Thronfolge steht. Diese Position bringt natürlich einige Verpflichtungen mit sich. Der Wunsch der Königin ist es, dass Nicholas sich nun mit Ende 20 für eine Frau entscheidet und heiratet. Dafür hat sie ihm eine Liste von Anwärterinnen gegeben, von denen er sich eine „aussuchen“ soll. Doch zuerst muss Nicholas seinen außer Kontrolle geratenen Bruder aus Amerika zurück holen.
Bei einem Schneesturm in New York, stolpert Nicholas also sturzbetrunken in den Coffeeshop von Olivia und so nimmt die Geschichte ihren Lauf.
So viel einmal zur Ausgangslage. Hier könntest du den Brief beiseite legen, wenn du das Buch zuerst selbst lesen möchtest. Oder du schaust dir noch an, wie ich das Buch bewerten würde. Da werde ich einige Dinge aus der Handlung vorweg greifen. Natürlich werde ich dich nicht spoilern, doch einiges wird sicher verraten, damit ich meine Meinung besser belegen kann.
Wie hat mir das Buch nun gefallen? Zuerst muss ich sagen, dass ich mich in einer schrecklichen Leseflaute befunden habe und zum ersten Mal seit langem wieder relativ flott und in einem Rutsch ein Buch durchgelesen habe. Einen lockeren und flüssigen Stil muss ich der Autorin also zugestehen. Jedoch kann ich nicht behaupten, dass mir die Sprache im Besonderen gefallen hat. Ja, es ist ein Liebesroman mit vielen erotischen Szenen und keine wissenschaftliche Abhandlung. Das darf locker flockig sein. Trotzdem erschien es mir sehr häufig eher vulgär. Hier möchte ich wieder mit Redwood Love vergleichen, was mir sprachlich sehr viel besser gefallen hat. Auch bei diesen handelte es sich um Liebesromane mit ausführlich beschriebenen Sexszenen, doch ich hatte nicht das Gefühl, es würde vor flapsiger Sprache triefen.
Das klingt nun nicht sehr geschickt, meine Kritik direkt zu Beginn meiner Rezension zu bringen und nicht zuerst das Gute herauszuarbeiten. Ich fand es allerdings wichtig, dass du das Wissen hast, wie ich die Sprache empfunden habe. Ich denke, meine Meinung hat sich maßgeblich daran orientiert.
Als ich den Klappentext gelesen habe, hätte ich schon drauf kommen können, dass es sich um eine Aschenputtel-Geschichte handelt. Als ich innerhalb der Geschichte drauf kam, fand ich es aber genauso klasse. Ich mag es, wenn die klassischen Märchen in heutige Zusammenhänge gerückt werden. Das Buch ist überdies gespickt voll mit direkten und indirekten Erwähnungen der Film- und Musiklandschaft, u.a. Disneys Cinderella,, was den Vergleich mit dem Märchen noch leichter gemacht hat. Ich glaube, ich habe es schon häufiger gesagt, aber mir gefällt es, wenn AutorInnen ihre Bücher im Kanon einordnen und nicht so tun, als hätten sie die Handlungsstränge neu erfunden.
Wie auch schon in Grimms Märchens blieben die Figuren eher oberflächlich beschrieben. Ein längeres Märchen, als es noch die alten Hausmärchen waren; das Buch hat 351 Seiten. Die Autorin arbeitet mit Klischees und Vorwissen, finde ich. Über Nicholas erfahren wir nur wie er aussieht, wie alt er ist, dass er Thronfolger ist, eine gute Bildung genossen haben soll und dass seine Gedanken sich 24 Stunden am Tag um Sex drehen.
Über Olivia wissen wir noch weniger. Wieder einmal wissen wir sehr viel über das Äußere und da auch bis ins intimste Detail. Doch erfahren wir, wie alt sie ist, ob sie nach der High School abgegangen ist oder vielleicht auf dem College war? Die Familienverhältnisse beschreibt die Autorin sehr schön und gibt Olivia damit einen emotionalen Hintergrund. Ihre persönlichen Träume und Beweggründe bleiben aber im Schatten. Durch sehr viele Erwähnungen von Disneyfilmen habe ich mir also ein eigenes Bild gebastelt und aus ihr eine fleißge Cinderella oder Tiana gemacht, die auch Tianas oder Esmeraldas Haare hat. Ihr Lieblingsfilm ist Die Schöne und das Biest, was ihre Aufopferungsbereitschaft für ihren Vater widerspiegelt. Es gibt Elemente, die an Elsa erinnern, was Symbole und Kleidung betrifft. Außerdem wird sie als sehr schnell verzeihend und teils gar naiv beschrieben, ein Klischee mit dem Disneyprinzessinnen zu kämpfen haben.
Was unterscheidet diese Geschichte von den Disneyfilmen, die eine Altersfreigabe von 0 haben? Die sehr expliziten Sexszenen. Davon gibt es jede Menge. Emma Chase wechselt beschreibende Szenen, die die Handlung vorantreiben mit Sexszenen ab. Das Innenleben der Figuren wird nicht anhand von Gesprächen beschrieben, wodurch wir sehr wenig davon erfahren, was die Figuren dazu bewegt, ihre Handlungen auszuführen. Es handelt sich um einen Liebesroman und du kannst dir vorstellen, dass es natürlich die ganz große Liebe ist. Leider finde ich es sehr unvorstellbar, dass es wirklich Liebe und nicht reine Leidenschaft ist, die Olivia und Nicholas lenkt. Konflikte werden nicht ausdiskutiert. Olivia verzeiht Nicholas ohne ein Wort, er muss sie nur mit großen Augen angucken und lsie ässt ihn in ihr Bett. Nicholas denkt darüber nach, wie sehr er Olivia liebt und braucht und dass sie an seine Seite gehört … und will Sex. Wozu braucht er sie an seiner Seite? Weil sie ihn versteht, sie so gut reden können oder weil sie kulturell an gleichen Dingen interessiert sind? Ich glaube, er findet, sie sei die beste Bettgeschichte, die er je hatte.
Hier nun also meine These, dass es sich um ein neumodisches Märchen handelt. Es gibt den Handlungsstrang, dass das fleißige Mädchen dadurch belohnt wird, in der Gesellschaft durch die „Liebe“ zu einem Prinzen aufzusteigen. Die heutigen Liebesromane bedienen das Interesse der Leserschaft, explizite Sexszenen zu lesen und durch beides in einem schafft Emma Chase eine Märchenadaption, die auf großes Interesse stößt, weil sie die momentanen Lesegewohnheiten befriedigt.
Ich kann dem Buch also keinesfalls absprechen, dass es sehr gelungen für den Markt ist. Wenn man das bedenkt, hat es absolut seine Daseinsberechtigung und macht Spaß. Die Autorin selbst sagt, dass Liebesromane unterschätzt werden, den LeserInnen eine leichte Unterhaltung zu bieten. Ich war ja auch in einer Leseflaute und brauchte dieses Buch, um einen neuen Lesefluss zu entwickeln. Somit möchte ich sagen, die Idee des Buches gefällt mir ausgesprochen gut, die Sprache und Charakterentwicklung war gar nichts meins. Wenn ich diese beiden Extrema abwäge, treffe ich mich mit meiner Bewertung in der Mitte und gebe dem Buch 3 Sterne.
Es handelt sich um den ersten Teil einer Trilogie. In der Prince of Passion- Reihe wird es noch eine Geschichte über den jüngeren Bruder Henry geben und eine über den Personenschützer Logan. Zu letzterem kann ich noch nicht viel sagen, doch ich bin schon sehr gespannt auf Henrys Geschichte. Zwei Szenen in diesem ersten Teil haben Henry schon mehr Figurenentwicklung eingeräumt, als den Protagonisten selbst, was mich natürlich sehr neugierig macht, ob Emma Chase im zweiten Buch ganz anders an die Figurenentwicklung gegangen ist. Außerdem wirkt es wie eine Die Schöne und das Biest- Adaption. Ich bin gespannt und melde mich bei dir, sobald ich von meiner zweiten Reise zurück gekehrt bin.
Bis dahin,
Daisy