Das »Vom Winde verweht« der deutschen Nachkriegszeit
Besser kann man die 360 Seiten des neuen Romans von Federica de Cesco nun wirklich nicht zusammenfassen, also sei mir bitte verziehen, dass ich das dann auch mal als Überschrift für meine Rezension so zitiere.
Bücher, die im Genre „Literatur“ beheimatet sind, sind mir leider oftmals zu „sperrig“ und langatmig, daher meide ich diese meistens... Dadurch sind mir sicherlich schon einige gute Bücher „durch die Lappen gegangen“... Von daher bin ich sehr froh, dass ich auf dieses durch die Leseprobe aufmerksam wurde und eine Freundin hat es mir dann geliehen. Sie war auch total begeistert und hatte mir das Buch auch schon sehr ans Herz gelegt.
Die Geschichte spielt in Münster, kurz nach Ende des Zweiten Weltkriegs.
Die Stadt ist zerstört, es ist Winter, die Menschen kämpfen um ihre Existenz. Die junge Anna hält ihre Familie mit einer Stelle als Dolmetscherin bei der britischen Besatzungsmacht über Wasser.
Als sie eines Tages mit Fieber bei der Arbeit erscheint und sich kaum auf den Beinen halten kann, bietet ihr der englische Captain Jeremy an, sie nach Hause zu bringen – es ist der Beginn einer leidenschaftlichen Liaison, die im Nachkriegsdeutschland verpönt ist, denn mit dem Feind lässt man sich nicht ein...
40 Jahre später findet Annas Tochter Charlotte Tagebuchaufzeichnungen und alte Tonbandaufnahmen – und sie macht sich daran, das Geheimnis der großen verbotenen Liebe von Anna und Jeremy zu lüften. Warum verschwand er eines Tages spurlos aus Annas Leben, obwohl sie seine große Liebe war? Was verbarg der charismatische und so undurchschaubare Mann, der ihr Vater ist? Und was war der Grund für Annas Selbstmordversuch Jahrzehnte später?
Je mehr Charlotte in die Geschichte ihrer Familie eintaucht, desto lebendiger wird für sie – und die Leser – auch die deutsche Nachkriegszeit, als die europäischen Völker einander als Feinde galten und in vielen Familien das Gespenst des Nationalsozialismus noch lebendig war.
Die Autorin bedient sich so schöner & bildhafter Worte, schreibt so einfühlsam und präzise, dass man sich ihrer Geschichte nicht mehr entziehen kann, bis die letzte Seite ausgelesen ist. Ihr kennt das sicherlich alle: man muss ab und an einfach aus diversen Gründen das Buch aus der Hand legen/eine Pause einlegen, doch hier war mir das schier unmöglich.
Die Geschichte ist wirklich schön, doch auch tragisch, so dass man quasi mit einem lachen und einem weinenden Auge liest.
Sie wirkt sehr lebensnah und authentisch, was auch nicht weiter verwundern dürfte, ist sie doch nach einer wahren Begebenheit aus der Familie der Autorin erzählt.
Ich mag Bücher, in denen Frauen im Vordergrund stehen, die kraftvoll agieren, Vorbilder sind, was hier auch der Fall ist.
Ein wirklich beeindruckendes Buch, das gut unterhält und auch sehr berührt.