Cover-Bild Ich wollte Liebe und lernte hassen!
16,00
inkl. MwSt
  • Verlag: Diogenes
  • Themenbereich: Biografien, Literatur, Literaturwissenschaft - Biografien und Sachliteratur
  • Genre: Sachbücher / Politik, Gesellschaft & Wirtschaft
  • Seitenzahl: 336
  • Ersterscheinung: 25.04.2018
  • ISBN: 9783257300536
Fritz Mertens

Ich wollte Liebe und lernte hassen!

Ein Lebensbericht
Fritz Mertens hat zwei Menschen ermordet. Um die Frage nach dem Strafmaß zu beantworten, soll er seinen Lebenslauf niederschreiben. Sein Bericht ist das bewegende Dokument eines kollektiven Versagens: eine Kindheit, gekennzeichnet durch Krankheit und Misshandlung, die Suche nach Verständnis und die immer wieder darauf folgende Enttäuschung. Ein Buch über das sensible Terrain des kindlichen Gemüts, auf dem wir uns mit aller Vorsicht bewegen müssen.

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Veröffentlicht am 23.06.2018

Das grausame Portrait eines Mörders, der in seiner Kindheit durch die Hölle gehen musste.

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Bei diesem Buch habe ich mich dazu entschieden, euch den langen Klappentext voranzuschicken, damit ihr direkt alle Hintergrund-Informationen zur Verfügung habt. Dieses Buch, zuerst 1984 erschienen, kurz ...

Bei diesem Buch habe ich mich dazu entschieden, euch den langen Klappentext voranzuschicken, damit ihr direkt alle Hintergrund-Informationen zur Verfügung habt. Dieses Buch, zuerst 1984 erschienen, kurz nachdem die Tat verübt wurde, hat mich mit diesem Klappentext direkt gefesselt. Ich wollte unbedingt lesen, wie es zu einer solch ungeheuerlichen Tat kommen kann, welche Motive dahinterstecken und wie das oben erwähnte „grausame Elternhaus“ wohl ausgesehen haben mochte. Makaber, aber irgendwie war ich fasziniert. Fritz Mertens‘ „Ich wollte Liebe und lernte hassen!“ beginnt bei seinen jüngsten Erinnerungen und erzählt, wie er aufwuchs, wie sein Verhältnis zu seinen Eltern war — kurz, dieses Buch ist eine Autobiographie. Da das Lektorat möglichst wenig an diesem Rohtext verändern wollte, wurde tatsächlich nichts bis auf die Orthographie geändert, Fehler ausgebessert — das gesamte, grausame Material ist also fast komplett so geblieben, wie Fritz Mertens es damals verfasst hat. Es verschlägt einem oft die Sprache, man will gar nicht glauben, dass Dinge wie dort beschrieben überhaupt irgendwo geschehen können, wie Kinder dermaßen misshandelt werden können, doch die Neugier, ob Fritz oder seine Geschwister sich jemals zu Wehr setzen würden, trieb mich an, weiterzulesen.

"Ich glaube, ich habe nie etwas richtig gemacht in meinem Leben, immer war etwas dabei, was falsch war."

„Ich wollte Liebe und lernte hassen!“ ist definitiv kein Buch für zarte Gemüter. Nüchtern und gerade heraus erzählt Fritz Mertens über seine Kindheit und Jugend, über seinen Alkoholiker-Vater und seine allem Anschein nach sehr überforderte Mutter. Und das ist wirklich noch vorsichtig ausgedrückt. Seine Geschwister erfahren leider dieselben „Erziehungsmaßnahmen“ wie er und mehr als einmal spielt er sogar in Kindheitstagen(!) mit dem Gedanken, sich umzubringen. Während die Mutter ihn also wegen unfassbaren Kleinigkeiten blau und grün prügelt, schwärzt sie ihn auch bei seinem Vater an, der mal bei der Familie, mal getrennt wohnt. Hinterrücks arbeitet Fritz Mutter also gegen ihn, den „Liebling“ seines Vaters, der nichtsdestotrotz auch von ihm verprügelt wird. Fritz‘ Kindheit ist geprägt von Krankheit und Krankenhausaufenthalten, denn als er in jungen Jahren über Hüftschmerzen klagt und nicht mal mehr richtig gehen kann, wird er von seinen Eltern nur verlacht, er solle nicht so „gehen wie eine Schwuchtel“ und sich „nicht so anstellen“. Doch die Schmerzen werden schlimmer und als Fritz endlich zu einem Arzt kommt, stellt man einen schweren Bruch der Hüfte fest und er verbringt das nächste Jahr fast komplett abwechselnd in Gips, im Rollstuhl, mit Krücken oder im Krankenhaus — wo er am Ende seines Aufenthalts auch gar nicht mehr weg will, da sich dort alle so liebevoll um ihn kümmern. Kaum ist Fritz genesen, ist die „Schonzeit“ der elterlichen Gewalt vorbei und teilweise schwärzen ihn sogar seine Geschwister bei der Mutter an, wobei die geschwisterlichen Bande auch ins Wanken geraten. Fritz muss sich seit seinen jungen Jahren auch um den Haushalt kümmern, hat keine Zeit mehr für seine Hausaufgaben, zur Schule zu gehen fällt ihm nach und nach schwerer, da er nie vorbereitet ist. Zum Geburtstag bekommen die Kinder keine wirklichen Geschenke; Fritz erzählt in seinem Bericht vom Geburtstag seines Bruders, der ein Papier geschenkt bekommt, auf dem in der Mitte ein Pfennig aufgeklebt war, mit den Worten: »Für mehr hat es nicht gelangt, du warst ja auch dieses Jahr nicht brav.«

Fritz Mertens erzählt schonungslos von allen Grausamkeiten, die ihm und seinen Geschwistern in Kindheit und Jugend bis hin ins junge Erwachsenenalter widerfahren sind, und ich habe mir stellenweise wirklich an den Kopf gefasst, wieso denn niemand das Jugendamt verständigt hat, der diese Zustände mitbekommen hat. So führt Fritz‘ Mutter später eine Gaststätte, und als es zu einem Missverständnis kommt, prügelt sein Vater ihm im Hinterzimmer die Seele aus dem Leib, sodass seine Augen geschwollen sind und seine Lippe bluten. In diesem Zustand soll er sich dann bei einem Gast entschuldigen. Spätestens da hätte ich mir für die Kinder gewünscht, dass irgendjemand endlich zur Polizei geht und die Kinder den Eltern weggenommen werden. Oder dass die Geschwister sich verbünden und gemeinsam weglaufen oder selbst zur Polizei gehen. Selbst Fritz‘ kleine Schwester wird, als sie noch keine zwei Jahre alt ist, von der Mutter halbtot geschlagen. Was die Kinder von einer Flucht aus dem Elternhaus abgehalten hat, weiß ich beim besten Willen nicht.

Die vollständige Rezension findet ihr auf dem Blog: https://killmonotony.de/rezension/fritz-mertens-ich-wollte-liebe-und-lernte-hassen

Veröffentlicht am 26.09.2019

Wenn Liebe versagt, Hass gezüchtet und Alkohol als Sieger hervorgeht...

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Was würde passieren, wenn du eine furchtbare Kindheit hättest? Du warst Ewigkeiten krank und an dein Bett gefesselt. Was, wenn dich täglich Gedanken plagen, du könntest wieder etwas falsch gemacht haben? ...

Was würde passieren, wenn du eine furchtbare Kindheit hättest? Du warst Ewigkeiten krank und an dein Bett gefesselt. Was, wenn dich täglich Gedanken plagen, du könntest wieder etwas falsch gemacht haben? Ein falsches Wort und deine Eltern streiten sich wieder und du warst die Petze! Und was, wenn du statt Liebe nur Schläge und oft sogar Hass zu spüren bekommst? Die Arbeit bleibt nämlich an dir und deinen Geschwistern hängen. Und du wirst mit der Peitsche bestraft, wenn etwas nicht zufriedenstellend ist ...

Fritz Mertens erzählt in seinem Buch "Ich wollte Liebe und lernte hassen!" von genau diesen Ereignissen. Doch es ist nicht nur ein einfaches Buch, es ist ein Lebensbericht mit einem dramatischen Hintergrund. Denn der Mann, der sich hinter dem Pseudonym Fritz Mertens verbirgt, hat zwei Menschen auf dem Gewissen. Zweifacher Mord um genau zu sein. Zu diesem Zeitpunkt war er gerade einmal 20 Jahre alt. Der Auslöser? Er wurde wurde mit seiner Geliebten im Bett erwischt, von deren Freund. Fritz greift zum Messer, ersticht beide und zündet sie an.

Wie ein Mensch zu so etwas fähig ist, soll unter anderem der Gerichtspsychiater und gerichtliche Sachverständige Reinhart Lempp 1983 herausfinden. Er bittet den Angeklagten seine Geschichte zu notieren. Das Ergebnis: ein durch und durch aufwühlender Bericht über eine katastrophale Kindheit, fernab sozialer Bemühungen und Halt. Zwischen Krankheit und Misshandlung, Unverständnis und Peitschenschlägen. Man kann zur Geschichte selbst eigentlich gar nicht so viel sagen, außer:



"Ich wollte Liebe und lernte hassen!" ist ein dramatisches Beispiel, wie so ein junges Leben komplett aus der Bahn geraten und psychisch, wie physisch alle Beteiligten mit reinreißen kann. Wenn der Vater Alkoholiker ist, die Mutter jegliches Selbstbild verliert und mit sich und der Welt nicht klar kommt. Und das Schlimme ist: solche Eltern gibt es wirklich. Gänzlich überfordert und nur auf sich selbst bedacht, ohne Rücksicht auf ihre eigenen Kinder. Und alle Beobachter schweigen. Fritz Mertens erzählt so eindrucksvoll von seiner Kindheit und Schulzeit, dass es mir oftmals einfach komplett die Sprache verschlägt. Zu oft geht es mir sehr nah und wühlt mich auf. Man möchte diesem Jungen und seinen drei Geschwistern helfen. Ihn vor seinem Vater und seiner Mutter losreißen, schützen und ihn zeigen, dass alles viel besser sein könnte. Man könnte sich über das gesamte Verhältnis aufregen, man will ihn wachrütteln und zum Abhauen raten. Sich fragen, warum er dies mit sich machen lässt. Man möchte schreien, er möge doch bitte zurückschlagen, ihnen genauso gewaltig antworten und dann fällt einem wieder ein: er ist noch minderjährig, 15, in den wie ich finde schlimmsten Phasen, wobei man hier kaum zwischen schlimm und schlimmer unterscheiden kann. Und es sind seine Eltern, die ihn eigentlich schützen, lieben und erziehen sollen, ihm den Weg ebnen, für ein besseres Leben.

Fritz Mertens reißt einen hinein, in sein Leben, teilt Gefühle, Gedanken und Erlebnisse. Auch wenn es vielleicht nicht die hochliterarischte Form eines Buches ist, ist es vor allem eins: so verstörend und erschütternd nahbar.